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WIEN/ Theater an der Wien: L’OLIMPIADE von Josef Myslivecek

29.03.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Opernausgrabung im Theater an der Wien:

„L’Olimpiade“ von Josef Mysliveček (konzertante Vorstellung: 28. 3. 2014)

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 In seiner Reihe „Oper konzertant“ gelang dem Theater an der Wien am 28. 3. 2014 mit der Oper „L’Olimpiade“ von Josef Mysliveček (1737 – 1781) eine gelungene Ausgrabung. Die Uraufführung des Werks, dessen Libretto Pietro Metastasio verfasste, fand 1778 im Teatro San Carlo in Neapel statt.

 Der in Wien tätige und in der Michaelerkirche bestattete Metastasio galt als der berühmteste Librettist seiner Zeit. Er schuf die olympische Geschichte über den moralischen Wert von Sieg und Niederlage im Jahr 1733 für Antonio Caldara, sie wurde aber auch von vielen anderen Komponisten vertont. Der in Prag geborene Josef Mysliveček, der auch mit dem jungen Mozart freundschaftlich verbunden war, erzielte in Italien, wo er „Il boemo“ genannt wurde, außerordentliche Erfolge. Nach einer Syphilis-Erkrankung verstarb er verarmt und vergessen in Rom.

 Die Handlung der Oper in Kurzfassung: Licida, angeblich ein Prinz aus Kreta, bittet seinen Freund Megacle aus Athen, unter seinem Namen an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Als Megacle erfährt, dass der Sieger der Spiele die Königstochter Aristea zur Frau erhält, findet er sich in einem moralischen Dilemma wieder, da Aristea seine frühere Geliebte ist. Aus Loyalität zu seinem Freund tritt er dennoch bei den Spielen an und gewinnt. Dieser beinahe tödlich endende Gewissenskonflikt zwischen Liebe und Freundschaft kann erst nach vielen Missverständnissen glücklich beigelegt werden. In der Prager Fassung der Oper wird das Happy End einer Doppelhochzeit durch ein Solo des Licida ersetzt, das von Angst und Schrecken handelt.

 Die konzertante Aufführung im Theater an der Wien entpuppte sich als halbszenische Vorstellung, die vom Publikum begeistert aufgenommen wurde. Alle Sängerinnen verzichteten auf das Notenpult und sangen ihre Partien auswendig, wobei sie ihre Rollen auf der Bühne auch spielten – so wunderbar theatralisch, dass einmal ein Notenpult mit Karacho zu Boden ging. Man kann sagen, dass sie ihre männlichen Partner, die manchmal ihre Noten benötigten, glatt an die Wand spielten.

 Die Rolle des Licida sang die in Israel aufgewachsene Sopranistin Tehila Nini Goldstein mit stimmlich gefühlvollem Ausdruck, wobei sie die Schlussarie besonders eindrucksvoll wiedergab. Licidas Freund Megacle wurde von der italienischen Sopranistin Raffaella Milanesi mit – bei einer konzertanten Aufführung – selten gesehener Leidenschaft gesungen und gespielt. Sehenswert auch ihr ausdrucksstarkes Mienenspiel! Ihr ebenbürtig war die slowakische Sopranistin Simona Šaturová als Königstochter Aristea. Eindrucksvoll ihr Duett „Ne‘ giorni tuoi felici“ („In glücklichen Tagen“) am Ende des ersten Akts, das zu den Höhepunkten des Abends zählte!

 Mit tänzerischer Leichtigkeit schwebte die in Kanada geborene und in Kapstadt ausgebildete Mezzosopranistin Sophie Harmsen als Argene über die Bühne. Es war ein Ohrenschmaus und eine Augenweide zugleich, wie die Sängerinnen ihre Rollen nicht nur prächtig wiedergaben, sondern auch auf der schmalen Bühne darstellten. „Wozu brauch’ ich noch einen Regisseur, dessen Inszenierungen unverständlich und scheußlich sind“, sagte zu mir in der Pause ein Besucher, der sich gleichfalls über diese konzertante Aufführung begeistert zeigte.

 Mit kräftiger Tenorstimme wartete der aus der Steiermark gebürtige Johannes Chum als König Clistene auf, mit angenehm warmer Stimme der polnische Tenor Krystian Adam als Licidas Erzieher Aminta. Beide Männer agierten eher zurückhaltend und unterlegten ihre Arien bloß mit mimischem Ausdruck. Die kleinere Rolle des Königsboten Alcandro sang die slowakische Sopranistin Helena Kaupová.

 Die reizvolle Partitur von Mysliveček klingt manchmal traurig und sentimental, manchmal flott und mitreißend. Beides konnte das Orchester „Collegium 1704“ unter der einfühlsamen und oft leidenschaftlichen Leitung von Václav Luks eindrucksvoll wiedergeben. Das Prager Orchester wurde im Jahr 2005 vom Dirigenten gegründet und ist auf Barockmusik spezialisiert. Seit seiner Gründung arbeitet es eng mit dem „Internationalen Musikfestival Prager Frühling“ zusammen. Das Orchester genießt einen hervorragenden Ruf und ist oft Gast von internationalen Festivals in Frankreich und Deutschland. 

 Das von der „konzertanten“ Vorstellung begeisterte Publikum, das des Öfteren mit Szenenapplaus aufwartete, dankte am Schluss dem Sängerensemble sowie dem Orchester und seinem Dirigenten mit minutenlangem, nicht enden wollendem Beifall.

 Udo Pacolt  

 

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