Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

Wien / Staatsoper LE NOZZE DI FIGARO von Wolfgang Amadeus Mozart

Tutti contenti? Diesmal leider nicht!

05.03.2019 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Susanna Valentina NAFORNITA und Figaro Jongmin PARK Foto: M.Pöhn

Tutti contenti? – Diesmal leider nicht!
Le Nozze di Figaro in der Wiener Staatsoper : Die 50. Aufführung in dieser
gescheiterten Inszenierung in einem DaPonte Zyklus als regielichem Torso.

Montag, 4. März 2019    Von Manfred A. Schmid

 

Das Scheitern eines der großen Projekte der Ära Dominique Meyer, die Neuinszenierung von Mozarts Lorenzo-Da-Ponte-Opern, war, nach der einhelligen Ablehnung durch Publikum und Kritik – vorhersehbar. Die Le nozze di figaro und Don Giovanni komplettierende Oper Cosi fan tutte wurde gar nicht mehr realisiert. Der Operndirektor aber straft das Wiener Publikum in einer Art Trotzreaktion damit, dass er die bestehende, aus dem Jahr 2002 stammende Inszenierung aus dem Repertoire verbannt hat. Nur einmal – 2014 – wurde sie seither angesetzt. Wohl nach der Devise: Wenn ihr meine neue Cosi nicht wollt, dann gibt es eben gar keine. Ätsch.

Dafür wird die inszenatorisch verunglückte Nozze von Regisseur Jean-Louis Martinoty, in der aus unerfindlichen Gründen der Palast der Almavivas wie das Bilderdepot des Kunsthistorischen Museums anmutet (Bühnenbild Hans Schavernoch) nun bereits zum 50 Mal dargeboten. Aber man will sich nicht daran gewöhnen. Sie ist und bleibt ein optisches Ärgernis. Leider gibt auch die musikalische Seite der Jubiläumsvorstellung keinen wirklichen Anlass zum Jubeln. Da mangelt es vor allem an der gesanglichen Abstimmung.  Alle Rollen sind zwar mit Kräften aus dem Hausesemble oder solchen, die dem Haus zugerechnet werden können, besetzt, aber von einem Mozart-Ensemble kann nicht die Rede sein.

Im Vorjahr war Alessio Arduini noch als Figaro im Einsatz, nun debütiert er als Conte d´Almaviva. Mit einem anderen Gegenspieler als Jongmin Park hätte das vielleicht funktioniert, aber Parks Figaro stellt mit seiner mächtigen Baritonstimme seinen Chef von Anfang an in den Schatten. Seine Cavatine „Se vuol ballare Signor Contino“  klingt denn auch eher wie die Androhung physischer Gewalt und nicht nach der feinen Trickkiste, aus er sich der wendige Figaro üblicherweise bedient. Zwei Baritone in den Hauptpartien, das verlangt besetzungsmäßig eine sorgfältige Ausbalancierung, von solch einer kann im vorliegenden Fall also nicht die Rede sein. Jongmin Park gelingt es erst im 3. Akt, sich einigermaßen zurückzunehmen und stimmlich nicht vorzudrängen, so ist daher Arduini erst ab dann als der Herr des Hauses wahrzunehmen: Mit „Hai già vinta la causa!“ hat er einigermaßen Tritt gefasst, richtig begeistern kann er mit seiner eher schmalen, in tieferen Lagen nicht immer sicheren Stimme nicht.

Merkwürdigerweise braucht diesmal auch Olga Beszmertna einen längeren Anlauf, um sich als Contessa d´Almaviva zu bewähren. „Porgi, amor, qualche ristoro“ vermag noch nicht zu überzeugen, in der Arie „Dove sono i bei momenti“ aber, innig und von Wehmut überschattet vorgetragen, weiß sie zu berühren und erhält den wohlverdienten Szenenapplaus. Von Anfang an darstellerisch und stimmlich präsent ist Valentina Nafornita als Susanna. Geschickt weiß sie sich gegenüber den Nachstellungen des Grafen zu erwehren, das Duett mit ihrer Herrin – „Che soave zeffiretto“ – wird zum gesanglichen Höhepunkt der Vorstellung.

Das Rollendebüt von Virginie Verrez wirft einige Fragen auf. Für die Hosenrolle des quirligen, ständig für erotische Verwirrung sorgenden Cherubino wirkt ihr Mezzo zu erdenschwer und wird so der luftigen, androgynen Gestalt dieser Figur nur bedingt gerecht, was vor allem auch am ziemlich kräftigen Vibrato ihrer Stimme liegen mag. Ob ihr die Partie des Cherubino wirklich entspricht, bleibt abzuwarten. Als Marcellina tritt die Rollendebütantin Stephanie Houtzeel in Erscheinung und enttäuscht nicht. Mit Ihrem anmutigen, nie forcierten Sopran ist sie eine Luxusbesetzung für diese Besetzung und auch darstellerisch eine Freude. Maria Nazarova absolviert ihre Arie „L’ho perduta… me meschina“ mit Anstand und in gebotener Sorgfalt.

Sorin Coliban als Don Bartolo führt eine schon recht scheppernd klingende Bassstimme vor, Leonardo Navarro stottert routiniert als Don Curzio, der Antonio von Igor Onishenko ist ein erfrischend wirkender Gärtner Antonio.

Mit kurzfristigen Einspringern sollte man eigentlich nachsichtig umgehen. Herwig Pecoraro, der statt des erkrankten Pavel Kolgatin den Don Basilio gibt und in dieser Rolle einen veritablen stimmlichen Bauchfleck hinlegt, ist aber eine Zumutung. Da er – im Gegensatz zu Don Curzio – nicht nur eine komische Figur ist, sondern tatsächlich zu singen hat, und noch dazu auch in Gesangsensembles, wirkt seine nunmehr zur Karikatur gewordene Tenorstimme als ärgerlicher Fremdkörper, und das in einem ohnehin nicht so ausgewogenen Ensemble.

Sascha Göetzel  am Dirigentenpult hat es – trotz des merklichen Fehlens von in Japan auf Tournee aufspielenden Philharmonikern – mit einem mozarterfahrenen Staatsopernorchester zu tun. Mehr als routiniert geht es aber nicht zu. Besonders in den ersten beiden Akten werden einige der noch nach ihrer Form suchenden und daher nicht so durchschlagskräftigen Sänger von den Klängen aus dem Orchestergraben zugedeckt. Da wäre mehr Einfühlsamkeit von Nutzen gewesen. Alles in allem also eine musikalisch durchwachsene Aufführung. In den frohgemuten Schlussgesang des Ensembles – „Ah! Tutti contenti“ – konnte man diesmal leider nicht einstimmen.

Manfred A. Schmid

 

Diese Seite drucken