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WIEN/ Musiktheater im Hundsturm: ANFECHTUNGEN! SAN IGNACIO – EINE DSCHUNGELOPER

25.09.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Musiktheater im Hundsturm: „Anfechtungen! San Ignacio – eine Dschungeloper“ von Renald Deppe

(Vorstellung: 25. 9. 2014)

 In Hundsturm in Wien-Margareten, einer Dependance des Wiener Volkstheaters, kam es zur Uraufführung eines musikalischen Werks, dessen Partitur von der Barockzeit bis zu zeitgenössischen Klängen reichte: „Anfechtungen! San Ignacio – eine Dschungeloper“ von Renald Deppe.

 Interessant die Vorgeschichte dieser Oper, die man dem Programmzettel entnehmen kann: In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts reiste der 1655 in Tirol geborene Anton Sepp als junger Jesuitenpater in die Missionsstationen seines Ordens nach Paraguay, Brasilien und Bolivien, um den dort ansässigen Guarani-Indios die damalige österreichische Musik näherzubringen. „Dabei entstand eine große Anzahl originärer Barockmusik, die auf den dafür extra eingeführten Instrumenten aufgeführt wurde. Zahlreiche dieser Kompositionen wurden Sakralmusik, jedoch wurden einige wenige Barockopern komponiert, die der Bevölkerung die Lebensgeschichte der unterschiedlichen Heiligen näherbringen sollten.“

 Im April 2013 reiste Markus Kupferblum, der Gründer der Unternehmung Schlüterwerke, die als Veranstalter fungiert, in den bolivianischen Dschungel, um Manuskripte solcher Opern ausfindig zu machen. Er erhielt dort vom polnischen Missionar Piotr Nawrot die Partitur der Oper eines anonymen Komponisten, „San Ignacio“, mit dem Recht, sie in Österreich aufzuführen. In Zusammenarbeit mit dem Komponisten Renald Deppe wurde „eine radikale Neupositionierung dieser Oper versucht“, wie es Markus Kupferblum formulierte.

 Der Komponist nannte das nun entstandene, 80 Minuten dauernde Werk „Weitergedachtes“. Es wird als Kampf der Sinnlichkeit gegen die Scheinheiligkeit, das Ringen mit der eigenen Fehlbarkeit und die Bedrohung des Seelenfriedens durch die sieben Todsünden gezeigt, wobei er die neu komponierten Zwischenspiele, Rezitative und Arien durch ungewöhnliche Instrumentierungen in eine zeitgenössische Klangsprache setzte. Renald Deppe bezeichnete sein Werk, dessen Libretto Bodo Hell verfasste, als „ein multistilistisches Opernfanal über (Er)Leben und (Nach)Wirken eines faszinierenden wie provokant kontroversiellen Kirchenheiligen Ignatius von Loyola“.

 Markus Kupferblum inszenierte die Dschungeloper sehr expressiv und satirisch, wobei er auch die drei Balkone des Spielraums zu nutzen verstand. Gut seine Personenführung, die immer wieder ins Tänzerische mündete. Für die Bühnengestaltung zeichnete Luise Czerwonatis verantwortlich, die mit wenigen Requisiten auskam (ein Bootsruder und eine kleine Schiffsskulptur als Symbole für die Missionsfahrten der Jesuiten sowie sieben Mini-Podeste, auf deren Rückseite in lateinischer Sprache die Todsünden vermerkt waren. Die teils schwarzen, teils farbenprächtigen Kostüme entwarf Ingrid Leibezeder, für das Lichtdesign war Stefan Pfeistlinger zuständig.

 Das spielfreudige und auch tänzerisch begabte Ensemble setzte sich aus Sängern und Schauspielern zusammen. Die Sopranistin Ingala Fortange gab einen äußerlich asketisch wirkenden Ignatius von Loyola, dessen Gottgläubigkeit und Fanatismus sie mit ihrer hellen Stimme trefflich zu vermitteln verstand. Mit ihrer erotisch-sinnlichen Ausstrahlung und ihrem verführerisch klingenden Sopran stellte Ulla Pilz die Rolle der Dämonin überzeugend dar.

 Sehr quirlig und pfiffig spielten Andrea Köhler und Julia Schranz die beiden Amazonen, köstlich humorvoll agierten Béla Bufe und Florian Hackspiel als zwei Boten. Ebenso humorvoll gestaltete der Tenor Bernd Lambauer seine Rolle als Franz Xaver, der von Ignacio ständig auf Missions-Reisen geschickt wurde. Therese Cafasso gab eine schmucke China Diabla.

 Der Komponist hatte die musikalische Leitung inne und dirigierte selbst das vierköpfige Orchester Capella Con Durezza, das er im Jahr 1990 gegründet hatte, wobei er auch Klarinette und Saxophon spielte.  Dass manche Töne der zeitgenössischen Musik fast schmerzhaft in den Ohren klangen, war zu erwarten gewesen. Das Publikum nahm es mit Humor und belohnte am Schluss alle Mitwirkenden für den unterhaltsamen Abend mit lang anhaltendem Beifall.

 

Udo Pacolt

 

 

  

 

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