MATINEE ZUM 50-JÄHRIGEN STAATSOPERNJUBILÄUM VON M. FRENI – 10.11.2013
(Heinrich Schramm-Schiessl)
Domingo, Freni, Ludwig. Foto: Margit Hegenbart
Über die (kultur)politischen Ereignisse rund um die Premiere von „La Boheme“ im November 1963 hat der Online-Merker vorige Woche ausführlich berichtet. Diese Vorstellung hat aber auch aus einem anderen Grund eine wesentliche Bedeutung in der Gesschichte der Wr. Staatsoper. Es war das Debut von Mirella Freni in der Rolle der Mimi und Wien hatte mit einem Schlag einen neuen Publikumsliebling. Es dauerte nicht lange und ihr wurde der inoffizielle Wiener Adelstitel verliehen, sie war „die Freni“ bzw. „die Mirella“. Eine höhere Ehrung des Wr. Publikums gibt es nicht.
Leider lief ihre Wiener Karriere mit einer großen Unterbrechung ab. Sie gehörte zu den vielen international rennomierten Sängerinnen und Sängern die nach dem Weggang Herbert von Karajans Wien den Rücken kehrten. Mit Ausnahme von zwei „Boheme“-Vorstellungen im Novemer 1969 (wieder mit Gianni Raimondi als Rodolfo) blieb sie 13 Jahre Wien fern. Erst mit der Wiederkehr Karajans im Jahr 1977 trat auch sie wieder in Wien auf – wieder als Mimi, nunmehr mit José Carreras als Rodolfo und nach der letzten „Bohene“ im Jahr 1977 geschah dann etwas, was es vorher und nachher in Wien nie gab: Nach ca. halbstündigen Ovationen für die Sänger – Karajan war wie üblich nach einem Solo- und zwei Ensemblevorhängen längst weg – ging der Eiserne Vorhang herunter. Das Publikum dachte aber nicht daran, das Haus zu verlassen und so wurde der „Eiserne“ nocheinmal hochgezogen, was allen theaterpolzeilichen Vorschriften widersprach.
Nach ihrer Wiederkehr 1977 blieb sie jeoch ein zwar leider viel zu seltener aber doch regelmäßiger Gast in Wien, bis nach drei „Fedora“-Vorstellungen im Juni 1995 endgültig Schluß war. Insgesamt trat sie an 95 Abenden in 11 Partien auf. An 33 dieser Abende war sie die Mimi, eine Rolle mit der man sie bis heute weltweit identifziert. Wenn ich mich nicht verrechnet habe, so hatte sie drei Generationen von Rodolfos an ihrer Seite.
Die Staatsoperndirektion nahm dieses Jubiläum nun zum Anlaß, ihr eine Matinee zu widmen. Sie wurde mit Standing Ovations empfangen und das Wiener Publikum bewies einmal mehr, daß, wenn es einen Künstler einmal in sein Herz geschlossen hat, ihn nie mehr herauslässt. ORF-Moderatorin Barabara Rett führte in der ihr eigenen Art durch den Vormittag, wobei sie gegenüber anderen Sängerinterviews diesmal wohltuend schaumgebremst wirkte. Am Beginn kam man kurz auf die Ereignisse rund um die Boheme-Premiere zu sprechen, wobei es einige historische Ungenauigkeiten gab. In weiterer Folge versuchte Frau Fereni zu erklären, wie es ihr gelang, eine so lange Karriere bei gleichbleibender Qualität durchzuhalten, wobei sie betonte, daß es manchmal wichtig war, auch „nein“ zu sagen. Dies tat sie auch gegenüber Herbert von Karajan, der ein ganz wichtiger Mensch im Laufe ihrer Karriere war, der, wie sie erzählte, mit ihr unbedingt „Madama Butterfly“ auf der Bühne machen wollte. Nach zwei Jahren des vergeblichen Bittens hatte man sich dann auf einen Film geeinigt. Im Zusammemhang mit diesem Film waren dann auch die beiden Überraschungsgäste Christa Ludwig und Placido Domingo, der auch ihr häufigster Tenorpartner war. Der wirklich emotionale Höhepunkt war allerdings einer Videoeinspielung von Nikolai Ghiaurov – ihr Ehemann von 1978 bis zu seinem Tod 2004 – als Philipp. Da ich davon ausgehe, daß der Ablauf mit ihr abgesprochen war, dürfte sie hier ihre Selbstbeherschung etwas überschätzt haben.
Nicht zur Sprache kam leider das aprupte Ende ihrer Wien-Tätigkeit nach der letzten Fedora, obwohl ihre Karriere dann noch fast 10 Jahre dauern sollte. Aber wahrscheinlich hat sie irgendwas gesagt oder getan, was Herrn Holender nicht gepasst hatte, denn der eitle Herr konnte in solchen Dingen bekanntlich sehr nachtragend sein.
Umrahmt wurde die Matinee neben Videoausschnitten von La Boheme, Otello, Madama Butterfly und Carmen von zwei Darbietungen einer ihrer Schülerinnen, der heute schon einigermaßen bekannten Maja Kowalewska (Szene Mimi-Marcel mit Alessio Arduini und dem Tod der Liu – beides begleitet vom Parsifal-Retter der Vorsaison James Pearson).
Am Ende stellte sich noch der Direktor des Hauses mit einem Blumenstrauß und als Überraschungsgeschenk dem Originalmuff der Boheme-Premiere ein.
Ein sehr berührender Vormittag ging damit mit viel Jubel für die Jubilarin zu Ende.