Wiener Volksoper 19.10.2013 : Premiere „MÄRCHENWELT BALLETT“ – von Mutterliebe und Aladins Flaschengeist
Mila Schmidt, Laszlo Benedek, Suzana Kvassayova. Foto: Barbara Zeininger
Ein erneuter kleiner Ansatz in der Volksoper, allmählich doch künstlerisch kreativ ein etwas mehr eigenständiges Profil zu gewinnen. Ein nächster Versuch, nicht mit Gesang, sondern mit diesen Tänzern des Wiener Staatsballetts, welche im Haus am Währingergürtel und in Operneinlagen ihre Dienste zu erfüllen haben. Und, erfreulich, der neue Ballettabend ist auf ein junges Publikum ausgerichtet. „Märchenwelt Ballett“ wurde als Uraufführung angeboten, und unterlegt mit kraftvoll aufrauschender russischer Musik geht es nun zuerst auf einen Bauernhof und in eine kahle, recht unfreundliche Naturlandschaft sowie hierauf in ein etwas farbintensiveres orientalisches Märchenland.
„Das hässlich Entlein“ nachzuerzählen hat sich Andrey Kaydanovskiy vorgenommen. Modest Mussorgskis auftrumpfende „Bilder einer Ausstellung“ wirken dabei vielleicht schon wie ein allzu gewichtiger Ballast, wenn unser hässliches Entlein (László Benedek) mit Huhn und Kätzchen (Felipe Vieira und Suzanne Kertész) spielen möchte oder vom widerlichen Truthahn (Patrik Hullman) oder des Jägers Flinte bedroht wird.
Berührende die Momente, wenn Mutter Ente (Rebecca Horner) nach den zwei aus ihren Eiern geschlüpften herzigen Entenputzerln (Zuzana Kvassayova, Mila Schmidt) dieses nicht gerade entenmäßig geratene Küken entdeckt, dabei ihre Mutterliebe sprechen lässt,
schließlich von diesem dann doch Abschied nehmen muss. Kaydanovskiys Märchenspiel ist mit seinen kleinen Gags, seiner abwechslungsreichen und ausgeprägten Gebärdensprache wie in seiner Aussage der modernere Beitrag an diesem Abend. Mussorgskis pompöse Bilder-Promenade liess aber kein Plätzchen mehr finden, um das zuvor so geplagte hässliche Entlein sich mit einem herzerfrischenden fröhlichen Tänzchen von seinen jugendlichen Betrachtern verabschieden zu lassen.
„Tausendundeine Nacht“ folgt nach der Pause, getanzt zu einem ebenfalls überwältigenden russischen Tongemälde: Nikolai Rimski-Korsakows „Scheherazade“. Vesna Orlic, die Ballettmeisterin des Hauses, gibt sich in ihrer Choreographie den Verführungen des Orients hin, schildert, wie Prinzessin Budur (Rebecca Horner) vom liebenden Aladin (Felipe Vieira), dem martialischen Wesir (Samuel Colombet) und dem abgeklärten Sultan (Thomas Mayerhofer) umworben wird. Zwei gertenschlanke Haremsdamen (Ekaterina Fitzka, Una Zubovic) bieten dazu im morgenländischen Liebeshort (Harem: ist das mal im alten Orient wirklich so eine Idylle gewesen?) beste Optik. Böse Krieger wirbeln über die Bühne, doch klar, Happy End in tänzerischem Gleichklang! Hilfreich für ein jugendliches Publikum, um einen Faden zu finden: Der Flaschengeist aus Aladins Wunderlampe deutet dazu die Geschichte an, versucht mit Pointen das Geschehen aufzulockern. Boris Eder rezitiert grotesk pathetisch den guten Geist, wandert auch, gefangen in einer mannshoch dimensionierten Karaffe, durch den Zuschauerraum.
Weiters positiv an diesem Abend: Die Leistungen der Tänzer sowie des Orchesters unter Guido Mancusi, dazu noch gut illustrierende Videoprojektionen in beiden Stücken von Balázs Delbó. Ein Versuch vielleicht: Mit Kind und Kegel rein in diese „Märchenwelt Ballett“. So eine heitere Stimmung wie bei manch anderen Streichen kommt allerdings nicht auf.
Meinhard Rüdenauer