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WIEN/ Staatsoper: ARIADNE AUF NAXOS

23.12.2012 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

WIEN/STAATSOPER: ARIADNE AUF NAXOS – am 22.12., NI am 19.12.2012

 
Schlussapplaus. Foto: Dr. Klaus Billand

Mit der 1. Reprise der Neuinszenierung der „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss nach der Salzburger „Urfassung“ des vergangenen Festspielsommers in der Regie von Sven-Eric Bechtolf und den gefälligen, aber unterkühlten Bühnenbildern und den großteils farbenfrohen und nicht immer geschmacksicheren Kostümen von Rolf und Marianne Glittenberg, scheint die neue „Ariadne“ nun in Wien angekommen zu sein. Der Beifall war sehr stark, es gab an der Abendkasse und auch davor keine Karten mehr. Immerhin, das im Weihnachtstrubel…

Ob eine Neuninszenierung der alten Sanjust „Ariadne“ erforderlich war, wurde schon anlässlich der Premiere kommentiert. Jene war nun wirklich allzu verstaubt, ein Schicksal, dass sie mit den auch der Wiederaufnahme vom letzen Monat kaum frischer wirkenden Schenkschen „Meistersingern“ teilt. Also ist es im Prinzip zu begrüßen, dass die angesichts der „Vorzeit“ immer noch relativ neue Direktion langsam auch das ältere Repertoire auffrischt und nicht nur „wieder aufnimmt“- zumal gewisse heilige Kühe wie die „Bohème“ und die „Tosca“ sicher davon ausgenommen bleiben werden, zumindest für absehbare Zeit. Natürlich überzeugt diese „Ariadne“ durch die gute Personenregie von Bechtolf, die eine ganze Reihe von interessanten Einzelmomenten und Charakterstudien ermöglicht, die in Wien aber – und das muss man klar sagen – in den meisten Fällen von stärkeren SängerdarstellerInnen als in Salzburg umgesetzt wurden. Und das war der Dreh- und Angelpunkt für den Erfolg dieses Abends. Man mag sich gar nicht ausdenken wollen, wenn diese Produktion in der Alltagsroutine des Repertoiregeschehens in dem wenig konturierten und wie in ihrer belanglosen Wiener „Ring“-Optik weitestgehend aussagefreien Glittenbergschen Ästhetik mit weniger profilierten KünstlerInnen stattfinden soll.

Im Vorspiel sieht man in das klassizistisch stilisierte aber dennoch im Stile des New Age wirkende Zimmer der herrschaflichen Mannes, im Hintergrund scheinen die Linden seines Gartens durch. Dann geht es im Schminkzimmer vor grellen Spiegelbeleuchtungen weiter, wie überhaupt die Beleuchtung fast immer viel zu hell und undifferenziert ist. In der Oper liegen vor einem Auditorium mit einigen wenigen Gästen um den hohen Herrn zwei zerworfene Konzert-Flügel auf der Bühne, die sofort an jenen von Marelli in seiner Wiener „Sonnambula“ erinnern, in der „Ariadne“ aber weit weniger Sinn machen. Bei Marelli lag nachvollziehbarerweise Schnee dazwischen, bei Glittenberg Sand – wer weiß, warum?! Man suchte ganz offenbar unorthodoxe Bewegungs- und v.a. Liegemöglichkeiten für die KünstlerInnen. Umso alberner wirkte dann das nahezu endlose Umkreisen dieser desaströsen Klavierlandschaft durch die Komödianten auf Tretrollern…

Krassimira Stoyanova singt und gestaltet eine Ariadne zum Niederknien, die jene von Emilee Magee in Salzburg an Intensität, Empathie und gesanglicher Perfektion mit all den farblichen Facetten ihres Edelsoprans und mimischer Ausdruckskraft weit hinter sich lässt. Eine dennoch immer lyrisch betonte Vollblut-Ariadne durfte das Wiener Publikum hier erleben, die zudem mit bester Wortdeutlichkeit die Metamorphose der antiken Heldin glaubhaft über die Rampe bringt. Ihr steht ein auf absoluter Augenhöhe singender Bachus gegenüber. Stephen Gould kann an diesem Abend einmal mehr beweisen, dass er einer der größten Vertreter dieses Faches ist. Und das ist in Anbetracht des aufdämmernden Wagner-Jahres im Hinblick auf seine Siegfriede und Tristane sehr beglückend. Mit welcher Strahlkraft er seinen blühend geschmeidigen und äußerst kultivierten, aber stets gesanglich betonten Heldentenor einzusetzen weiß, ist in der Erinnerung des Rezensenten als Bachus in Wien wohl nur noch mit James King vergleichbar. Witzig und ein bildlicher Beweis seiner Stimmkraft ist die Idee Bechtolf, den Haushofmeister Peter Matic – ohnehin kein physisches Schwergewicht – durch einen tenoralen Spitzenton Goulds in der Zuschauerreihe einfach wegblasen zu lassen…

