Fotos © Monika Rittershaus / Volksoper Wien
WIEN / Volksoper:
DIE CSÁRDÁSFÜRSTIN von Emmerich Kálmán
Textfassung für die Volksoper: Johannes Erath
Premiere: 8. März 2025
Operette als Trauerspiel
Was ist Operette? Herz, Schmerz, Humor, schönes Ambiente, gute Sänger, witzige Komiker, Unterhaltungstheater pur. Wer das „hinterfragen“ will, wird ehrlicherweise nicht weit kommen, denn es steckt nichts dahinter. Es würde reichen, diese enorm schwierige Kunstforum heiteren Musiktheaters optimal zu realisieren, statt den Werken Schwachsinn aufzupfropfen.
So, wie derzeit an der Volksoper, die nur angeblich auch ein Operettenhaus ist. Von allem, was man zu diesem Genre in der Ära de Beer gesehen hat, ist die „Csardasfürstin“ des armen Emmerich Kalman (hatte man nicht 2018 an der Volksoper eine ganz ordentliche Aufführung davon?) der Tiefpunkt.
Denn Regisseur Johannes Erath hat den Krieg in das Stück getragen, in die Operette hinein geholt, unter dem Vorwand, dass die „Csardasfürstin“ während des Ersten Weltkriegs uraufgeführt wurde (aber wohlweislich nicht in diesem spielt!) Und natürlich geht es darum, dass wir wieder in einer Welt des Kriegs rechts von der Haustüre leben…
Ja, und? Wir vergessen den Ukraine-Krieg und auch jenen in Gaza nicht, wenn man uns dergleichen in der Volksoper nicht aufs Brot schmierten würde Wer, wie der Regisseur, formuliert: „Warum brauchen wir das Theater noch, wenn die Welt zu versinken droht?“, der soll halt in Zeiten wie diesen keine Operette machen. Muss ja nicht sein, wenn man sich schlecht dabei fühlt. Aber wenn man es macht, soll man nicht ein Werk mutwillig zerstören, nur um sich selbst „kritisch“ und „politisch korrekt“ und „mit Interpretationsauftrag“ und was der Teufel noch zu gerieren.
So begibt sich auf der Bühne der Volksoper ein Trauerspiel, das in der „zerstörten“ düsteren Dekoration (Bühnenbild: Bernhard Hammer) keinen realen Schauplatz ergibt und in den Kostümen (Gesine Völlm) kaum Attraktives zu bieten hat, das optisch düster und dramaturgisch völlig konfus auf den Zuschauer zukommt (da hat der Regisseur wild und wüst herum gefuhrwerkt). Alles Menschliche ist in einer stilisierten Regie, die jede Albernheit bedient, ausgeklammert, die Titelheldin bewegt sich wie eine Marionette, die anderen wie Kunstfiguren, die irgendwelche nicht immer nachvollziehbare Dinge abliefern.
Spaß macht das keinen, aber es ergreift auch nicht, es macht auch nicht besinnlich („’s ist Krieg! Das ist doch das Beste!“). Nochmal ein Zitat des Regisseurs – er wollte „einen Theaterabend erfinden, an dem sich jede Seele im Publikum verzaubern lässt“. Wie bitte?
Nun hat man ja von Regisseur Johannes Erath ohnedies nur das Schlimmste erwartet, denn Opernfreunde mit Elefantengedächtnis erinnern sich schaudernd, was er der amen Spontini-Vestalin 2019 im Theater an der Wien angetan hat. Die Csardasfürstin ist ein ähnliches Willküropfer geworden, das Werk leidet, die Interpreten leiden, das Publikum leidet. Vor allem, weil es nicht einen Hauch davon gibt, was Operette bestenfalls sein kann. Man bekommt nur den schlechtesten Fall einer affektieren Regie-Spielwiese.
Auch die Besetzung rettet diesmal gar nichts. Annette Dasch ist keine große, liebende Diva, sondern eher uninteressant mit deutlich angekratzter Stimme. Der Schweizer Alexandre Beuchat ist die Schmalspurversion eines Operettenhelden. Jakob Semotan darf als Komiker alles an sich reißen, tut es aber ziemlich penetrant. Juliette Khalil ist herzig wie meist, Regula Rosin resolut wie meist, und was ein Burgschauspieler wie Roland Koch als fürstlicher Vater hier zu tun hat, weiß wohl nur er selbst.
Besonders seltsam ist die Besetzung des „Feri Bácsi“ (die Funktion der Rolle ist gänzlich unter gegangen) durch nicht weniger als fünf Sänger, obwohl deren Primus Kurt Schreibmayer das spielend allein (und besser) geschafft hätte. Wie er Operette spielt, ist Old School und in diesem Zusammenhang leider gänzlich verschwendet.
Und noch ein Verbrechen: Kalmans Musik ist wirklich ein Meisterstück, ein „Hit“ jagt den anderen – aber in dieser Welt kommen die Melodien, die Ohrwürmer, die kleinen brillanten Meisterstücke überhaupt nicht zur Geltung, da kann auch Dirigent Tobias Wögerer nichts dagegen tun.
Das Publikum war freundlich zu den Sängern, das Regie-Team erhielt den verdienten Buh-Orkan.
Renate Wagner