
(c) barbara pálffy / volksoper
Wiener Volksoper
Wolfgang Amadeus Mozart “DON GIOVANNI”
14.November 2015 Premiere
Zwei Opernpremieren im zeitlichen Umfeld dieses Wochenendes in Wien: Was für den Wagner im Haus am Naschmarkt gilt, ist auch für Mozart am Gürtel gültig. Liest man im entsprechenden Programmheft über die Intentionen der jeweiligen Inszenierung, kann man man sich über die magere Ausbeute aus den großen Ideenansätzen nur wundern.
Versinkt dort Wagner in oft grotesker religiöser Symbolik, verblödelt (um nicht zu sagen verblödet) hier Mozarts amouröser Archetyp in Plastikmüll.
Die seitenlange Abhandlung im Programm “Über das Essen, nicht nur bei Don Giovanni” findet auf der Bühne sein optisch fragwürdiges Pendant: Der Held der Geschichte wird in der letzten Szene minutenlang mit schrecklich bemalten Plastikspeisen überhäuft, bis er selbst in seinem tödlichen Abgang von den Überlebenden dieser Farce seiner Eingeweide beraubt wird. Dass diese im lieto fine in antropophager Anwandlung auch verzehrt werden, ist ja durchaus tiefenpsychologisch erklärbar, trägt aber ebensowenig zur Erhellung des Abends bei wie die Idee Achim Freyers, die Darsteller zwischen grottenhäßlich bemalten Versatzstücken und in ebenso bemalten weiß-schwarzen Kostümen in einschläferndem Bewegungsduktus durch das Stück schleichen zu lassen. Sollte das eine sedative Wirkung erzeugende Abart der Commedia dell´Arte gewesen sein, es hat gewirkt, letztlich auch bei der musikalischen Wiedergabe, die noch dazu durch die Zweisprachigkeit verstärkt wurde. Man versucht halt alles an diesem Haus, um der Marotte des Direktors gerecht zu werden, ja nicht das italienische Original bei italienischsprachigen Opern zu verwenden.
Da gab es so ungefähr bei jedem zweiten Satz einen verwirrenden Einschub eines italienischen Originalsatzes, so dass man sich auf Strandgesprächen in Jesolo wähnte, allerdings, das sei zugegeben, brachte das Ganze oft auch seine Lacher aus dem Publikum ein.
Nicht unerwähnt darf der lange Tisch bleiben, der zuletzt als Tafel Giovannis diente, ansonsten bis zum Überdruss Drehbewegungen mitmachte oder eher mühsame Besteigungen durch die Sänger über sich ergehen lassen musste. Geschoben und gedreht wurde meistens durch schwarzgewandetes Personal, diese armen Teuferln mußten auch andauernd herumliegenden “Abfall” beseitigen, besonders den Haufen an “Speisen” von Giovannis Tafel und vom Boden. Und im Hintergrund saßen drei Figuren, die ständig mit einer Angel nach Fischen aus waren für unseren Vielfraß.
Von den Protagonisten stieg erwartungsgemäß Josef Wagner in der Titelrolle am besten aus: sein viriler Bariton dominierte das Geschehen, auch spielerisch hatte er, wenn man von der regiebedingt reduzierten Personenführung absieht, die besten Momente nach der Pause in den Szenen des Kleidertausches, auf dem Friedhof und am Schluß, bei dem er seine Höllenfahrt mit einem wirkungsvollen Schlusston krönte.
So einen richtigen Gegenspieler hatte der Chef nicht, denn Mischa Scheliomianski, konnte mangels sich durchsetzenden Stimmmaterials und eingebrachter Persönlichkeit den Leporello zu wenig in den Vordergrund spielen.
Bei den Damen dominierte Kristiane Kaiser, schon am Haus als Donna Anna zu sehen gewesen, diesmal mit blau-bezopfter und beknödelter Perücke und schönem, durchgängig kräftigem Sopran. Ihre Schicksalsgenossin Donna Elvira – eher unglücklich wirkend mit ihren riesigen rosa Haarzipfeln und dem ausgepolsterten Kostüm – gab die Südkoreanerin Esther Lee. Sie vertrat statt der vorgesehenen Caroline Melzer mit merklich vorsichtigerem Ansatz in Intonation und Koloratur.
Andreas Mitschke war der achtungsgebietende Komtur, dessen kurioser Tod durch eine im Fallen aufgespießte Gabel verursacht war.
Jörg Schneider hatte erst bei der zweiten Arie die ersten besseren Momente, Anika Götz war eine bummelige Göre als Zerline, sie sang sauber ihren Part und der Australier Ben Connor gab den geplagten Masetto.
Maestro Jac van Steen schien anfangs von dem gebremsten Bewegungsablauf angesteckt, auch die zweisprachigen Rezitative ließen den Esprit vermissen, der dem Dramma gocoso angemessen gewesen wäre und es erweckten die deutschsprachigen Arienanteile eher den Eindruck eines deutschen Singspiels über einen bestraften Bösewicht als eines ernstzunehmenden dissoluto punitos Mozartscher Prägung.
Sehr langsam, man kann sagen: zu langsam zog die Lebenssonne Giovannis quer über den hinteren Vorhang bis zu seinem Ende.
Am Schluß gab es viel Applaus, jener für den Regisseur war mit deutlichen Buhs unterfüttert.
Peter Skorepa
MERKEROnline
Schauen sie in diesen kurzen Trailer der Volksoper hinein, da sieht alles sehr putzig aus.
Ein längerer Trailer mit Interviews aus der Abteilung TRAILER im Online Merker
Fotos: Volksoper Wien/Barbara Pálffy