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WIEN/ Theater an der Wien: LA TRAVIATA – Konwitschny demaskiert Pariser Spaßgesellschaft

07.07.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

LA TRAVIATA : Theater an der Wien 6. Juli 2014  (Premiere am 1. Juli 2014)                       
Regiealtmeister Konwitschny demaskiert Pariser Spaßgesellschaft

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Arturo Chacon-Cruz. Marlis Petersen Foto: Werner Kmetitsch/ Theater an der Wien

Bereits im Jahr 2012, damals allerdings im Rahmen der Wiener Festwochen, wurde die etwas hausbackene Inszenierung der Traviata von Deborah Warner gezeigt.

Nicht allgemein bekannt dürfte sein, dass Alexandre Dumas fils (1824-95) in seinem Roman „La Dame aux Camélias“ (1848) und später auch in einem Theaterstück, das  die Vorlage zu Verdis Oper bildete, seine tragische Liebe zu der Pariser Kurtisane Marie Duplessis (1824-47) verarbeitet hat. Die als Alphonsine Rose Plessis geborene, nannte sich in Paris Marie Duplessis und wurde bei Dumas fils schließlich zu Marguerite Gautier. Dumas fils selbst sah sein eigenes Schicksal in der Figur des Armand Duval, dem späteren Alfredo bei Verdi. Und Dank Verdis genialem Wurf blieb das Schicksal der Violetta Valéry, wie sie nun heißt, uns Opernbesessenen bis auf den heutigen Tag tief im Gedächtnis verhaftet.

Nun zeigt Intendant Roland Geyer Peter Konwitschnys für die Grazer Oper in Szene gesetzte und auf Sparflamme gehaltene Traviata-Produktion aus dem Jahre 2011. Diese Produktion würde sich hervorragend für ein Tourneetheater eignen, denn sie findet in ein paar Vorhängen und einem schäbigen Sessel ihr Auslangen.

Bis auf den letzten Vorhang, dessen schwarze Farbe wohl das letale Ende von Violetta symbolisieren soll, sind alle anderen in Abstufungen von rot bis violett (!) gehalten. Die Kostüme sind in der Gegenwart angesiedelt. Durch diese sparsame Ausstattung von Johannes Leiacker in der dezenten Ausleuchtung von Joachim Klein kann sich Regisseur Konwitschny viel stärker auf die psychologische  Personenführung konzentrieren, die vor Stereotypen, wie sie in anderen Konwitschny Produktionen vorkommen, nicht zurückscheut. Violetta ist bei ihm weniger Kurtisane als ein Spielball einer vergnügungssüchtigen Schickeria.

Knapp zwei Stunden dauerte der Abend, was durch einige Striche, durch die der Blick auf Violetta noch stärker fokussiert werden sollte, erreicht wurde. So fiel etwa das Duett zwischen Vater und Sohn Germont im zweiten Bild weg und natürlich kann man auch auf das Ballett im dritten Bild und die Szenen am Spieltisch gerne verzichten.  Problematischer wird da schon der Verzicht auf den kurzen fröhlichen Maskenchor, der nach der großen Arie von Violetta im Schlussbild, von der Straße in ihr Zimmer dringt und den Verdi als starken musikalischen Kontrast zum Sterben von Violetta gedacht hatte.   

Mit Marlis Petersen, die zuletzt als wahnsinnige Elettra in Idomeneo am Theater an der Wien für eine Sternstunde im modernen Operntheaterbetrieb gesorgt hatte, beherrscht eine besonders expressive Violetta das Bühnengeschehen bis zum Schluss. Bei Konwitschny ereignet sich ihr Tod, wenn überhaupt, dann erst im geheimnisvollen Dunkel des Bühnenhintergrundes. Konwitschny zieht sich gleichsam vor der Einsamkeit des Todes diskret zurück.

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Marlis Petersen, Arturo Chacon-Cruz. Foto: Werner Kmetitsch/ Theater an der Wien

Marlis Petersen hat die Partie der Violetta bereits in Graz erfolgreich interpretiert. Ihre Zerbrechlichkeit wird bereits am Ende des ersten Bild unter Beweis gestellt, wenn sie stehend ihre große Arie „È strano! è strano! in core Scolpiti ho quegli accenti!“ beginnt, um diese dann, nachdem sie vom Sessel zu Boder gestürzt ist, liegend beendet, womit Konwitschny gleichsam ihr zukünftiges Schicksal symbolträchtig vorweg nimmt. Im ersten Bild erscheint sie noch mit einem schwarzen Bubikopf, der dann im zweiten Bild einer braunen Hippiefrisur aus den sechziger Jahren weicht. Dazu passend dann Gummistiefel, Jeans, kariertes Holzfällerhemd und rotes Stirnband, das ihre Haare zusammenhält. In den letzten beiden Bildern trägt sie dann eine aschblonde Perücke. Dass die Sängerin kein „hohes Es“ sang, vermag an ihrer Gesamtleistung an diesem Abend keinen Abbruch zu machen

Violettas Alfredo wird von Arturo Chacón-Cruz als bebrillter Bücherwurm dargestellt, dessen Tenor leider jeglicher belcantesker Schmelz zu mangeln schien und die hohen Töne mehr brüllte als intonierte. Ob das von Regisseur Konwitschny auch so beabsichtigt war, kann nicht beurteilt werden. Immerhin ist dieser Alfredo bereits durch seine schlampige Kleidung als  Außenseiter in einer illustren Spaßgesellschaft gebrandmarkt und muss daher wohl auch nicht übermäßig „schön“ singen.

In völligem Kontrast zu diesem Schöngeist gibt sich da Roberto Frontali als sein Vater Germont. Dieser unterstreicht gleich seine väterliche Autorität damit, dass er seinem mitgebrachten kleinen Töchterchen, das unentwegt weint, eine saftige Ohrfeige versetzt, um sie so zum Schweigen anzuhalten und es Violetta gleichzeitig zu ermöglichen, das schutzsuchende Mädchen mit ihren ausgebreiteten Armen zu trösten. Gesanglich wartete Frontali mit einem kräftigen Bariton auf, der seine väterliche Autorität sehr gut unterstrich.   

Igor Bakan taumelte als Dottore Grenville, vom Sterben Violettas kaum ergriffen, völlig besoffen vom Karnevalstreiben auf den Pariser Straßen herein.  Iwona Sakowicz  gefiel optisch als kokette Flora, stimmlich war sie für meinen Geschmack zu schrill. Gaia Petrone wiederum lieferte eine innige Haushälterin Annina. Andrew Owens als Gastone und Ben Connor als Barone Douphol ergänzten rollengerecht als oberflächliche Partytiger.

In kleinen Rollen ergänzten noch Giulio Mastrototaro als Marchese d’Obigny, Dejan Toshev als Diener Giuseppe und Daniel Simandl als Commissionario.

Die englische Dirigentin Sian Edwards  gelang es dem ORF Radio-Symphonieorchester bei dem etwas spröden Regiekonzept doch einige schöne und differenzierte Klänge zu entlocken. Als musikalischer Bremsklotz erwiesen sich allerdings die zahlreichen, regiebedingten Generalpausen.  

Dem Arnold Schönberg Chor unter seinem verdienten Leiter Erwin Ortner waren in diesem Regiekonzept eine Vielzahl an differenzierten Einzelleistungen abverlangt. Bravi!

Am Ende der Vorstellung gab es verdienten Applaus für alle Mitwirkenden! Konwitschnys Grazer Traviata war damit auch in Wien ein verdienter Erfolg beschieden!                                                                      

Harald Lacina, 7.7.2014

 

 

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