
Adam Plachetka (Malatesta), Nicola Alaimo (Don Pasquale), Slavka Zamecnikova (Norina). Alle Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn
WIEN / Staatsoper: Donizettis DON PASQUALE
35. Aufführung in dieser Inszenierung
24. Oktober 2020
Von Manfred A. Schmid
Regisseurin Irina Brook hat für ihre Aufbereitung der Geschichte vom alten Mann, der ein junges Mädchen heiraten will und dem dabei übel mitgespielt wird, eine heruntergekommene Nachtbar als Schauplatz gewählt. Das bietet der Bühnenbildnerin Noelle Ginefri und ihrer für die Kostüme zuständigen Kollegin Sylvie Martin-Hyszka die Gelegenheit, im zweiten Akt eine groteske Verwandlung des Interieurs vorzunehmen: Alles – bis hin zu den Patschen des Besitzers – ist in ein schreiend grelles Pink getaucht, dass es fast den Augen wehtut. Eher trashig nimmt sich auch Treiben auf der Bühne aus. Geboten wird Klamauk, ein Feuerwerk an mehr oder weniger zündenden Gags. Über Geschmacksfragen ließe sich trefflich streiten.
Unterhaltsam ist das Gebotene allemal, und im erneut um zahlreiche Plätze dezimierten Zuschauerraum – wegen der Verschärfung der Corona-Maßnahmen bleibt ein Gutteil der Galerie unbesetzt – wird auch tatsächlich viel gelacht. Das liegt zu einem Gutteil freilich auch an der zündenden Musik Donizettis, dessen Don Pasquale mit Rosinis Barbiere, in dem es ebenfalls um die Düpierung eines heiratswilligen alten Gockels geht, an der Spitze der musikalischen Komödien des Belcanto liegt und auf keinem Spielplan fehlen darf. Dass an diesem Abend trotz des unablässigen Hin und Her die Musik aber Trumpf bleibt, ist auch Marco Armiliato zu verdanken, der sich wieder einmal als Garant für einen gelungenen Opernabend italienischer Provenienz erweist. Er und das Staatsopernorchester sind längst ein bestens aufeinander eingespieltes Team. Sie führen vor, dass Donizetti, auch wenn er dem Vorbild Rossinis viel zu verdanken hat, in seinem fast ein Vierteljahrhundert nach dem Barbiere entstandenen Werk eine eigene Tonsprache gefunden hat. Die Zeit ist – Dank der voranschreitenden Industrialisierung und des Ausbaus der Verkehrswege (Eisenbahn!) – schneller und lauter geworden. Demgemäß nimmt sich seine Musik auch weniger beschaulich als bei Rossini aus, sondern wirkt hektisch bewegt: Der stete Einsatz von Pauken, Schlagzeug und Blechbläser ist nicht zu überhören. Und dieser unablässig vorantreibenden Rasanz scheint wohl auch Brooks hektische Personenführung entsprechen zu wollen. Für bezaubernde Augenblicke der Ruhe sorgt dafür das von Gerhard Berndl an der Seite von Ernesto auf der Bühne ausgeführte, melancholisch nachdenkliche Trompetensolo. Wer will, kann daraus auch ableiten, wo sich Nino Rota, der Filmkomponist der im Mafia-Milieu angesiedelten Der Pate-Trilogie, seine Inspiration geholt hat.
Im Zentrum des Geschehens steht die Titelfigur. Nicola Alaimo ist von stattlicher Erscheinung, hat einen wandlungsfähigen, sonoren Bass und ist ein umtriebiger, mit allen Wassern gewaschener Komödiant, der seine Spiellaune blendend einsetzt. Obwohl Don Pasquale bösesten Schikanen, Spott und Hohn ausgesetzt ist, trifft er auf starke Sympathien im Publikum. Man hat – bei allem Lachen über sein Getue – verständnisvolles Mitleid mit ihm und atmet förmlich mit ihm auf, als der ganze Spuk endlich ein Ende hat. Was der an der Oberfläche entlang eilenden Inszenierung fehlt, die Tiefe, ist in Alaimos Gestaltung dennoch zu finden: die Tragik dieser der Lächerlichkeit preisgegebenen Figur. Chapeau!
Auch Adam Plachetka ist ein bewährter, stimmstarker Komödiant, dem Haus zudem eng verbunden. Als Strippenzieher der Intrige gegen den Alten auf Freiersfüßen macht er gewohnt gute Figur, wirkt aber doch etwas zu routiniert. Ein Gustostück sein Duett „Cheti, cheti, immantinente“ mit Don Pasquale vor dem Vorhang, während dahinter der Umbau für den Dritten Akt von statten geht. Rasanter und funkensprühender geht’s nicht.

Slavka Zamecnikova (Norina), Dmitri Korchak (Ernesto)
Ein Gewinn für das Ensemble ist die slowakische Sopranistin Slavka Zamencnikova. Als Norina kann sie nicht nur ihre helle, höhensichere Stimme imponierend zum Einsatz bringen, sondern überzeugt auch durch ihr beherztes Spiel. Anmutig im Ersten Akt und keck-übermütige im Zweiten, lässt sie ihre gestalterische und gesangliche Wandlungsfähigkeit aufblühen und erinnert dabei an Aida Garifullina sowie an Valentina Nafornita. Dieser Sängerin eine blendende Zukunft vorauszusagen, ist kein besonderes Risiko.
Ernesto, Norinas Geliebter, ist eine Paraderolle für den Tenor Dmitry Korchak. Er gestaltet seine Partie mit dem nötigen stimmlichem Schmelz. Zunächst etwas zurückhaltend im Spiel, hat er mit seinem Auftritt mit der von Mariachis begleiteten Serenade zum Beginn des Dritten Akts die erforderliche Betriebstemperatur erreicht, eingekleidet als Vorstadt-Gigolo und Barsänger im weißen Anzug, was dann auch seinem Duett „Tornami a dir“ mit Norina zu Gute kommt.
Stefan Astakhov, Mitglied des Opernstudios, hat einen Kurzauftritt als schusseliger Notar, erwähnenswert auch Eduard Wesener und Waltraud Barton als nichtsingende Hausangestellte. Herzlicher Applaus.
25.10.20