Matic gibt eine unkonventionelle und – etwas mehr als gewohnt – menschliche Regungen offenbarende Charakterstudie des Haushofmeisters, ein gelungener Kontrapunkt zu den großartigen sängerischen Leistungen. Jochen Schmeckenbecher, der exzellente Essener Alberich, singt den Musiklehrer nicht nur mit einem klangvoll und schön timbrierten Bassbariton. Er spielt die Rolle auch sehr engagiert und mit einer guten Mischung aus geschäftiger Verschlagenheit und emotionalem Engagement. Ihm steht Norbert Ernst als lässig flexibler Manager der Komödiantentruppe kaum nach. Mit seinem immer besser werdenden Tenor lässt er der Rolle einige so noch nicht gesehene komödiantische Facetten angedeihen, die sie auch protagonistischer machen. Daniela Fally als Zerbinetta ist seit ihrer damals schon recht guten Fiaker-Milli in der Wiener Bechtolf-„Arabella“ offenbar stimmlich weiter gereift. Ihre Mittelloge klingt nun farbiger und charaktervoller, und die Höhen sind weiterhin begeisternd – eine ganz große Leistung, auch darstellerisch mit ihrem hohen Maß an nie aufgesetzt wirkender Koketterie. Allein die gute Christine Schäfer steht irgendwie neben ihrer Rolle als Komponist, der wohl doch besser von einem Mezzosopran gesungen werden sollte. Von der Regie auch noch weitgehend vernachlässigt, hat sie nur ganz wenige Augenblicke, wo sie das Handlungsmoment an sich ziehen kann. Der schönste davon war ein eigentlich ein gar nicht vorgesehener und stummer: Im Schlussbild kommt der Komponist mit Zerbinetta zu einem Paar zusammen, nachdem sich Tenor und Primadonna trotz aller Beteuerungen unendlicher Liebe platonisch emotionslos nach Ende ihres beruflichen Auftritts voneinander verabschiedet haben. Hier stimmte auch endlich einmal die Beleuchtung. Der Sopran von Christine Schäfer scheint für die Rolle des Komponisten auch zu klein zu sein. Es ist wohl einfach nicht ihre Rolle.

Adam Plachetka ist ein klangvoller und engagierter Harlekin, aber auch Andreas Hörl, Carlos Osuna und Pavel Kolgatin können in der Komödiantentruppe überzeugen. Margarita Gritskova als Dryade, Valentina Nafornita als Najade und mehr noch Olga Bezsmertna als Echo sind stimmlich den Anforderungen ihrer Rollen gewachsen und kommen durch ihr häufiges Singen im Vordergrund auch viel mehr zur Wirkung. Alle weiteren Nebenrollen des Vorspiels waren ebenfalls gut besetzt.

Franz Welser-Möst stand am Pult des überaus „Ariadne“-erfahrenen Orchester der Wiener Staatsopernorchester, das auch mit viel Animo spielte, aber doch nicht all die durchaus auch wienerisch kolorierten Zwischentöne im Vorspiel und die Rauschhaftigkeit in der Oper und zumal in ihrem Finale erklingen ließ. Es war ein insgesamt gutes Strauss-Dirigat, aber unter den großen Strauss-Dirigenten im Haus am Ring konnte man es schon subtiler, facettenreicher und schließlich auch mitreißender hören. Anlass zu hofberichterstatterischer Begeisterung wie in der „Presse“ zu lesen war, schien nicht gegeben zu sein. (Fotos in der Bildergalerie)

Klaus Billand

 

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