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WIEN/Staatsoper Gaetano Donizetti LUCIA DI LAMMERMOOR (Derniere)

Die guten Nerven der Olga Peretyatko

22.02.2019 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Von links: Park,Verrez,Pidó,Peretyatko,Flórez,Meyer,Petean,Navarro. Hinten rechts: Moyake. Foto: M.Pöhn

 

Die guten Nerven der Olga Peretyatko
Gedanken zur Derniere der Premierenserie von LUCIA DI LAMMERMOOR an der Wiener
Staatsoper am Donnerstag, den 21.Februar 2019         Von Peter Skorepa

 

Keine Frage, sie bewies tatsächlich gute Nerven, diese Olga Peretyatko – die ganze Premierenserie hindurch – trotz aller Einwände und Vorbehalte, die ihr in ihrer Begegnung mit dem Publikum und der Kritik entgegenschlugen. Nein, nicht dass gestern Abend in der Staatsoper eine neue Lucia auferstanden wäre, nein, im Gegenteil. Für dieses Haus war der Einsatz einer Sängerin, die nur bedingt der klassischen musikalischen Vorlage einschließlich auch deren gesanglichen Traditionen nachkommen konnte, wohl ein Wagnis und der Bruch mit der Qualität ein schmerzlicher, misst man diese an der Rezeptionsgeschichte dieser Oper seit der letzten Premiere,.

Aber man hatte ohne Bedenken an die, seitens des Publikums zu erwartenden Anforderungen hinsichtlich eines musikalisch historischen Aufführungsstils negiert und gemeinsam mit dem Maestro eine „Fassung Light“ der Wahnsinnszene zugelassen. Das hat übliche harsche Reaktionen wie etwa Buh-Geschrei ausgelöst, welches nicht nur bei der Premiere zu hören war, sondern auch in der Übertragung im Radio, aber auch ganz vehement im Fernsehen die Aufzeichnung einer Folgeaufführung störte. Erst gestern Abend also schien Frau Peretyatko ihre Unsicherheit abgelegt zu haben und setzte nach dem ersten Duett und nach dem Sextett mit einiger Courage und forcierten Nachdruck zwei Spitzentöne (um den Bereich hohes C etwa)  und hatte damit einen vom Publikum dankbar umjubelten Abschied aus der Premierenserie gewonnen.

Nein, Glanz und Glitzer hat diese Lucia aber trotzdem nicht verbreitet – womit wir von einer ihrer Rollenvorgängerin lange Jahrzehnte verwöhnt wurden. Aber Frau Peretyatko, sympathisch, attraktiv und bühnenwirksam, ist mit ihrer Art der Einverleibung der etwas cruden Regievorlage des Laurent Pelly gut zurechtgekommen und hat sich von den genannten Störungen nicht beirren lassen. Auch das muss auf der Musiktheaterbühne, die ja einer Gladiatorenarena ähnelt, positiv anerkannt werden.

Offen aber bleibt die Frage, warum man nicht auf die Tatsache reagiert hat, die ja Insidern längst bekannt war, nämlich jener, dass die Hauptrollenträgerin derzeit weit entfernt von der Form ist, wie sie für diese Partie notwendig wäre. So aber hat man sorglos den Ruf der Sängerin, aber damit auch der Institution am Ring durch beschwichtigende Vorauspropaganda in den Medien gefährdet, die ja auch im TV besonders um die Übertragung herum penetrant und scheinheilig betrieben wurde.

Auch in der Derniere bot mit der Schneewüste das restliche Ensemble gute Leistungen: Juan Diego Flórez als Edgardo fügte zur grimmigen Haltung, die ihm die Regie auferlegte eine artifiziell trockene, messerscharfe Stimme diesmal aus seiner Kehle, dazu aber auch Spitzengesang der Belkantoepoche vom feinsten. Der Enrico des George Petean benötigte eine Weile, das manchmal zu guttural Klingende seiner Stimme abzulegen, war aber in der Turmszene schon überragender Rächer mit großartigen Höhen. Und mit Jongmin Park hat die Staatsoper eines seiner wohl besten Nachwuchskräfte im Ensemble. Das gilt auch für Virginie Verrez, der Alisa. Für den Arturo sollte es wohl feinere Sänger als Lukhanyo Moyake geben, der Normanno wurde von Leonardo Navarro verkörpert.

Der Staatsopernchor war mit den von der Regie verordneten Bewegungen gestraft und lächerlich gemacht. Er sang trotzdem gut wie immer.

Evelino Pidó grundsolides Dirigat wirkt nur für die Musiker, nicht für den Zuschauer. So soll es auch sein.

Das Publikum spendete acht Minuten durchaus begeisterten Schlussapplaus.

Fazit dieser Neuinszenierung:

Ein Opernhaus, dass sich zu den bedeutendsten in Europa zählt, sicherlich aber zum führenden halben Dutzend gehören will, sollte es sich um der Reputation willen leisten können, die Inszenierung eines solchen Standardwerkes der italienischen Romantik in Eigenregie und nicht in eingekaufter Coproduktion herauszubringen.

Die Grundidee verstellt die Bühne und bietet trostloses Einheitsbild: Schneefall als Einheitsfadesse und dazu der riesige Schneehaufen, der dem Chor und den Solisten die Bewegungsfreiheit nimmt. Und wieder ein Regisseur, der allen seitlich Sitzenden auf den Galerien und den Logen die Sicht einschränkt durch Verlegung von Handlungselementen auf die Seitenteile. Hier wäre das Haus gefragt zur Kontrolle. In einem Logentheater höfischer Tradition ist nun einmal die Mitte der Bühne die einzig einsichtbare Spielfläche und sind es nicht die Seiten! Man bekommt oft minutenlang niemanden zu sehen auf der Bühne. Sind seitlich Sitzende nichts wert in der Staatsoper?

Und die musikalische Wiedergabe ist erst recht unvollkommen: Die zentrale Position, in unserem Fall die weibliche Hauptrolle dieser Spitzenoper der italienischen Romantik muss gesanglich auf voller Höhe sein. Aber das ist behebbar!

 

Peter Skorepa
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