WIEN / Staatsoper
Die Fledermaus von Johann Strauß
168. Aufführung in dieser Inszenierung
31. Dezember 2018
An der guten Laune ist nicht nur der Champagner schuld
Ein Silvester ohne Fledermaus – so ließe sich eine Lebensweisheit des unvergessenen Loriot variieren, der das bekanntlich über das Leben und Möpse gesagt hat – ist möglich, aber sinnlos. Vor allem dann, wenn Adrian Eröd den Eisenstein nicht nur in bester Stimmung singt, sondern diese Figur auch mit so viel Witz und komödiantischem Geschick spielt, dass das Dargebotene einfach Freude macht und für ausgelassene Fröhlichkeit unter den Zuschauern sorgt. Dazu leisten freilich auch die übrigen Mitwirkenden – bis hin zum blendend eingestellten Chor und dem Ballett mit seiner „Donner und Blitz“-Einlage im 2. Akt (Choreographie Gerlinde Dill) – ihre wohldosierten Beiträge.
Und die Inszenierung von Otto Schenk aus dem Jahr 1979, im prächtigen Bühnenbild von Günther Schneider Siemssen, tut ihr Übriges, damit auch nach fast vierzig Jahren noch deale Bedingungen für das Abfeiern eines musikalischen und darstellerischen Feuerwerks gegeben sind. Otto Schenk hat seine Regiearbeit übrigens 2012 nochmals aufgefrischt, und das hat der Produktion offensichtlich nachhaltig gutgetan.
Aufgefrischt hat auch Peter Simonischek seinen köstlichen Auftritt als Frosch, indem er – das steirisches Exemplar österreichischen Beamtentums – neben altbekannten, aber noch immer aktuellen und daher garantiert für Lacher sorgenden Anspielungen à la Wann kommt endlich der Grasser? auch einige neue Schmähs auf Lager hat. Solche gibt es übrigens u.a. auch schon zuvor zu hören, wenn Rosalinde etwa verrät, dass ihr Gatte in den Arrest muss, weil er zu einem Polizisten „Oida“ – das Jugendwort des Jahres 2018 – gesagt hat.
Gute Laune und großes Können sind an diesem Abend also Trumpf. Das gilt insbesondere auch für Clemens Unterreiner, der als Dr. Falke die Fäden der Handlung stets in der Hand behält und so die Rache der Fledermaus perfekt instrumentiert, sich dabei aber nicht outrierend in den Mittelpunkt stellt, sondern bestens mit Eisenstein harmoniert. Hans Peter Kammerer sekundiert ihm gekonnt als Gefängnisdirektor Frank, und Peter Jelosits ist ein herrlich stotternder Advokat Dr. Blind, wird dabei im dritten Akt von Eröd, der ihn gekonnt imitiert, freilich noch übertroffen. Für den Alfred war ursprünglich Rolando Villazon vorgesehen – eine ähnliche Luxusbesetzung wie eben Andreas Schager in der Dresdner Fledermaus – nun aber kommt Jörg Schneider in dieser Partie zum Einsatz und beweist, dass der Wiener Staatsoper im Fall des Falles auch verlässlich rollendeckende Kräfte aus dem Haus zur Verfügung stehen.
Überhaupt ist die Ensembleleistung an diesem Tag besonders hervorzuheben, denn auf der Besetzungsliste sind von elf dort angeführten Sängerinnen und Sängern nur zwei mit Gästen besetzt. Eine davon, Annette Dasch, die als Rosalinde ihr Wiener Rollendebüt hat, kann den Erwartungen leider nur ansatzweise gerecht werden. Stimmlich eine Enttäuschung und mit Schludrigkeiten in der Phrasierung, was sich vor allem im „Csardas“, dem Gradmesser für diese Partie, ungünstig auswirkt. Darstellerisch kann sie einigermaßen reüssieren, aber auch da will ihr aufgesetzter ungarischer Akzent nicht so recht überzeugen.
Die für die Partie des Orlofsky geforderte russische Akzentfärbung bereitet der Mezzosopranistin Elena Maximova erwartungsgemäß keinerlei Probleme, doch auch sie bleibt dieser schillernden Figur Einiges schuldig. Ihre Stimme ist zwar kräftig und weiß zu gefallen, doch die geheimnisvolle Aura, die den russischen Märchenprinzen umgibt, bleibt außen vor.
Eine Glanzleistung liefert dafür Daniela Fally als Adele. Gesanglich makellos und komödiantisch eine Augenweide, der Lydia Rathkolb als erfrischend natürliche und dennoch gewitzte Ida zur Seite steht. Verständlich, dass Franz Welser-Möst die Fally gerne als Adele in Dresden gehabt hätte, ebenso verständlich, dass Direktor Meyer das abgelehnt hat. Sie ist hier der funkelnde Edelstein in der Operettenkrone.
Bleibt noch der Überraschungsgast beim Fest des Prinzen. Dafür wird der jüngst zum Kammersänger ernannte Réne Pape aufgeboten. Er bekommt – wie später Simonischek – herzlichen Auftrittsapplaus und hat zwei veritable Schlager aus dem Bassisten-Repertoire im Gepäck: Das Trinklied des Falstaff „Als Büblein klein an der Mutterbrust“ aus Otto Nicolais Die lustigen Weiber von Windsor und „Some enchanting evening“ aus dem Musical South Pacific von Richard Rodgers/Oscar Hammerstein. Chor und Orchester begleiten elegant. Ein Auftritt, der begeistert aufgenommen wird.
Am Pult steht Sascha Goetzel. Da Die Fledermaus seit vielen, vielen Jahren immer zur Jahreswende mit einigen Aufführungen auf dem Spielplan der Staatsoper steht, möchte man annehmen, dass sich diese geniale, schwungvolle Musik inzwischen fast schon von allein spielen sollte. Somit bleibt nur festzuhalten, dass an diesem Abend jedenfalls alles, was aus dem Graben kommt, zur vollsten Zufriedenheit klappt. Als besonders eindrucksvoll bleibt wohl die große Ensembleszene rund um „Brüderlein und Schwesterlein“ in Erinnerung. Wienerische Musizierlust gepaart mit stimmungsvoller Sangesfreude lassen diese „Komische Operette“, wie sie Johann Strauss und seine Librettisten Karl Hafner und Richard Genee genannt haben, zu einem Gesamtkunstwerk der leichten – und manchmal doch so schwerfällig daherkommenden – Muse werden.
Die glänzende Laune auf der Bühne überträgt sich mühelos auf das Publikum. Rundum regiert an diesem Abend Heiterkeit. Und daran ist natürlich nicht der Champagner schuld, sondern eine gediegene Aufführung, die den Übergang vom alten in das neue Jahr gutgelaunt gelingen lässt. Da man aber beim Lachen, was wissenschaftlich erwiesen ist, rund 300 Bauchmuskeln aktiviert und zudem sein Immunsystem stärkt und Ängste und Schmerzen bekämpft, dient diese Aufführung vortrefflich der Volksgesundheit und sollte eigentlich zur Prophylaxe zum Jahresanfang jedem Wiener – besser noch: jedem Österreicher – ärztlich verschrieben werden.
Manfred A. Schmid