Musikalischer Ohrenschmaus im Theater an der Wien: „Il trionfo del tempo e del disinganno“ von Händel (konzertant: 28. 1. 2013)
Georg Friedrich Händel verbrachte die Jahre 1707 und 1708 in Rom, wo aufgrund eines päpstlichen Erlasses Opernaufführungen verboten waren, wodurch er gezwungen war, ein Oratorium zu komponieren: „Il trionfo del tempo e del disinganno“ nach dem Libretto von Kardinal Benedetto Pamphilj, der das Werk bei ihm in Auftrag gegeben hatte. Die Uraufführung fand 1707 im Collegio Clementino in Rom statt. Fünfzig Jahre später überarbeitete Händel das Werk für das Covent Garden-Theatre in London, wo es unter dem Titel „The Triumph of Time and Truth“ zur Aufführung kam.
Der Inhalt des Oratoriums, das in italienischer Sprache gesungen wurde, in Kurzfassung: Bellezza, die allegorische Verkörperung der Schönheit, erblickt ihre Jugend bewundernd im Spiegel der Eitelkeit, fürchtet aber die Veränderungen im Alter. Piacere, die Allegorie des Vergnügens, verspricht ihr e ewige Jugend, doch ist Bellezza voller Zweifel. Tempo, die Allegorie der Zeit, und Disinganno, die Allegorie der Ernüchterung, machen der Schönheit klar, dass die bleibenden Werte des Lebens nicht in vergänglicher Äußerlichkeit zu finden sind. Bellezza will sich fortan nicht länger als eitles Wesen gebärden und schwört sinnlosem Begehren und Lockungen des Vergnügens ab und will nur noch nach der Erkenntnis Gottes streben.
Für den musikalischen Ohrenschmaus sorgte vor allem das Freiburger Barockorchester, das unter ihrem Dirigenten René Jacobs, einem Magier der zarten Töne, die Partitur Händels mit außergewöhnlicher Brillanz zum Besten gab und das Publikum immer wieder in Verzückung versetzte. Aus dem erstklassigen Sängerensemble, das nicht nur statisch vom Blatt sang, sondern mit ausdrucksstarker Mimik und hin und wieder auch szenisch agierte, ragten die Sopranistin Julia Lezhneva und der Tenor Charles Workman besonders heraus. Die russische Sängerin glänzte in der Rolle der Piacere mit ihrer prächtigen Stimme, die nicht nur in der Höhe sicher, sondern vor allem mit ausdrucksstarken Farbschattierungen aufwartete und das Publikum des Öfteren zu Szenenapplaus hinriss. Besonders eindrucksvoll ihre Arie „Lass die Dornen, pflücke die Rose“. Ebenso glänzte der amerikanische Sänger als Tempo mit kräftiger, das Haus mühelos füllender Stimme, der auch in Mimik und Spiel beeindruckte und nur selten vom Blatt sang.
Die koreanische Sopranistin Sunhae Im sang die Bellezza mit sichtlicher Freude an der Rolle und präsentierte sich vor und nach der Pause mit zwei eleganten Kleidern – eine gute Idee, ihre Eitelkeit auch über schönes Gewand zu zeigen. Die Allegorie der Ernüchterung stellte der französische Countertenor Christophe Dumaux dar, der bereits viele Rollen in Händel-Opern verkörperte. Auch er agierte schauspielerisch recht gut und klebte nicht am Sängerpult.
Diese andere Art einer konzertanten Aufführung fand beim Publikum im ausverkauften Haus Anerkennung und Begeisterung. Immer wieder gab es Szenenbeifall und am Schluss der Vorstellung nicht enden wollenden frenetischen Applaus für das Orchester und seinen Dirigenten und berechtigten Jubel für das Sängerensemble.
Udo Pacolt, Wien – München