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WIEN/ Theater an der Wien: MESSIAH von G.F.Händel

20.04.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

 WIEN/ Theater an der Wien:  MESSIAH von G.F.Händel am 19.4.2014

Passend zum diesjährigen Osterklang Festival in Wien nahm Intendant Roland Geyer Händels Oratorium in drei Teilen, Messiah, das in der szenischen Fassung von Claus Guth, dem Dramaturge, Konrad Kuhn und dem Ausstatter Christian Schmidt 2009 zum ersten Mal im Theater an der Wien gezeigt wurde, wieder in den Spielplan auf. Unvoreingenommen kann ich über diese Aufführung berichten, weil ich sie zum ersten Mal gesehen habe und daher keinen Vergleich mit der ersten serie anstellen muss.

Händel, das Festland geflohen und zum britischen Staatsbürger avanciert, begann dort auf Grund der gesteigerten Nachfrage sich vermehrt kompositorisch dem Oratorium zu widmen. Zahlreiche Regieanmerkungen zu „Belshazzar“ und „Semele“ deuten auf eine szenische Aufführung dieser Werke als „geistliche Opern“ hin. Bei „Messiah“ freilich liegt die Ausgangslage völlig anders.

Händels Librettist Charles Jennens (1701 – 1773) hatte den Text für „Messiah“ auf der Grundlage der King James-Bible sowie des „Book of Commen Prayer“ für vier Solisten, Chor und Orchester zusammengestellt. In drei Teilen rollt er die christliche Glaubenslehre, beginnend von den alttestamentarischenProphezeiungen im ersten Teil, der Passion und Auferstehung im zweiten Teil und schließlich der Hoffnung auf Wiederkehr des Heilands im dritten Teil. Neben „Israel in Egypt“ ist es das einzige Oratorium Hädels, das ausschließlich aus Versen der Heiligen Schrift zusammengetragen wurde. Jennens setzte seinen Text dabei aus Schriften des Alten Testaments (Buch der Psalmen, Haggai, Hiob, Jesaja, Klagelieder Jeremias, Malechi, Sachaja) und des Neuen Testaments (Johannes, Lukas, Matthäus, Hebräer-, 1. Korinther- und Römerbrief, Offenbarung) zusammen.

Die szenische Fassung beginnt mit einer Trauerfeier. Einer von drei Brüdern erlag seinem Suizid. Nun wird das Geschehen in einer Rückblende aufgerollt, entfesselnde Emotionen werden freigesetzt, die hilflose Frau sucht Trost in den Armen eines Anderen, dessen Bruder gerade seinen Selbstmord vorbereitet. Ein anderer Bruder, ein Priester, ist mit der Situation völlig überfordert und gönnt sich einen Schluck „eau de vis“aus seinem mitgeführten Flachmann. Essentielle Fragen nach dem Sinn von Leben ud Tod, Schuld und Trauer werden aufgeworfen. Der Leichenschmaus mutiert zur Stunde des Gerichts, das mit Hoffnung auf Erlösung endet.

Mögen einige Szenen mit dem Text nur marginal korrelieren, die einzelnen Tableaus sind stets packend, berühren in ihrer expressiven Darstellung und ziehen den Betrachter mit ein in das Bühnengeschehen. Zu Beginn liest man Vergils Aufruf „Majora canamus“ (lasst uns von Höherem singen), der sich wie ein roter Faden durch den Abend zieht und schließlich im triumphalen „Hallelujah“ am Ende des zweiten Aktes seinen dramaturgischen Höhepunkt findet. Spontan gab es Szenenapplaus, den aber auch die Solisten für ihre Leistungen durchaus manchmal verdient hätten. Dem gewohnt prächtig singenden Arnold Schoenberg Chor unter seinem versierten Leiter Erwin Ortner war dieses Mal ein komplizierter Bewegungsductus von Choreograph Ramses Sigl auferlegt. Wichtig, weil handlungstragend bzw. – erläuternd waren auch zwei „stumme“ Rollen. Zum einen der selbstmörderische Bruder, getanzt von Paul Lorenger in all seiner Verzweiflung und Einsamkeit. Zum anderen die von Geburt an gehörlose Gebärdendarstellerin Nadia Kichler, die mit ihren beredten Gesten und einer unverwechselbaren Mimik das Bühnengeschehen noch emotional unterstrich. Zu Händels Zeiten war es bereits üblich geworden, die Sopranpartie zu splitten. Dieser Tradition folgte auch diese Produktion und so waren Maria Bengtsson und Ingela Bohlin, beide bereits in älteren Produktion im Theater an der Wien zu sehen gewesen, stimmlich wie darstellerisch exzellent. Gleiches kann von Tenor Charles Workman und Altist Bejun Mehta behauptet werden. Lediglich Bassist Florian Boesch ließ sich als indisponiert entschuldigen und konnte seine Partie nur darstellen, während den Gesangspart der rasch aus Berlin herbeigeholte und aus dem Orchestergraben singende französische Bass-Bariton Edwin Crossley-Mercer, der zuletzt als Jupiter in Rameaus Platée im Theater an der Wien aufgetreten war, übernahm.   Christophe Rousset am Pult des Barockorchesters „Les Talents Lyriques“ sorgte für den erhabenen Händel-Sound, der das Publikum am Ende der Vorstellung zu von Bravo-Rufen untersetzten Applausovationen hinriss.            

Harald Lacina

 

 

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