WIEN / Theater der Jugend im Renaissancetheater:
DIE AUTOMATISCHE PRINZESSIN von Henry Mason
Premiere: 12. Februar 2016
Eben erst hat Henry Mason an der Wiener Staatsoper das persische Märchen „Fatima“ von Johanna Doderer inszeniert. Nun begibt er sich für das Theater der Jugend – in den letzten Jahren sein „Stammhaus“ – noch viel tiefer in die Welt orientalischer Phantastik, Mystik und Komik. Er hat eine Unzahl von Motiven aus „1001 Nacht“ zu dem überbordenden Stück „Die automatische Prinzessin“ zusammen gefügt, das im Renaissancetheater mit triumphalem Erfolg herauskam.
Zu den bekannten Motiven – Aladins Wunderlampe ist ebenso dabei wie der fliegende Teppich (szenisch höchst drollig gelöst), scheußliche Fabeltiere und skurrile Verwandlungen – hat Mason eine eigene Geschichte geschaffen, die sich im Grunde vor allem um die Emanzipation dreht. Vom neuen Kalifen wird erzählt, der (im Gegensatz zu seinem weisen Vater) die Frauen aus der Öffentlichkeit vertreiben will, weshalb Shadiyyah, Mabubah und ihre Mutter aus Bagdad flüchten, und wenn sie (neben vielen, vielen anderen Abenteuer) in die Messingstadt geraten, ist da ein Zauberer, der so panische Angst vor Frauen hat, dass er sie nur als willenlose Automaten dulden will… (Wenn die zum Leben erwachen, rächen sie sich, dass die Fetzen fliegen…).
Kurz, man könnte – wenn man die Idee weit spannt – dies als Beitrag zur Flüchtlingskrise sehen, den muslimischen Männern klar zu machen, dass Frauen eigene Persönlichkeiten sind, die nicht weggesperrt gehören, sondern alles können wie die Männer auch und natürlich ihre vollen Rechte haben… Aber gehen die Leute, die es angeht, ins Kindertheater, auch wenn es wieder einmal ebenso prächtig für Erwachsene gedacht ist?
Henry Masons Inszenierungen sind bekannte Meisterwerke der Logistik, so auch hier, wenngleich ein Einwand getätigt werden muss – dieses Stück überbordet inhaltlich wie auch szenisch, zu viele Geschichten, zu viele Schwenks, zu viele Motive haben ihn interessiert, zu viel wurde hineingestopft und aufgepfropft. Zwar ist die Umsetzung wieder eine Pracht, wozu vor allem das Bühnenbild von Michaela Mandel (einfach ein kleiner Lastwagen, mit dem Komödianten herumfahren, der faktisch alles kann und auf der Drehbühne Wunder vollbringt) und die phantasievollen Kostüme (Anna Katharina Jaritz) viel beitragen, aber vielleicht wird dann irgendwann doch zu viel geschrien, gekreischt, über die Bühne gerast, so dass der Overkill dann nahezu ermüdet – weniger wäre mehr gewesen, ohne dass man das gebotene Vergnügen gering schätzen möchte.
Wie immer bei Henry Mason werden die Schauspieler bis auf äußerste gefordert: Unglaublich, dass er einen wahren Kosmos von Gestalten (Menschen plus Tiere, plus Geister) von nur fünf Darstellern verkörpern lässt! Die Blitzumzüge allein sind Meisterleistungen (und schlagen sich hoffentlich in einem Zusatzhonorar für „besondere Härte der darstellerischen Anforderungen“ nieder). Zauberhaft die beiden jungen Damen Sandra Lipp und Claudia Kainberger, wahre Temperamentsbomben. Herrlich in „allen Rollen“, ob jung, ob alt, ob gut, ob böse, ob ein Sofa, ob ein Automat, die Herren Frank Engelhardt und Stefan Rosenthal. Und dazu das Komiker-As des Abends: Christian Graf, köstlich schon als Mutter (auf dem fliegenden Teppich!), hinreißend als Dschinn, ganz in Gelb – der zeigt, was so ein Flaschengeist drauf hat!
Den Schauspielern kann man nur bestätigen: Wer in einer Henry-Mason-Inszenierung besteht, der wird auf seinem Berufsweg vermutlich auf keine unüberwindlichen Schwierigkeiten stoßen… Das Publikum empfing die Aufführung mit einem Jubelschrei.
Renate Wagner