WIEN / Wien Museum:
NEUERÖFFNUNG
Dauerausstellung bei freiem Eintritt
Alte Geschichten
neu erzählen
Das Wien Museum am Karlsplatz, wo das Rathaus seine Schätze auslagerte (nur die Bibliothek hat man behalten), war schon ein Streitobjekt der Wiener, als man 1959 den relativ schlichten Bau von Oswald Haerdtl neben die prunkvolle barocke Karlskirche stellte. Da dieses damals noch „Historisches Museum der Stadt Wien“ benannte Haus nicht einmal annähernd die Masse der Objekte, die man besitzt, (von 1.7 Millionen ist die Rede) fassen konnte, erwog man in den 2000er Jahren einen Umzug, beschloß dann aber, das bestehende Gebäude zu sanieren und zu erweitern. Was der damalige Direktor Wolfgang Kos angeregt hatte, blieb seinem Nachfolger Matti Bunzl zur Durchführung. Nach gut drei Jahren des Umbauens konnte man das Wien Museum nun im Dezember neu eröffnen.
Von Renate Wagner
Der Umbau Die Zahlen beeindrucken, weil sie die internationale Wichtigkeit des Unternehmens betonen. Als man den Umbau des Wien Museums ausschrieb, haben sich 274 Büros aus 26 Ländern beworben. Man wählte österreichisch, das Kärntner Team Roland Winkler, Klaudia Ruck und Ferdinand Čertov, deren Entwürfe zwar von der Architekturpresse nicht bejubelt, aber letztendlich dann doch recht freundlich beurteilt wurden. Die äußerlich sichtbarsten Veränderungen sind das aufgesetzte Dach, „Matratze“ genannt, das keinen Schönheitswettbewerb gewinnen wird, aber dem Museum eine große Fläche für Sonderausstellungen öffnet. Und der vorgebaute Eingangspavillon, der genau betrachtet nicht wirklich nötig war, denn die alte Eingangshalle war eigentlich groß genug – und ist noch immer als Leerraum“ vorhanden. Gerade dahinter in den beiden alten Sonderausstellungsräumen des Hauses beginnt jetzt die Dauerausstellung mit wenigen Römern und viel schönem Mittelalter. Sie setzt sich über den ganzen ersten und zweiten Stock fort. Im dritten Stock bietet der Balkon vor dem Kaffeehaus einen spektakulären Blick über den Karlsplatz
Und Blickfang des neuen Hauses ist der nun überdachte Innenhof, der eine zentrale offeme Halle bietet, wo einige Schauobjekte auch „schweben“: Dabei ist nur der riesige Walfisch wirklich spektakulär, die in der Luft hängende Bürgermeisterkutsche erklärt sich weniger. Auf dem Level des ersten Stocks finden sich hier nun die Originalfiguren des Donner-Brunnens, die allerdings weniger zur Geltung kommen als in ihrem vorigen Quartier, dem Unteren Belvedere (wo sie jahrzehntelang den zentralen Raum geziert haben). Halb versenkt gibt es ein Modell des Stefansdoms. Ja, und Alfred Hrdlickas Waldheim-Pferd steht auch da… Punktuell sollen die Dinge auf dies und jenes verweisen, wie das ganze Museum sich gewissermaßen als Ort des „Nachhilfeunterrichts“ begreift – für Österreicher, für Wiener, die lernen sollen, alles neu und endlich „richtig“ zu sehen. Stolz auf die hier hinterfragte Vergangenheit ist nun nicht mehr zeitgemäß.
Das Haus, das alles hat Schon als sich die Sammlung der Stadt Wien noch im Rathaus befand, begann man offenbar „alles“ zu sammeln. Das macht gleicherweise die überwältigende Fülle wie die Diversität der Objekte aus, von denen man nun viele ausstellen kann. Alles da, könnte man sagen, von Habsburgischen Stifter-Figuren des Doms bis zu Verkehrszeichen unserer Tage, von erstrangiger österreichischer Kunst (Alt bis Schiele und vieles mehr) bis zu nachgebauten Räumen (neben Grillparzer und Loos auch das „Arabische Zimmer“), vom berühmten, mühsam restaurierten (und leider unter Glas nicht mehr so gut sichtbaren) Stadtmodell von Wien bis zu Secessions-Plakaten, von Maria Theresia bis zu Valie Export. Das Museum hat, wie gesagt alles, Kunst, Möbel, Geschirr, Mode, Plakate, Fotos, Dokumente, Alltagsobjekte aller Art. Die Originale per se – man kennt sie ja von früher – überwältigen kommentarlos nicht nur in ihrer Fülle, sondern vielfach auch in ihrer Schönheit.
