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WIEN/ Staatsoper: ARIADNE AUF NAXOS

20.04.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

WIENER STAATSOPER – 19.04.2014 – Ariadne auf Naxos

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Thomas Ebenstein (Tanzmeister) und Iride Martinez (Zerbinetta). Foto: Staatsoper/Pöhn

 Als Strauss- und Wagnerliebhaber erlebt man rund um Ostern in der Wiener Staatsoper das Paradies. Gestern stand die zweite Vorstellung der „Ariadne auf Naxos“ in der durchaus repetoirtauglichen, stimmigen Bechtolf – Inszenierung auf dem Programm.

 Die Basis für die musikalische Verzückung wurde wieder einmal von einem wunderbar disponierten Staatsopernorchester gelegt. Die vielen Details und Miniaturen, die in diesem hochmelodiösen Meisterwerk enthalten sind, wurden liebevoll und perfekt gestaltet. Aus den musikalischen Genieblitzen und „Liedeln“ dieser Oper hätten heutige Komponisten wohl 37 Musicals gestaltet. Michael Boder, der uns schon bei der Uraufführung der „Medea“ beeindruckte, zeigte meisterlich sein „Gspür“ sowohl für das fröhliche Treiben der „commedia dell’arte“ – Truppe als auch für die schwermütige, aber auch leidenschaftliche Welt der Ariadne. Die fürsorgliche „Sängerinnenbegleitung“ war besonders nach der Pause ein Gebot der Stunde.

 Für die Störungen im musikalischen Paradies waren diesmal die beiden weiblichen Hauptrollen der Opernhandlung verantwortlich. Iride Martinez ist eine sympathische, übermütige Zerbinetta, der aber derzeit noch die Voraussetzungen und die Bühnenpersönlichkeit für diese exponierte Koloraturrolle fehlen. Die junge zarte und in den passenden Rollen auch schön und technisch gute Stimme klingt sowohl in den Gruppenszenen als auch in der Renommierarie hoffnungslos überfordert. Zusätzich gestört und abgelenkt wurde sie noch dazu von schlecht passenden Schuhen, die nur mit tatkräftiger Hilfe ihrer Kumpane an den Füßen gehalten werden konnten – vielleicht hätte man bei den brabantischen Lederhosen etwas sparen sollen um der Zerbinetta ein passendes Paar Schuhe zur Verfügung stellen zu können. Meagan Miller ergeht es mit der Ariadne zwar etwas besser – im Mezza voce in der Mittellage – besonders gemeinsam mit Bacchus –  hat sie die berührendsten Momente. In der Höhe gibt es einige sehr scharfe Töne zu hören und der Mezzo- Bereich war kaum vorhanden – so erlebten wir gestern eine Ariadne auf Naxos ohne „Totenreich“. Natürlich haben es beide Damen unendlich schwer, in Wien aus dem Schatten der großen Rollenvorgängerinnen der ferneren, aber auch der jüngsten Vergangenheit zu treten – es sei nur an die letzte Serie mit Stoyanova / Fally erinnert.

 So – und jetzt kommt das ungetrübte Paradies: Schon zu Beginn des Vorspiels erlebt man mit dem unvergleichlichen Peter Matic einen überheblichen, selbstgefälligen Haushofmeister, dessen schauspielerische Leistung man erst richtig ermessen kann, wenn man weiß, wie sympathisch und bescheiden dieser große Schauspieler im realen Leben ist. In Clemens Unterreiner – der in dieser Serie als Musiklehrer debutiert – findet er einen kongenialen Partner – die beiden demonstrieren aufs Deutlichste den Begriff „MusikTheater“. Es ist erfreulich zu sehen, dass ein so hochqualitatives Ensemblemitglied endlich  – und hoffentlich bald wieder – in einer wichtigen Hauptrolle eingesetzt wird. Sein kräftiger, warmer technisch perfekter Bariton würde uns sicher als Wolfram oder als Heerrufer sehr gut gefallen. Einen weiteren schauspielerischen Höhepunkt liefert Thomas Ebenstein als Tanzmeister – sein sämtliche Klischees erfüllende Darstellung des „tuntigen“ Tänzers zeigt von großem komödiantischen Talent; sein schöner Tenor klingt nie überfordert.

 Der absolute Star des Vorspiels ist unbestritten der Komponist – sehr gut dargestellt und ganz hevorragend gesungen von Sophie Koch. Hätte Richard Strauss diese Stimme gehört, hätte er sich möglicherweise keine Sopranistin als Komponist gewünscht. Die sonst oft nur im Sprechgesang bewältigten Mezzo – Stellen wurden wunderbar timbriert gesungen; die Legatobögen in der Mittellage strömen mit Leichtigkeit und die atemberaubenden Höhen würden auch einer Sopranistin zur Ehre gereichen. Spätestens bei „Du, Venus’ Sohn – gibst süssen Lohn“ ist man im Paradies angekommen.

 Die fröhliche Truppe der Zerbinetta sorgt wieder temperamentvoll und sportlich beeindruckend für Abwechslung und für den Fortgang der Handlung. Adam Plachetka  – der Harlekin singt besonders das „Lieben, Hassen, Hoffen, Zagen“ wunderschön; Andreas Hörl – der Truffaldin – beweist eindrucksvoll, dass er als Titurel wegen der bei diesem  fehlenden Mimik deutlich unterfordert ist; James Kryshak (Scaramuccio) und Pavel Kolgatin (Brighella) ergänzen das übermütige Quartett.

 Die Nymphen der Ariadne waren waren diesmal in der geplanten Besetzung – mit Olga Bezsmertna als Bergnymphe Echo zu hören. Gemeinsam mit Hila Fahima (Najade) und Juliette Mars (Dryade) gelang auch diesmal eine harmonische Verschmelzung der schönen Frauenstimmen.

 Die Darsteller der kleinen Rollen – Gerhard Reiterer (Perückenmacher), Marcus Pelz (Lakai)und Oleg Zalytskiy (Offizier) ließen keine Wünsche offen.

 Vielleicht ist es weder seriös noch gerecht – für uns entscheidet der Bacchus ganz wesentlich, mit welchem Gefühl wir nach einer „Ariadne“ – Vorstellung die Oper verlassen und wie sie uns in Erinnerung bleibt. Die gestrige Vorstellung hat diesbezüglich keine Wünsche offen gelassen. Stephen Gould ist ab dem ersten „Circe“ hochpräsent und singt mit seinem klaren, mächtigen Heldentenor – diesmal ohne Schrecksekunde – bis in die höchsten Höhen und liefert im Finale wieder ein Meisterstück, das niemanden unberührt läßt. Es erstaunt immer wieder, dass ein Sänger, der im Siegfried nach über drei Stunden harter „Arbeit“ der frischen Brünnhilde Paroli bieten kann, in der kurzen Rolle des Bacchus deutlich seine gesamte stimmliche Potenz aufbieten muss, um dieses hervorragende Ergebnis zu ermöglichen.

 Der Applaus war teils euphorisch, teils höflich, aber auffallend kurz – zum Glück gab es diesmal keine „Buhs“ – die sind ja eigentlich bei Sängern immer unangebracht – gibt doch jeder mit Leidenschaft sein Bestes – dafür, dass das bei Menschen manchmal etwas danebengelingt sollte man Verständnis aufbringen.

 Maria und Johann Jahnas

 

 

 

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