„Sweeney Todd“ ein triumphaler Erfolg an der Volksoper 14.09.2013
Blutrausch durch mörderisches Treiben auf der Wiener Volksopernbühne – doch zum Glück ist alles hier nur Show. Spektakulär – eine Groteske zwischen Wut und Verzweiflung – Leben und Tod!
Was ist also die Philosophie des Stückes – Rache, nichts als Rache – wo der Schrei nach Vergeltung das Teuflischste aller Übels ist.
Doch vergleichen wir Stephen Sondheims „Sweeney Todd“ mit Bernsteins „West Side Story“, wo Sondheim die Liedtexte beigesteuert hatte, so müssen wir erkennen, dass auch dieser Musicalklassiker mit so viel geballter Gewalt sich wie ein roter Faden durch den gesamten Handlungsablauf zieht. Bereits Ende der siebziger Jahre, und speziell in den Achtzigern konfrontierte das amerikanische Musiktheater das Publikum mit schockierenden, aber auch ernsthaften Themen, die parallel zum Unterhaltungswert, gesellschaftskritisch eine Welt widerspiegelten, die aus Rassismus, Unterdrückung und Gewalt besteht.
Sondheim war also immer schon ein Vorreiter dieses revolutionären Gedankenguts, das er brillant in eine neue textliche und musikalische Kunstform zu verarbeiten verstand.
Nach der deutschsprachigen Uraufführung mit „Die spinnen, die Römer“ Dezember 2011 zog Sondheim als Komponist und Texter mit dem Einzug von „Sweeney Todd“ in die Volksoper auch diesmal alle Register. Musikalisch zwar mit nur wenigen Ohrwürmern bestückt, ist dieses Werk in seiner gesamten musikalisch dramatischen Vollkommenheit doch ebenso ein Ohrenschmaus. Aber erst durch das Buch von Hugh Wheeler und der dramaturgischen Gesamtbearbeitung bekommt „Sweeney Todd2 richtig seinen künstlerischen Wert.
Nicht umsonst wurde dieses Werk bereits 1979 mit sechs Tony – Awards ausgezeichnet, und Christoph Wagner-Trenkwitz war es eigentlich zu verdanken, das er sich des Stückes annahm, und Direktor Robert Meyer davon überzeugen konnte, das dieser Musical -Thriller an der Volksoper zur Aufführung gelangte.
Es ist ein Thriller im wahrsten Sinne des Wortes – grauslich schön – der für Gänsehaut garantiert.
Die grauslichen Abscheulichkeiten eines Massenmörders, wo sich am Ende die Frage stellt, wer ist hier eigentlich mehr zu bedauern, Opfer oder Täter.
Matthias DAVIDS leistete hier großartige Regiearbeit, setzt auf Akzente, Bewegung und Leichtigkeit.
Keine Gefühlsduseleien, keine Atempausen, kein Nachdenken über das gerade Geschehene, so wird hier mit einem ungeheuren Tempo gespielt. Gerade noch ein Mord, und schon wird man wieder abgelenkt durch neuerlichen Szenenwechsel, der begleitet ist mit satirischen aber auch frivolen Humor, der von der Tat eines Massenmörders ablenkt. Dann wieder zärtliche Liebeszeugungen zwischen Anthony (Alexander PINDERAK) und Johanna (Anita GÖTZ), denn Romantik muss sein – selbst in einer grausamen Story. Wo doch am Ende auch das Gute siegt.
Im Rasiersalon von Sweeney Todd (Morten Frank LARSEN) finden die Mordlüste insbesondere im 2.Akt ihren Höhepunkt, wo durch ein makaberes Zusammenspiel mit der geschäftstüchtigen Mrs.Lovett (Dagmar HELLBERG) Menschenfleisch zu kleinen schmackhaften Pasteten verarbeitet wird. Direkt vom Rasierladen gelangen die mit durchgeschnittener Kehle ahnungslosen Kunden in die Backstube der Mrs.Lovett die dem Ansturm auf ihre delikaten Pasteten kaum nachkommen kann.
Wie makaber dieses Stück auch sein mag, entspricht es doch auch irgendwie der Realität einer irren Welt in der wir leben. Verrücktheiten die mit Kunst in Einklang gebracht werden, zählen heute zu den absoluten Publikumsrennern.
Ebenso ist auch dieser Musical -Thriller für die Volksoper als Erfolg versprechend in Betracht zu ziehen, weil hier nicht nur ein einfallsreicher Regisseur und Bühnenbildner (Mathias FISCHER-DIESKAU) am Werk waren, sondern weil die Produktion mit ausgezeichneten Protagonisten besetzt ist.
Alles dreht sich und bewegt sich – unaufhörliche Szenenabläufe mit Hilfe einer Drehbühne, gibt dem Gesamtgeschehen einen spektakulären Touch.
Bühnenbild und Kostüme (Susanne HUBRICH) sind ein wahrer Augenschmaus. Ideal angeordnet sind Chor und Komparserie, wobei man bei einer Musicalproduktion doch eher von einem Ensemble spricht. Da diese Künstler in einer derart aufwendigen Produktion ebenso Großes leisten müssen.
Morten Frank LARSEN mit seinem wohlklingenden Bariton, brillierte durch schauspielerische und darstellerische Glanzleistung. Man hätte sich keine bessere Besetzung für die Rolle des Sweeney Todd wünschen können.
Eine von Temperament sprühende Dagmar HELLBERG, die als Mrs.Lovett mit schauspielerischem Witz keine Langeweile aufkommen ließ, und außerdem mit einer sehr professionellen Musicalstimme überzeugen konnte. Robert MEYER zog ebenfalls an diesem Abend alle Register und überraschte neben seiner schauspielerischen Leistung mit einer außergewöhnlichen wohlklingenden Stimme. Nur Anita GÖTZ schien als Johanna zu Anfangs ein wenig blass, aber zu erwähnen ist auch das diese Rolle einer Naiven, überwechseln zur jugendlichen Liebhaberin überhaupt ein undankbares Fach ist. Erst im 2.Akt ließ sie ein wenig mehr aufhorchen gesanglich als auch schauspielerisch.
Ihr Verehrer und Retter in der Not, in der Rolle des jugendlichen Liebhaberfachs zeigte zumindest Alexander PINDERAK darstellerisches Profil. Im Grunde genommen kann man vom Gesamtbild her von einer ausgezeichneten Besetzung sprechen. Wo unter anderem insbesondere auch Patricia NESSY in der Rolle als Bettlerin zu erwähnen wäre, die in der Charakterrolle eine wahre Spielfreude erwies.
Obwohl nur wenige musikalischer Highlights, so erklang dank des Volksopernorchesters unter dem schwungvollen Dirigat von Joseph R.OLEFIROWICZ ein phantastischer manchmal übersprühender Musicalsound, bei dem speziell Musicalfans voll auf ihre Kosten kamen.
Überhaupt war es eine Freude beobachten zu können, dass die gestrige Premiere zu 40% Prozent von einem jugendlichen Publikum besucht wurde. Hier also bereits eine neue Musicalära an der Volksoper entstanden ist, die für die weitere Zukunft des Hauses sehr entscheidend ist. Denn die Jugend sind die neuen Hoffnungsträger für ein Theater das nicht nur eine Tradition in Wien hat, sondern auch allen künstlerischen Erneuerungen und Veränderungen immer wieder aufgeschlossen gegenüber stand.
Fazit: Dieser zwanzigminütige begeisterte Premieren – Applaus lässt also hoffen, dass „Sweeney Tod zu einem weiteren Dauerbrenner wird.
Manuela Miebach