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WIEN / Volksoper Giacomo Puccini DIE BOHÈME Wiederaufnahme

24.04.2015 | Allgemein, KRITIKEN, Oper
Das Café Momus mit Anna-Nina Bahrmann auf dem Balkon (c) NN

Das Café Momus mit Anna-Nina Bahrmann auf dem Balkon (c) NN

Wiener Volksoper
Giacomo Puccini  DIE BOHEME
23.April 2015  Wiederaufnahme
141.Vorstellung in dieser Inszenierung

 

Oper in Absurdistan

 

Vor einigen Tagen ist der glückliche Direktor erst amtszeitmäßig in die Verlängerung gegangen und schon bereitet er der italienischen Oper wieder jenen absurden Klangteppich auf, der in der internationalen Opernwelt eher belächelt wird:  Puccini in der Landessprache, hier hinter dem Wäldchen am Gürtel in Deutsch, der Amtssprache dieses Genres nach dem unsäglichen Willen des alt-neuen Chefs. Das bedeudet, dass sich Sänger – die meisten von ihnen gar nicht muttersprachlich in diesem Idiom zu Hause – mit den oft kruden Übersetzungen abmühen und, weil die Textverständlichkeit kaum gegeben ist, das Ganze noch in den Übertitelungen zu lesen ist.

Das Argument, dass sich die Komponisten selbst einmal für eine tadellose Transskription in die jeweiligen Landessprachen bemühten, kann doch heute an der Schwelle des neue Jahrtausends wohl nicht gelten, in Zeiten eines weltoffenen Publikums und moderner Übersetzungsmedien. So aber werden die Künstler des Abends vor eine halbleere Galerie geschickt und zum Teil um ihre Wirkung gebracht. Und das ist das höchst traurige daran. Traurig, weil die Volksoper über eine noch immer wirksame Regie Harry Kupfers verfügt, die sich zwar schon etwas angestaubt anfühlt, aber auch ihre guten Wirkungen im jetzt schon zweiten Aufguß ohne Abstriche zeigt. Und lag das von Reinhart Zimmermann gestaltete Dachbodenquartier einst über den Dächern von Paris, so ist der visuelle Eindruck heute von verblüffender Ähnlichkeit mit jenem der Dachlandschaft des neuen Hauptbahnhofs von Wien.

War bei der Premiere dieser Inszenierung Adolf Dallapozza ein schön- und hellstimmiger Rudolf, so debütierte im ersten Aufguß Johan Botha – schon damals kam kein ganz schlanker Bursch mehr über die komplizierte Treppe ins Dach – und feierte damit sein Debüt in Wien.

Und jetzt hat die Volksoper wieder ein durchaus beachtenswertes Team ins Rennen geschickt, allen voran Vincent Schirrmacher und Kristiane Kaiser, ein Rudolf, der sich mit Verve und stimmlicher Akkuratesse in seine Rolle stürzt und zeigt, wie ein hohes C zu klingen hat, während die Mimi mit der überzeugenden Gestaltungskraft und der emphatischen Wirkung ihrer gesanglichen Leistung das Publikum für sich einnehemen konnte.

Anja-Nina Bahrmann bot eine ganz köstliche Figur als hysterische Musette mit schön gesungenem Walzer, die vom Balkon des Café Momus unter Zuhilfenahme aller Umstehenden direkt in die Arme von Richard Sveda fällt, eine Meisterleistung des Baritons in jeglicher hinsich, der auch stimmlich als Marcel reüssieren konnte. Der Rest des Künstlerquartetts besteht aus Daniel Ochoa und Stefan Cerny, wobei letzterer ein sehr gutes Bassmaterial beim Abschied von seinem Mantel zur Verfügung hat.

Alle feierten ihr Rollendebüt an der Volksoper, auch Iliyan Metodiev als Parpignol und Jeffrey Treganza als Benoit sowie Daniel Ohlenschläger als Alcindor. Nur Daniel Strasser als Obstverkäufer und als Tambourmajor natürlich Stefan Tanzer sowie Christoph Velisek und Hubertus Reim sind schon “Veteranen” in dieser Inszenierung.

Das Atout dieser Wiederaufnahme ist jedoch sicherlich Marc Piollet, der alles was der Komponist in diese Partitur geschrieben hat aus dem Volksopernorchester herausholt: Ein entschlackter Puccini mit harten Akzenten einerseits und allen, von falschen Süßlichkeiten befreiten Lyrismen andererseits. Ein Lob für den Chor und die Statisterie, die den zweiten Akt köstlich belebten.

 Herzlicher aber kurzer Applaus, der es nicht einmal zu Wege brachte, die Künstler auch noch vor den schon beleuchteten roten Vorhang zu bringen.

 Es lohnt sich ohne Zweifel, einen “alten” Harry Kupfer anzusehen, auch die Sänger haben einen Besuch verdient, der verlängerte Direktor nicht. Sie bekommen spielend durch Steuergeld subventionierte Karten aller Kategorien.

 

Peter Skorepa
MERKEROnline
PS.: Das Foto hat mir ein
mir unbekannter Handy-Fotograf
zur Verfügung gestellt
.

 

 

 

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