WIENER STAATSOPER: 20. 9. 2014: „MANON“
Jean Francois Borras. Foto: Wiener Staatsoper/ Pöhn
In der Titelrolle erfreute Patricia Petibon darstellerisch zu hundert Prozent, stimmlich sind kleinste Abstriche zu vermerken. Die Stimme ist nun die eines Koloratursoprans. Die Manon liegt zum Glück sehr hoch, und so war eigentlich alles bestens. Sehr gefühlvoll klang der Abschied vom Tischchen, und auch die Gavotte, natürlich eine Paradestück für diese Stimmen, das war vom Feinsten.
Eine echte Entdeckung ist der eingesprungene Tenor Jean-Francois Borras als Des Grieux. Eine wunderbare lyrische Stimme mit doch genug Metall für die dramatischeren Stellen. Die französische Stilistik beherrscht er perfekt, großartig der Wandel vom Mezzavoce zur Voix mixte. Dazu kommen noch wunderbar gehauchte Piani. Die Arie und besonders die Szene in Sulpice war allererste Klasse. Man kann sich nur wünschen, dass der Künstler bald wiederkommt und sich in weiteren Partien so positiv bewährt wie in dieser Serie.
Sein besorgter und nicht allzu strenger Vater wurde von Dan Paul Dumitrescu mit samtweicher Stimme gesungen. Es wäre doch Zeit, dem Künstler größere Aufgaben zu übergeben. Marcus Eiche sang mit guter Stimme wie immer zu derb. Der Vetter Lescaut ist zwar ein fieser Typ, aber muss man sich gleich stimmlich so anpassen. Clemens Unterreiner, längst überfällig für den Lescaut, war wieder ein stimmlich schöner und widerlicher Zeitgenosse Bretigny. Thomas Ebenstein fiel als Guillet de Morfontaine sehr positiv auf. Mit dieser hellen Stimme ist er für dieses Fach bestens eingesetzt.
Die drei leichten Damen Poussette, Javotte und Rosette waren mit Hila Fahima, Stephanie Houtzeel und Juliette Mars stimmlich und darstellerisch richtig besetzt. Diese drei Stimmen passen gut zueinander und im Spiel sind sie alle drei einfach „Spitze“.
Der Chor, der in dieser Inszenierung ja so richtig am Abstellgleis postiert ist, sang gut, aber wenig animiert, was verständlich ist. Das liegt nicht am Leiter, sondern an der Regie. Man stellt die Menschen ab und Pappkameraden auf.
Frederic Chaslin dirigierte meist sehr einfühlsam und doch gingen manchmal leicht die Gäule durch, aber so richtig zugedeckt wurde niemand.
Der Applaus war kurz aber heftig. Für mein Gefühl schoss Borras den Vogel ab.
Dieser Saisonbeginn lässt sich wirklich sehr gediegen an. Auch diese Aufführung war wieder sehr homogen und von hoher Qualität.
Das auch ins Parkett die mitgenommenen „Wasserflaschen Einzug-halten“ ist unschön, aber bei „der“ Taschenmode (man trägt „Zeger“ zum Abendkleid) oder den immer wieder mitgenommenen Rucksäcken (!) ist die Kontrolle nicht mehr möglich.
Elena Habermann