
Die angebetete Isabella und der lüsterne Mustafà : Anna Bonibatibus und Ildas Abdrazakov
Wiener Staatsoper
Gioachino Rossini “L´ITALIANA IN ALGERI”
30.April 2015 89. Aufführung in dieser Inszenierung
Keine Frage, diese Inszenierung, obwohl nicht die jüngste, ist doch die stimmigste und handwerklich beste, über die das Haus am Ring bei einem Stück in der “Italienischen Buffo-Manier” derzeit verfügt.
Die anderen Buffos von Rossini und Donizetti sind entweder altbacken (Rennerts Barbier), zu unterkühlt (Bechtolfs Cenerentola) oder – der neueste Streich – ein in Gag-Überladung fast ertrinkender Don Pasquale, bei dem zu lachen man sich hüten sollte, hält doch dafür ein Kritiker gleich sein Verdikt vom “schlichten Gemüt” parat.
Aber in der gestrigen Derniere wurde klar, dass hier einst ein Regisseur – Jean Pierre Ponelle – mit liebe zur Musik und mit Phantasie für ein derart gelungenes Bühnenbild am Werk war, welches die Bühnenöffnung in seiner vollen Breite und Höhe wirken ließ und damit allein schon beim Öffnen des Vorhangs Verblüffung erzeugte.

Ildar Abdrazakov
Tempi passati! Der jetzigen Mode und noch mehr den Sparsamkeitsregeln geschuldet, verbieten sich heute solche “Verschwendungen” auf der Bühne, wobei der Mangel an Phantasie für das Genre Oper durch regieliche Quereinsteiger sich noch erschwerend auswirkt. Aber auch der Umgang mit modernen Medien für eine visuelle Umsetzung eines Stoffes muß beherrscht sein, ganz besonders in Begleitung zur Musik!
War mit Juan Diego Flòrez zu Beginn der Serie dieser Italienerin ein höchst prominenter Einspringer am Werk (MERKER-Online berichtete), so hatte die Staatsoper mit Edgardo Rocha für die restlichen Vorstellungen mit dem zweiten Einspringer das große Los gezogen. Der aus Rivera – dem Grenzgebiet Uruguays zu Brasilien – stammende lyrische Tenor debütierte schon 2012 in Wien als Almaviva und konnte diesmal die Partie des Lindoro mit feinen Koloraturen und Trillern und der kantablen Formung bis in höchste Höhen, auch mit feinsten Pianissimi, zur Begeisterung des Publikums zum musikalischen Leben erwecken. Auch spielerisch, samt den Tanzeinlagen in den Ensembles, fehlt nicht mehr viel in der Aufholjagd zu seinem Rollenvorgänger. In der Vorschau für die nächste Saison fehlt der sympathische Sänger leider, es wäre zu wünschen, dass sich in Zukunft nicht nur durch ein Einspringen die Möglichkeit eines Wiederhörens ergäbe.
Das restliche Ensemble agierte bis auf den Haly wie geplant in der gesamten Serie. Mit quirliger Spielfreude und herrlich buffoneskem Bassbariton zeigte der Russe Ildar Abdrazakov in der Rolle des Mustafà, wie man Rossini spielt und singt. Dass er seine Elvira, die ungemein schlanke und attraktive Aida Garifullina, die stimmlich die gesamten Ensemblenummern überstrahlte, verjagen will, ist ja schon nicht zu verstehen. Andererseits der zierlichen und adretten Isabella der Anna Bonitatibus den Vorzug zu geben, ist ja ebenfalls nachzuvollziehen. Stimmlich ist diese Isabella eher nur mit einem kleinen aber aparten Mezzo ausgestattet, koloraturenfreudig aber ohne Spitzentöne. Und Rachel Frenkel entledigte sich der Aufgabe der wenig ergiebigen Partie der Zulma unauffällig.
Der schon am Vorabend umtriebige Dr.Malatesta sprang als Haly ein und war wohl ein großer Gewinn für den Stream, der an diesem Abend gesendet wurde. Alessio Arduini ließ seinen markanten Bariton hören und wetteiferte zusammen mit dem bärbeißigen Taddeo des spielfreudigen Paolo Rumetz um die Gunst des Mustafà.
Ob es für die Mitglieder des Staatsopernchores angenehm war, in den vermummenden Kostümen so lebendig zu spielen und zu singen, das sei dahingestellt, denn sie ließen es sich nicht anmerken und taten ganze Arbeit. Bravi!
Und dem Dirigenten schien dieser Rossini sehr am Herzen zu liegen. So fein und zart aber auch spritzig in den Ensembles mit den langsamen Steigerungen bis zum rasenden Finale so einer Nummer, besonders jenem des Septetts vor der Pause, Jesús López Cobos hatte wieder ein gutes Händchen an diesem Abend.
Gute Stimmung im Haus, viel Applaus für alle und besonders viel Bravogeschrei seiner Fans für den Mustafá.

Haremsarbeit für Rachel Frenkel und Aida Garifulina
Peter Skorepa
MERKEROnline
Fotos: Michael Pöhn / WSO