Wiener Staatsoper
LA JUIVE von Jaques Fromental Halévy
7.März 2015
36. Aufführung in dieser Inszenierung

Neill Shicoff und Olga Bezsmertna
Keine Frage, NEILL SHICOFF hat mit seiner ganz persönlichen und unter die Haut gehenden Rollengestaltung des Eleazar Operngeschichte an diesem Haus geschrieben und konnte sich gestern Abend nach Absagen und Indispositionen einen würdigen Rollenabschied bei uns ersingen, es gelang ihm wieder, wie schon so oft, das Publikum in seinen Bann zu ziehen und sich des Auftrittsapplauses (!) und des mehr als viertelstündigen Schlußapplauses, den er und seine Sangeskolleginnen- und Kollegen bekamen als würdig zu erweisen.
Der immerhin hoch in seinem siebenten Lebensjahrzehnt stehende amerikanische Tenor versammelte noch einmal seine Kräfte und Erfahrungen und zog das Publikum mit äußerster Konzentration spürbar in seinen Bann. Als wäre es sein spezielles Gestaltungselement, so gewann der durch die lange Karriere hörbar angestrengt eingesetzte Tenor und den schon merklich vorsichtig angesetzten Phrasen einen Leidenscharakter, der für das Erleben des Schicksal dieser Figur erst so richtig beitragen konnte. Nicht zu überhören waren hingegen schon erhebliche Intonationsschwierigkeiten in der Gebetsszene. Dass Neill Shicoff auch an diesem Abend in seiner Rolle gänzlich aufging, muß nicht eigens erwähnt werden. Ist es schon schwer, angesichts des persönlich Schicksals so hart und mitleidlos gewordenen jüdischen Juwelier Mitleid zu empfinden, Shicoff gelingt es den Zwiespalt in dessen Seele aufzudecken, darzustellen und ein Mitleiden zu ermöglichen. Nachfolger in dieser Rolle werden es schwer haben, ähnliche Gefühle nachvollziehbar zu machen.
Ihm zur Seite standen zwei Rollendebüts, wie sie nicht besser ausfallen hätten können. Das Bemerkenswerte daran ist, dass diese beiden Hauptrollen aus dem Ensemble besetzt wurden und das zu einem Zeitpunkt, welcher die Vorführung von Sparsamkeit gepaart mit künstlerischem Erfolg an einem Opernhaus notwendiger denn je erscheinen läßt. Als Rachel war Olga Bezsmertna mit dramatisch grundiertem, virilem Sopran als opferbereite Tochter des hasserfüllten Eleazar mit leiderfültem Spiel zu sehen. Die wohl größte Überraschung allerdings bot der bisher nur auf Nebenrollen spezialisierte und darinnen nur dank einer gewissen Phlegmatik wenig auffallende Dan Paul Dumitrescu, der mit einem teilweise schon als balsamisch zu bezeichnenden Timbre den Kardinal Brogni auch mit genügendem Tiefenregister sang und damit keinen geringen Applaus erntete.
Die zwei anderen Debütanten der Serie gingen dagegen eher unter: Hila Fahima, Einspringerin für Aida Galifulina ist erst auf dem halben Weg zum großen Erfolg. Sicherlich gab es nicht gerade wenig an Applaus als Vertrauensvorschuß für die sympathische, junge Sängerin, die sogenannte “Luft nach oben” wird für sie noch hart zu überwinden sein. Und die nahezu unsingbare Partie des Léopold, die einst in der Premiere Zoran Todorovic so sensationell sang, für die stand offenbar nur Jason Bridges zur Verfügung. Das ist auch schon die einzige Entschuldigung, ihn in dieser Partie auf die Bühne zu lassen. Seinem Mut immerhin sei Achtung gezollt.
Gabriel Bermúdez und Markus Pelz sangen Ruggiero und Albert. Und die beiden Bürger klangen wirklich mit ihren kurzen Einschüben wie solche.
Frédéric Chaslin holte aus dem Staatsopernorchester wohl einiges vom Klang der Grand Operá an unser Haus, allerdings ging es als Einstieg diesmal sofort ohne die Ouvertüre in den Eingangschor hinein, den der von Thomas Lang geleitete Staatsopernchor fähnchenschwingend exekutierte.
Großer Jubel am Ende für das Ensemble, besonders für Neill Shikoff.
Peter Skorepa
Foto WSO/Michael Pöhn
P.S. von PS: Die Sichtverhältnisse für alle Plätze Ganz-Seite von Balkon und Galerie auf die obere Spielebene ist zum größten Teil störend schlecht. Von den Solisten sind oft nur die Füße sichtbar. Die Höhe der Vorhangunterkante wäre bei weiteren Vorstellungen entsprechend nachzubessern! Das kommt, weil sich vom einstigen gestalterischen Team keiner in diese Höhen bewegt hat!
P.S.2 von PS: Wer Neill Shicoff noch einmal, wenn auch nur ausschnittsweise, in dieser Rolle erleben will, kann das am 3. Mai an der Wiener Staastoper bei einem Solokonzert nachholen.