Wiener Staatsoper
“PIQUE DAME”
27.Aufführung in der Inszenierung von Vera Nemirova
16.Jänner 2015
Vera Nemirova ist wieder da und poliert ihre Regiearbeit der Pique Dame aus dem Jahr 2007 nicht zufällig jetzt wieder auf. Am 28 Jänner wird diese durchaus sehenswerte Inszenierung per Live-Stream in die Welt geschickt. Und was sie vor rund acht Jahren eher kontrovers auf die Bühne wuchtete, ein Sittenbild sozialer Zustände im Russland aller Zeitläufe hat in der Zwischenzeit auch in unserem Alltag an Augenfälligkeit Platz gegriffen. Dass Musik eine heilige Kunst ist, das hat sie wohl begriffen. Dass Theaterkunst unheilig zu sein hat, das demonstriert die Regisseurin allerdings sehr wohl und das ganz in ihrem Sinne eines lebendigen Bühnengeschehens. Dem Grundrahmen der Handlung überstülpt sie mit der Geschichte eines Kinderheimes, die Vertreibung der Kinder aus ihrem sehr paramilitärisch geführten Paradies und Vereinnahmung der Räumlichkeiten durch eine neureiche Gesellschaft. Der Fingerzeig auf Zustände im heutigen Russland, der ist nicht zu übersehen.

Havemann, Eiche
Wenn man davon absieht, dass da tradierte oder liebgewonnene Schauplätze verschwinden, etwa die St.Petersburger Promenade oder das Ufer der Newa, dass da die verbindende Klammer zur Natur nur über die endlich geöffneten Fenster eines schon optisch bedrückenden und schlecht gelüftet wirkenden Heimes erfolgt, so vermittelt dafür die Bühne von Johannes Leiacker in Folge viel von der Atmosphäre der gesellschaftlichen Vorgänge im ehemaligen Kinderheim oder in den Salons. Besondere Blickfänge sind da etwa die skurille Modeschau, das Schäferspiel und der Auftritt der Zarin im Zuschauerraum, alles unterstützt durch die teilweise originellen Kostüme von Marie-Luise Strandt. Diese Effekte, das wissen wir seit dem Don Carlo, liegen der Regisseurin besonders, die sich ja erst mit dem Brausebad für Macbeth aus der Gunst des Wiener Publikums verabschiedet hat.
Manchmal mit dem ruhigen Fließen der Newa vergleichbar, so begleitete Marko Letonja mit unprätentiöser Schlagtechnik und mit dem ungewohnt dramatisch aufgeraut klingenden Staatsopernorchester die Sängerschar. An der Spitze Aleksandrs Antonenko, der Lette mit dem perfekt slawisch klingenden Spintotenor, er schien diesmal keine gesanglichen Grenzen zu kennen, der in seiner ganzen Robustheit weniger dem verzweifelten Liebhaber als den von der Spielsucht Getriebenen, dem “geheimnisvollen und finsteren Fremden” und den in seiner Rastlosigkeit verblendeten Profil verlieh. Barbara Havemann debütierte als Lisa, berührend in ihrer Darstellung der ge-und enttäuschten Liebenden und nach entsprechender Anlaufzeit stimmlich groß und ausdruckstark aufblühend.
Ein Rollendebüt feierten auch Marjana Lipovsek als noch sehr agile Gräfin, Elena Maximova als originelle und authentische Gesellschaftsdame Polina und als Daphnis, Thomas Ebenstein als Tschekalinski und Janus Monarcha als Namurov. Einen originellen Tomski gab Tómas Tómasson und dazu auch den Pluto im Schäferspiel, Markus Eiche sang einen eleganten und mit seinem hellen Kavaliersbariton ganz hervorragend klingenden Jeletzki und einen besseren Festordner als den umtriebigen Clemens Unterreiner wird man nicht so leicht finden können.
Sorin Coliban gab einen originellen Surin und Benedikt Kobel den verzweifelten Spieler Tschaplitzki, dem beim Verlieren zuzuschauen schon alleine ein Genuß war. Als Gouvernante war Aura Twarowska tätig, Caroline Wenborne sang die Mascha und im Schäferspiel die Chloe. Da hätte sie mehr Originalität in ihren Gesang bringen müssen.
Ausdrücklich sei diesmal auf die Mitglieder des Chores der Wiener Staatsoper für deren Leistung hingewiesen, besonders für ihre Spielbeteiligung. Auch die Kinder der Opernschule und die Balletteleven müssen da schon eigens beklatscht werden.
Wie schon erwähnt, kann man aus dieser Serie die Vorstellung vom 28.Jänner als Life-Stream aus der Staatsoper daheim empfangen.
Peter Skorepa
MERKEROnline
Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn