Viva México! Wiener Konzerthaus 17.09.2013
Von links: Amalia Vargas (Gattin von KS. Ramon Vargas), die Eltern von Léon de Castillo, Léon de Castillo, Hubertus Hohenlohe, Prof. Dr. Gerold Gruber (Uni Musik/Darstellende Kunst. Foto: Adamiker
200 Jahre sind immer Grund zum Feiern. In diesem Jahr hörten wir in Wien deshalb zum Beispiel schon viel Wagner und Verdi. Vor knapp über 200 Jahren (203, um es genau zu sagen), erlangte Mexiko seine Unabhängigkeit von Spanien.
Der mexikanische Nationalfeiertag gab so am vergangenen 17. September den Anlass, um einem jungen Ensemble und zwei aufstrebenden Gesangstalenten Wiener Gehör zu verschaffen: Das erst vor 2 Jahren gegründete Valsassina Ensemble debütierte im Konzerthause im bis zum letzten Platz ausverkauften Schubertsaal der, vorbildlich elegant renoviert und mit einer prächtigen Kassettendecke ausgestattet, einen festlichen Rahmen für das Konzert „Viva Méxiko“ bot.
Das aus 15-20 Streichern bestehende Kammerorchester, das seinen Namen nach seinem Gründungsort, dem Wiener Palais Thurn-Valsassina, bekam, verwöhnte das internationale Publikum und prominente Gäste, wie den neuen mexikanischen Botschafter in Österreich, und einige Angehörige des Diplomatischen Corps, der UNO und der United Nation Women’s Guild, mit Kompositionen bedeutender mexikanischer Komponisten und einem kurzweiligen Programm, das so manche Überraschung bot.
Marta Gardolinska, Léon de Castillo.
Am Dirigentenpult stand die aus Polen stammende Marta Gardolinska, eine vielseitige Musikerin, deren Dirigat leicht und präzise die teils kontemporären, teils historischen Kompositionen mexikanischer Komponisten mit dem Ensemble zum Klingen brachte.
León de Castillo, Tenor mit mexikanisch-österreichischen Wurzeln, war als Organisator, Moderator und Sänger die treibende Kraft des Abends. Mit 5 Jahren debütierte er in Mexiko, mit 8 war er Solist der Mozart Sängerknaben in Wien, wo er später an der Universität für Musik und Darstellende Kunst studierte. 2008 und 2010 konnte man ihn am Theater an der Wien neben Placido Domingo in ‚Luisa Fernanda‘ und ‚Il Postino‘ erleben, 2012 debütiert er an der Staatsoper von Mexiko-City ‚Palacio de Bellas Artes‘ und sang im Wiener Musikverein an der Seite von KS Ildikó Raimondi.
Das Programm des Abends war reich und gut gewählt: Den Anfang machte „Estrellita“, eine Komposition aus 1912 des außergewöhnlichen Komponisten und Pianisten Manuel María Ponce, einem der bedeutendsten Liedkomponisten Mexikos:
„Estrellita“, der kleine Stern ist eigentlich kein Liebenslied, sondern „lebendige Nostalgie“, ein schöner Einstieg, samtsanft interpretiert von León de Castillo. Schon Jascha Heifetz arrangierte dieses Lied für sich, das im Repertoire eines Geigers nicht fehlen sollte und auch von Joshua Bell gespielt wurde.
Es folgten dann ein kleiner atonaler Liedzyklus von Silvestre Revueltas, den León de Castillo mit samtigem Tenor vorbrachte, sodann erklangen „Ojos de Juventud“, ein wunderschöner Walzer von Arturo Tolentino, dem ein Wiener Einfluss nicht abzusprechen ist, dann drei Klassiker von María Grever („Júrame“, „Despedida“ und „Te quiero dijiste“), ein weiterer Walzer, „Alejandra“ von Enrique Mora, „Rondalla“ von Alfonso Esparza Oteo und „Besos Robados“ von Jorge del Moral. Es folgte die „Romance for violin and strings“, komponiert Lukas Medlam, dem Konzertmeister. Das Valsassina Ensemble fungierte hier, wie oft, als Förderplattform für junge Komponisten zeitgenössischer Musik. Ein ganz besonderer Moment kam dann mit dem Lied „A Mérida“, das Wilhelm Spuller, ein guter Freund León de Castillos, für den Tenor selbst komponiert hatte. Der Text stammt aus einer wahrhaft berühmten Feder: der des Dichters Luis Perez Sabido. Sabidos Werke wurden oft von Armando Manzanero, einem der erfolgreichsten lateinamerikanischen Komponisten, vertont und von Stars wie Domingo, Carreras und Bocelli gesungen.
Léon de Castillo mit dem Komponisten Wilhelm Spuller
León kann sich glücklich schätzen: der Dichter widmete ihm diesen Text und machte ihn de Castillo sodann zum Geschenk. „A Merida“ brachte dann auch dem Ensemble, dem Tenor und dem im Publikum anwesenden Komponisten Wilhelm Spuller stürmischen Applaus. Erinnert wurde dann auch an Egon Neumann, der 1894 in Mödling bei Wien geboren wurde und der 1948 in Mexiko tragisch durch Selbstmord endete. (So manche ältere Semester werden seine charmanten musikalischen Witze durch Interpretationen von Karl Farkas kennen). Mit Neumanns „Du hast mich nie geliebt“ kam ein Hauch Wehmut an vergangene Zeiten ins Konzerthaus. Die Hommage an Wien selbst brachte dann der Gast des Abends zum Klingen: die in Wien geborene Sopranistin Ethel Merhaut, die hier bei Prof. Irina Gavrilovici studiert und die als Barbarina in Mozarts „Le Nozze di Figaro“ beim Festival „Operklosterneuburg“ 2011 debütierte. Merhaut entzückte mit einem beseelten „Wien, Wien nur du allein“ von Rudolf Sieczynski.
Ethel Merhaut
Das heikle Finale mit den Hits „Besame mucho“ von Consuelo Velázquez und „Granada“ von Augustín Lara meisterte dann wieder der Tenor León de Castillo.
Das Publikum belohnte die jungen Künstler mit langem, stürmischem Applaus, Ethel Merhaut wurde gebeten, noch einmal die heimliche Hymne Wiens von Sieczynski anzustimmen.
Nicht fehlen durfte bei einem solchen Abend übrigens auch die Prominenz, so gab es nach dem Konzert noch Fototermin mit Hubertus zu Hohenlohe, der – was Viele wohl nicht wissen – selbst in Mexiko-Stadt geboren wurde.
Notieren sollten Sie sich in jedem Fall schon einmal März 2014 im Kalender:
Das „Primavera Festival Wien“ – ein junges Musikfestival gegen Rassismus und Diskrimierung – wird in der UNO City, in der diplomatischen Akademie Wien, im Liszt Saal der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien und im Brahmssaal des Wiener Musikvereins auftreten. Gegründet wurde dieses Festival 2013 von – na, Sie werden es wahrscheinlich schon vermuten, dem unermüdlichen León de Castillo. Bleibt nur noch dies zu sagen: VIVA Mexiko, das Valsassina Ensemble und junge Künstler, die Lust haben, klassische Musik zu machen.
Ingrid Adamiker