Operettenrarität in Wuppertal: „Glückliche Reise“ von Eduard Künneke (Vorstellung: 12. 1. 2013)
Die Wuppertaler Bühnen warteten mit einer schmissigen Operettenproduktion auf (Foto: Uwe Stratmann)
Die Bedeutung des deutschen Komponisten Eduard Künneke (1885 – 1953), der bei Max Bruch an der Berliner Hochschule Komposition studierte, liegt auf dem Gebiet der Operette, obwohl er auch einige Opern schrieb, darunter 1945 Walther von der Vogelweide. Am erfolgreichsten war seine Operette Der Vetter aus Dingsda, doch auch seine Glückliche Reise, die 1932 in Berlin uraufgeführt wurde, war durch ihre Bühnenwirksamkeit und durch ihre vielen bekannt gewordenen Nummern einer großer Erfolg beschieden.
Die Handlung der Operette, deren humorvolles Libretto von Max Bertuch und Kurt Schwabach verfasst wurde, in Kurzfassung: Vom Heimweh geplagt, reisen die jungen ehemaligen Offiziere Robert von Hartenau und Stefan Schwarzenberg aus Südamerika, wo sie sich nach dem Ersten Weltkrieg im Urwald eine Farm aufbauten, ins ferne Berlin, um ihre Brieffreundinnen kennenzulernen. In einem Reisebüro treffen die vier aufeinander, doch Monika Brink ist nicht die reiche Kosmopolitin aus ihren Briefen, sondern Angestellte des Reisebüros – wie auch ihre Freundin Lona Vonderhoff. Und obwohl Chef Homann der unpünktlichen Monika wieder mal kündigt, bemerkt Stefan den Schwindel nicht und verliebt sich in sie. Robert hingegen vergisst seine unbekannte Brieffreundin sofort, als er Lona begegnet. Die jedoch ist ihrer Mutter zuliebe mit dem sehr viel älteren Regierungsrat Walter Hübner verlobt. – Wie Monika und Stefan und fatalerweise auch Reisebürochef Homann und Regierungsrat Hübner verabreden sich Lona und Robert zu einem abendlichen Rendezvous im Kasino am Wannsee, wo plötzlich alle aufeinander treffen: frisch Verliebte, beinahe Verlobte, Chef und Angestellte. Im allgemeinen Chaos fliegt der Schwindel über die Identität der Brieffreundinnen auf: Monika schwindelte nicht nur in Bezug auf ihre eigene Lebensgeschichte, sondern schrieb auch im Namen der ahnungslosen Lona die Liebesbriefe an Robert. Enttäuscht wenden sich die Männer ab – und auch Lona kehrt ihrer vermeintlich besten Freundin den Rücken. Doch nach einer tränenreichen Nacht versöhnen sich die beiden Paare bei Tagesanbruch und brechen gemeinsam nach Südamerika auf. Glückliche Reise!
Johannes Weigand schuf eine flotte Inszenierung, die zwar des Öfteren am Rande des Klamauk vorbeischrammte, aber geschickt das Büroleben einfacher Angestellter und ihre Sehnsüchte humorvoll auf die Bühne stellte. Für das Ambiente des Urwalds und der Räumlichkeiten des Reisebüros sorgte Markus Pysall, der auch die Kostüme entwarf, die ein Spiegelbild der dreißiger Jahre bildeten. Die für jede Operette so wichtige Choreographie lag in den Händen von Götz Hellriegel. Für die stimmungsvollen Lichteffekte war Henning Priemer zuständig.
Das Sängerensemble der Wuppertaler Bühnen präsentierte sich sehr spielfreudig und überzeugte auch in den Tanzszenen. Unglaubliche Geschmeidigkeit und Körperbeherrschung bewies der Bariton Olaf Haye in der Rolle des Stefan Schwarzenberg, der in der Urwaldszene sogar als Tarzan seinen Mann stellte. Mit angenehm weicher Tenorstimme wartete Christian Sturm als Robert von Hartenau auf. Überzeugend auch die Sopranistin Annika Boos in der Rolle der Monika Brink und die Sopranistin Manja Sabrowski als Lona Vonderhoff, die in der amüsanten Liebesszene mit Christian Sturm das Publikum zu Szenenbeifall animierte. Alle vier Protagonisten waren stimmlich so stark, dass die Wangen- und Stirnmikrophone überflüssig schienen. Diese störenden „Stimmkrücken“ mögen bei Musicals ihre Berechtigung haben, bei Operettenaufführungen allerdings sind sie unsinnig und verfremden bloß die Stimmen. Dazu kommt das Phänomen, dass die Sänger mit Mikrophonen allzu oft zu schreien beginnen, was auch in dieser Vorstellung vor allem bei Gregor Henze in der Rolle des Reisebüroleiters Homann der Fall war, obwohl er mit seinem komödiantischen Spiel das Publikum zu begeistern wusste.
Schauspielerisch stark agierte Stephan Ullrich in der Doppelrolle als Kapitän Brangersen und Regierungsrat Hübner, der ebenso in einigen Szenen die Lachmuskeln der Zuschauerinnen und Zuschauer strapazierte. Nett anzusehen war der Damenchor (Einstudierung: Jens Bingert), der in adrett-koketter Kleidung seinen Auftritt absolvierte.
Für die gute musikalische Qualität sorgte Eva Caspari am Pult des Sinfonieorchesters Wuppertal. Sie leitete die Aufführung sehr einfühlsam und sängerfreundlich, wodurch sie eigentlich die Sinnlosigkeit der „Stimmkrücken“ bewies. Es gelang ihr wunderbar, die vielen bekannt gewordenen Nummern dieses Werks wiederzugeben, wie „Das Leben ist ein Karussell“, „Am Amazonas“, „Jede Frau geht so gerne mal zum Tanztee“, „Liebe kennt keine Grenzen“ und der Paso doble „Schatz, der erste Satz zum großen Glück, der heißt: ich liebe dich!“ . Und der Marsch „Glückliche Reise“, der Namensgeber der Operette, begeisterte das Publikum sosehr, dass es ihn am Schluss mit rhythmischem Applaus begleitete.
Udo Pacolt, Wien – München