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WIEN / Volksoper Richard Wagner DER FLIEGENDE HOLLÄNDER

Szenische Ödnis ohne Wagnersche Wonnen

10.03.2019 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Markus Marquardt als ewiger Befahrer der Meere         Foto: Volksoper Wien/Barbara Palffy


Szenische Ödnis ohne Wagnersche Wonnen

Die Wiener Volksoper, bemüht aber überfordert, versucht sich am Fliegenden Holländer

Premiere, 9. März 2019   Von Peter Skorepa – OnlineMERKER

 

Keine Frage, es ist ganz der Führung eines jeden der drei großen Häuser in Wien, die sich ernsthaft mit Musiktheater beschäftigen, zu überlassen, was sie auf ihren Spielplan stellen. Sie müssen sich nur in der Lage fühlen, Spielplanüberschneidendes in ihre Auslage zu stellen – das tut die Volksoper ja oft genug, oft in ihrer Selbstüberschätzung und stellt Doubletten mit der Staatsoper zur Diskussion – oder aber sie sollte in der Lage sein, derartiges auch in der angemessenen Qualität auf ihre Bühne zu bringen. Das aber bringt die Volksoper sogar in Konkurrenz zu eigenen Produktionen und da muss sich die Führung des Traditionstheaters am Währinger Gürtel die Frage gefallen lassen, warum sie nach so großartig gelungenen Meistersingern aus Anlass des 100-jährigen Jubiläums eine szenisch derart öde Aufführung von Wagners salzwassergesättigtem Frühwerk anbietet.

Natürlich brauchen wir heute für die Wiedergabe dieses Werkes keine Segelschiffe mehr – damit brüstet sich ja der Herr Regisseur – der heutige Opernbesucher benötigt kein Libretto mehr und keine Inhaltsangaben, der schnappt im besten Falle in einem Interview etwas von „Schaffung von seelischen Räumen“ auf, die dann in einer Kammer mit einem abgenudeltem Schreibtisch und einer Flasche Korn und diversen Gerümpel enden: Als Dalands Büro! Und natürlich mit herumliegenden Meeresbildern – alle natürlich ohne Schiffsdarstellungen. In ähnlichem Szenario geht’s weiter, hinten taucht manchmal auch eine aus der Ferne grüßende bewegte See auf, zu der am Ende der Holländer zuschreitet und alles – auch Senta – hinter sich lässt. Sie besinnt sich letztlich eines Besseren, bleibt zurück und verzichtet auf das gemeinsame Bad im Meer.

Während das Bühnenbild im Vordergrund von schauriger Ödnis geprägt ist wird manchmal – wie schon erwähnt – im Hintergrund auf Meeresprojektionen gemacht, leider ist davon von Seitensitzen so wenig zu sehen, dass dazu kein Urteil abgegeben werden kann. Frank Philipp Schlößmann war für diese Bühne zuständig, Franziska Jakobsen für die Kostüme verantwortlich – meist einfache Arbeits- oder Straßenkleidung der Fünfziger. Insgesamt täuschen die Fotos über die Wirkung der tatsächlichen Fadesse auf der Bühne und der sich darin abspielenden Personenregie.

Aber da will ich jetzt nicht nur negativ berichten: Trotz der insgesamt langweiligen Inszenierung sind dem Regisseur wenigstens die Chorszenen einigermaßen gelungen, besonders jene im mittleren Aufzug des pausenlosen Abends, in diesem stellt der Chor der Spinnerinnen in der Version von Aron Stiehl eine Art Lortzingschen Singschule dar mit einer, offenbar aus dem Preußischen zugezogenen und entsprechend unbarmherzigen und „schlagkräftigen“ Dirigentin. Das war eine köstliche Studie von Martina Mikelic als Mary, die mit Schlagstock und Bodenaufstampfen an den zuvor gefeierten Weltfrauentag erinnern konnte. Den Chor, im Mittelteil war er natürlich ohne Spinnräder ausgestattet, studierte Holger Kristen ein.

Chor der Spinnerinnen als „Singschulszene“ mit Martina Mikelic. Lichtblick in der Fadesse der Szene           Foto: Barbara Palffy

Man ertappt sich den ganzen Abend über immer wieder bei der Idee, warum man nicht Stefan Cerny als Holländer angesetzt hat – er hätte mit seinem prägnanten, hellen Bassbariton einen wirkungsvolleren Holländer abgegeben, während sowohl figürlich als auch stimmlich Markus Marquardt in seinem Büro als biederer Kauffahrteibetreiber und Handelsmann besser aufgehoben gewesen wäre. Aus dem Schicksal des „fliegenden Holländer“ wurde eher der „Tod eines Handlungsreisenden“, das Schicksal des Willi Loman. Und so lag diese Art der Besetzung den ganzen Abend etwas bleiern über der Aufführung.

Neben Marquardt hatte auch der ausgezeichnete Kroatische Tenor Tomislav Muzek sein Hausdebüt an der Volksoper und hinterließ einen sehr guten Eindruck, JunHo You mühte sich mit dem Steuermann ab, wurde er doch dauernd von der Mannschaft aus unerfindlichen Gründen gemobbt.

Bei Meagan Miller machte sich in den intensiven Ausbrüchen schon ein leichtes Tremolo in ihrer Stimme hörbar, ansonsten kam noch genügend vom Exaltierten dieser Partie aber auch von der Inbrunst ihrer Liebe zu dem Unbekannten in tatsächlich schön geführten Gesangslinien herüber.

Marc Piollet hatte alle Hände voll zu tun, den Orchesterapparat in Schwung zu halten, gleichzeitig möglichst unfallfrei – was beim Blech nicht immer gelang – auf die Höhepunkte der Musik zu führen, den Sängern aber auch das Recht auf Hörbarkeit zu belassen. Allerdings blieb da vorläufig noch einiges vom Federnden und Tänzerischen der Musik in dieser Oper und von ihrem großen Atem des Meeres zurück.

Etwa zehn Minuten Schlussapplaus, für den Regisseur gab es einige müde Buhs.

Peter Skorepa
OnlineMERKER

 

 

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