Perspektivenwechsel Wenn man in unseren Tagen ein Museum „neu“ machen kann, wird es nicht aussehen wie jenes von gestern. So endet die Präsentation nicht wie früher in der Mitte des 20. Jahrhunderts sondern wird üppig in die Gegenwart bebildert. Nicht erst dort erweist sich die Darbietung als „Nachhilfeunterricht im richtigen Denken“, wie es unsere hochmoralische, neuerdings nur dem Guten (wenn auch nicht dem Schönen) verpflichtete, am hohen Roß der überlegenen Moral sitzende Zeit als Weltanschauung vorgibt.
Nein, man zeigt keine „Türkenbeute“ mehr, das könnte ja die türkische Bevölkerung der Stadt verletzen. Natürlich wird angesichts der Habsburger auf die Repression hingewiesen, und dass ein Bürgermeister Antisemit war, ist wichtiger als all seine Leistungen. Und ja, dass ein Dienstmädchen in der Wohnung der Schwestern Fröhlich, wo Franz Grillparzer die letzten Jahrzehnte seines Lebens verbrachte, nicht viel mehr (wir erfahren: 1,4 Quadratmeter) als die Möglichkeit hatte, sich zum Schlafen auszustrecken – das zeigt man durch ein Rechteck vor dem Zimmer des großen Schriftstellers, der auch nicht eben im Luxus lebte. Und dem die neue Ausstellung seinen großartigen Bücherkasten und die Vitrine mit den persönlichen Gegenständen verwehrt. Vielleicht ist man neben der selbstgerechten Anklage gegen die Vergangenheit auch angehalten darüber nachzudenken, wie manche Menschen in unserer so guten Zeit zu hausen gezwungen sind.
Publikumsfreundlich und belehrend Man hat nicht an Sitzgelegenheiten gespart, das ist angenehm, die Beschriftungen sind (im Gegensatz zu vielen Ausstellungen) groß und dunkel genug, um das Lesen leicht zu machen, und wie es unsere „interaktive“ Zeit (wo in den Sozialen Medien ja jeder seine Meinung ablassen kann, wie unwesentlich sie auch sein mag) es verlangt, wird der Besucher dauernd aufgefordert, irgendwo mitzumachen. Und sich von den ideologischen Hinweisen leiten zu lassen.
In den Räumen, in denen es um die Kriegs- und Nachkriegszeit geht, wird die Belehrung überbordend – aber nicht alles haben erst wir erfunden . Das klassische Plakat „I haas Kolaric, du haast Kolaric, warum sagen’s Tschusch zu dir?“ zeigt, dass Rassismus-Reflexion (die von zahllosen Bildschirmen kommt) nicht erst unser Privileg ist, sondern dass man sich schon in den Siebziger Jahren über das Problem der Gastarbeiter und einer Zwei-Klassen-Gesellschaft den Kopf zerbrochen hat. Auch „Grüne“ gab es schon viel früher, mit der Forderung von Gärten statt Autobahnen… Aber schließlich bildet sich ja jede Generation ein, die Welt neu zu erfinden – und als Zeitgeist-Exempel für heute kann das neue Wien Museum wahrlich herhalten. Allerdings – die meisten Objekte darin sind einfach – wunderschön. Man kann ja auch mehr schauen und selber denken….
Wien Museum, Dauerausstellung
„Wien. Meine Geschichte“:
Dienstag bis Freitag 9.00 bis18.00 Uhr,
Samstag und Sonntag 10.00 bis18.00 Uhr.
Eintritt ist und bleibt kostenlos
(erst für die Sonderausstellungen – ab Februar Fischer von Erlach –
sind Bezahltickets nötig).
Derzeit wird empfohlen, sich im Internet Time-Slots zu sichern, aber wer einfach vorbei kommt, wird nach vermutlich geringer Wartezeit auch hinein gelassen.