Musical konzertant im Wiener Ronacher: 18.10. 2013: „LOVE NEVER DIES“– Auf Suche nach Liebesglück
Andrew Lloyd Webbers bereits schon legendäres Phantom der Oper ist noch nicht gestorben, überlebt auch in der Fortsetzungsstory dieses höchst erfolgreichen Musicals aus dem Jahr 1986. In dessen Nachfolge-Musical „Love Never Dies“ findet jedoch die vom Phantom so umworbene Traumsängerin Christine Daaé unglücklicherweise den Tod. Ein bisschen an den Haaren herbeigezogen wirkt zwar der Plot dieses 2010 inLondon uraufgeführten Musicals, doch bei der Premiere im Ronacher hat sich das Wiener Publikum von dieser melodramatischen Geschichte sehr angetan gezeigt.
Aus der Pariser Oper geht´s für Christine mit dem Schiff nun gemeinsam mit Gatten Raoul und bildhübschem Söhnchen Gustave nach New York. Schau an: Das Phantom ist nun, zehn Jahre nach dem ersten Drama, hier zuhause. Und es jammert in seiner Liebessehnsucht schon wieder mit gleich schauriger Intensität seine Traumfrau an. Zuerst geht die Show eher holprig dahin. Wenn sich aber erweist, dass Gustaves Vater nicht der eitle Raoul sondern das in seinen künstlerischen Phantasien verstrickte Phantom ist, kommt Musical-Spannung auf und es wird recht gekonnt auf die Tränendrüse gedrückt.
Andrew Lloyd Weber gleitet in seinen späten Jahren mehr und mehr auf den Spuren des Verismo dahin. Auch ein Jahrhundert später lassen sich so Hingabe und Liebesleid und Seelenschmerz musikalisch durchaus eindrucksvoll beschreiben. Viel Puccini ist ebenfalls herauszuhören. Und es fehlt auch nicht an Reminiszenzen an das Phantom Nr. 1. Dazwischen sind immer wieder einigermaßen spritzige Showelement à la mode der letzten Jahrzehnte eingefügt. Heute keine überraschenden mehr, doch mit absoluter Könnerschaft arrangierte.
Am stärksten wirken in diesem Stück Webbers langgezogen Melodielinien, auch in dem starken Titelsong, mit denen er das sentimentale Empfinden der Zuhörer beschwört.
Eine konzertante Aufführung wird von den Vereinigten Bühnen Wien im Ronacher angeboten. Sehr gut in Szene gesetzt von Regisseur Andreas Gergen, mit lebendigen Auf- und Abgängen von Solisten und Chor und ständig wechselnden Lichteffekten. Das Orchester unter Leitung von Koen Schoots ist groß auf der Bühne postiert, auf der Rampe dahinter und vorne im Bühnenportal wird mit großer Eindringlichkeit (zumeist) agiert. So wirklich schön singen sie ja nicht, doch der starke Premierenapplaus dürfte ihnen gut getan haben: Drew Sarich als rau aufbrüllendes Phantom, Milica Jovanovic als hin und her schwankendes Blondchen Christine, Julian Looman (Raoul), Barbara Obermeier (Meg Giry), Maya Hakvoort (Madame Giry) sowie Leonid Sushon (der klein Gustave).
Dass es bei den Vereinigten Bühnen Wien zur Zeit gar heftig brodelt, ist betreffs unglücklicher Wiener Kulturpolitik die wesentlich wichtigere Sache. Das Musical- Department (Raimundtheater, Ronacher) ist ins Trudeln und schwer in die Kritik geraten.
Mangel an guten Visionen, reine Einkaufskultur statt Kreativarbeit und Besucherdebakel haben zu Finanzproblemen geführt. Reduziert soll das Orchester werden, die Musiker protestieren. Und in Gesprächen mit Verantwortlichen: Sie wissen eigentlich nicht, wie sie dagegen ankämpfen können.
Meinhard Rüdenauer