
„Lassu in cielo“ Christopher MALMANN mit Andrea CAROLL Foto: Copyright M.PÖHN
Maltmann: Der Rigoletto aus dem Globe Theatre
Hässlich lastet diese Inszenierung des RIGOLETTO auf der Wiener Staatsoper,
und schäbig ist sie auch noch dazu. Eines der Erbstücke für die neue Direktion.
Mittwoch, 1. Mai 2019 26. Aufführung in der Inszenierung von Pierre Audi
„AUSVERKAUFT“ prangt es über der Kassa, das heißt die Touristensaison hat voll eingesetzt und auf den seitlichen Stehplätzen biegt sich das Geländer. Jetzt soll der Bezug der Stehplatzkarten zum alten Preis nur mehr im Vorverkauf möglich sein, während die Gelegenheitsbesucher und Touristen aus den Autobussen mit Sack und Pack und Kindern ihren Sightseeing-Trip im Haus am Ring nur mehr mit teureren Karten durchführen können. Das ist gut so, auch wenn man an Details in der Abwicklung noch feilen wird müssen.
Es war auch gestern wieder ein trostloser Anblick, als Massen von den Galerieplätzlern schon in der ersten Pause die Garderoben stürmten, vorbei an der Warteschlange für das Damen-WC. Letzterer Umstand ist tatsächlich auch ein ernsthaftes Anliegen an die Verwaltung der Bundestheater, die Kapazität dieser genannten Einrichtungen bei den oberen Stockwerken zu erweitern. Auch das zählt zu den Errungenschaften eines modernen Opernhauses 4.0.
Als Grund für den allabendlichen Publikumsschwund nach der ersten Pause sei aber auch auf die illusionslosen Sichtverhältnisse in einem Logentheater höfischer Prägung hingewiesen. Die Wiener Staatsoper ist so ein Haus. Es scheint sich die Mehrheit der Regisseure einig zu sein, erst dann genial zu wirken, wenn sie die volle Bühnenbreite ausnützen und gerade dort in diesen seitlichen Winkeln wesentliche Handlungselemente situieren. Hat schon einer dieser Leute die Bretter, die die Welt bedeuten, von so weit oben und von so seitlich besehen? Auch hat sich kein direktorialer Mitarbeiter je noch aus seiner Loge heraus bequemt, um ein Bühnenbild oder eine Regie auf passable Sichtverhältnisse von den seitlichen Galerien und Balkonen aus zu kontrollieren.
Mit den Tücken des ersten Bildes kam Giampaolo Bisanti, der Dirigent des Abends und europaweit gefragter Maestro im italienischen Fach vorerst nur mit dem ganzen Einsatz seiner Routine zurecht. Und für das Bühnenorchester sollte man einen besseren Standort wählen, die klang mickrig leise hinauf in den Zuschauerraum und drückte die Stimmung dieser turbulenten Szene, wie sie von Verdi musikalisch wohl gedacht war. Ab dem zweiten Bild nahm aber das Dirigat Fahrt auf – wenn auch manchmal mit unruhig wechselnder Agogik, so dass der musikalischen Wiedergabe insgesamt der „Guss“ mangelte.
Er ist zwar eine Figur von Viktor Hugo hatte aber in der Darstellung schon die Züge eines großartig scheiternden, shakespearhaften Helden. Denn Briten – und der Hausdebütant als Rigoletto, Christopher Maltmann ist ja einer, genauso wie der, seiner Rollenauffassung ähnliche Keenlyside – die müssen offenbar so spielen, mit dem großen Dramatiker auf den Schultern oder im Nacken, wie aus dem Globe Theatre direkt nach Mantua geschickt und mit einem Schuss Verdi versehen. Er geizt nicht mit großen Ausbrüchen und Anklagen gegen die Höflinge und gegen sein Schicksal, mit ganzer Ausdruckswucht und nicht mit Schögesang. Aber er geizt nicht mit manchmal auch zarten Tönen für seine Bühnentochter Andrea Caroll, die diesmal statt der vorgesehenen Aida Garifullina sang. Beide jungen Damen aus dem „Opernstall“ Meyer aus der Staatsoper machten Wien diesmal Ehre: Die eine hier in Mantua als Rollendebütantin für die Gilda mit bereits erstaunlich dramatischem Aplomb. Die andere stand diesmal statt der erkrankten Netrebko auf einer Konzertbühne in Berlin. Der Rollentausch war durchaus gelungen.

Christopher MALTMANN und Joseph CALLEJA Foto: Copyright M.PÖHN
Ein etwas ungeschlachter Bursche , dieser Herzog des Joseph Calleja, gut passend zu dem Milieu der Inszenierung. Sein aufdringlich viriles, weil vibratogeschärftes Tenormaterial wäre ja bezüglich Lautstärke einigermaßen raumfüllend, die Behandlung der Gesangslinie aber ist eher befremdlich brutal, zu wenig belkantesk eingesetzt, am wenigsten jedoch bei den von der Gesangslinie abgesetzten Piani.
Da waren noch der schönstimmige aber etwas statuarisch singende Jongmin Park als Sparafucile, fernöstliche Ruhe eher ausstrahlend und die quirlige Maddalena, die ein erfreuliches Wiedersehen und -hören mit Nadia Krasteva brachte.
Margaret Plummer als Giovanna und Alexandru Moisiuc als Monterone ergänzten verläßlich, Igor Onishchenko als Marullo und Leonardo Navarro als Borsa hatten in der Schar der kleineren Partien ihr Rollendebüt.
Sparsam war das Publikum während der Vorstellung mit dem Applaus, erst nach dem, vom Maestro dramatisch zugespitzten Finale kam es zu ganzen sechs Minuten Jubel.
Peter SKOREPA