Fotos: c Werner Kmetitsch
WIEN / Musiktheater an der Wien:
DAS SPITZENTUCH DER KÖNIGIN von Johann Strauss
Premiere: 18. Jänner 2025
Als wär’s ein Stück von Offenbach
Glücklicherweise ist wenigstens der Zuschauerraum noch weitgehend erkennbar, die neun Musen schweben an der Decke, man sitzt immer noch auf rotem Samt, und das goldene Bühnenportal ist wohl auch dasselbe (der Vorhang könnte ein anderer sein als früher). Dennoch fremdelt der Theaterfreund, der seit Jahrzehnten in dieses Theater an der Wien gekommen ist, angesichts des Umbaus – an die schwarze, kahle, alles beherrschende Treppe, die man frontal ins Foyer gestellt hat, muss man sich noch gewöhnen, außen und „halb innen“ ist das Haus nicht wirklich schöner geworden (und einladend wirkt es auch nicht). Nein, gar nicht, sorry. Das ist nicht nur eine Sache der Gewohnheit (damit man nicht nachgesagt bekommt, man wollte grundsätzlich keine Veränderungen). Es ist vielleicht auch eine Frage des Geschmacks.
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Ein schwacher, verfressener König. Eine unbeachtete und entsprechend angefressene Königin. Ein Premierminister, der die Macht an sich reißen will. Ein paar Hofschranzen. Und ein pfiffiger Intellektueller, der Widerstand leistet – das klingt wie eine politische Parodie, kurz, wie eine Offenbach-Operette. Und doch ist „Das Spitzentuch der Königin“ (ein kleines Pendant zu Desdemonas Taschentuch, aber ohne letalen Ausgang) eine Operette von Johann Strauss, 1880 in der damaligen Operetten-Hochburg Theater an der Wien erfolgreich uraufgeführt, vielfach nachgespielt – und seither weitestgehend vergessen.
Man versteht nicht ganz, warum, und man versteht es doch. Denn die in Frankreich beheimatete Polit-Satire Offenbachs ist bei uns nur gastweise (mit seinen Werken) heimisch geworden, aber hierzulande kein Genre. Die Handlung ist, genau genommen, dürftig – und was das Werk als Hits und Ohrwürmer zu bieten hat, kennt man auf andere Weise (und bringt es nicht mit dieser Operette in Verbindung).
Denn Johann Strauss selbst hat genau die musikalischen Filetstücke seines Werks erkannt und sie konzertant umgearbeitet. Als Walzer und Polkas, die wir so im Ohr haben, dass man sich direkt wundert, sie hier gesungen hören…
Dennoch: Die Musik des Abends ist fabelhaft, einfallsreich, schwungvoll und ein Vergnügen. Und, das ist die schönste Überraschung: Die Aufführung des „Spitzentuchs der Königin“ im Musiktheater an der Wien ist es auch.
Man dankt es der richtigen Einstellung des Regisseurs Christian Thausing, der ein Wienerisches Operettenspektakel als solches, aber durchaus mit Pariser Witz und Ironie über die Bühne schickte und mit Hilfe der glänzenden Choreographin Evamaria Mayer gewissermaßen für Dauerbewegung sorgte: Alles dreht sich, man soll nicht zum Nachdenken kommen, damit einem vielleicht auffiele, wie dumm das Ganze doch ist.,,
Zusätzliche Bewegung kommt von der Ausstattung von Timo Dentler und Okarina Peter, die einerseits nach der Erkenntnis „Schön ist so ein Ringelspiel“ agierten, ein solches in Praterlaune auf die Bühne stellten und damit im Drehmodus alle imaginären Schauplätze abdeckten. Dazu die Kostüme, die nicht historisierend waren wie im Kino, aber auch nicht mit Jeans und T-Shirt verstörten, sondern die holde Gestrigkeit des Ganzen betonten.
Eine Gestrigkeit, die natürlich erlaubt – weil es über weite Strecken ja doch eine politische Satire ist – , Zeitgeist-Witze (natürlich zur aktuellen Regierungsbildung) einzustreuen und trotzdem am Rande noch die Frage aufwirft, ob die Dichter, die Künstler, nicht zu den Rettern werden könnten, wenn die Politik gar zu dumm wird… In der Operette, die in Portugal spielt, ist nämlich kein Geringerer als Cervantes aus Spanien herüber geflohen und erweist sich als fröhlicher Polit-Akteur… Vielleicht wird es am Ende zu kabarettistiscih und die Produktion ufert mit einem Ausflug in Bizets „Carmen“ ein wenig zu weit aus, aber das sind Kleinigkeiten.
Die Aufführung besetzt den König mit der Mezzosopranistin Diana Haller. Gelegentlich schrill in der Höhe, doch im allgemeinen stimmschön und komisch. Elissa Huber hat als Königin eine Menge Qualitäten, aber am komischsten ist sie, wenn sie die Nerven verliert und so richtig los zankt.
Beate Ritter war einst die Koloraturperle der Volksoper, wurde in der Direktion de Beer entfernt und fehlt seither an dem Haus. Schade, dass sie so selten nach Wien zurück kehrt, und in diesem Fall doppelt schade, dass ihre Rolle hier zu klein ist, um ihre Qualitäten voll zu entfalten. Auch Regina Schörg als liebessüchtige Marquise bleibt eher am Rande, hat aber in Istvan Horvath einen tenorschönen Liebhaber-Komiker.
Die komischste Rolle des Abends gehört dem Intriganten Premierminister, den Michael Laurenz voll und prachtvoll ausspielt, dazu passt es sogar, wenn die Stimme schneidend ist. Leider viel zu kurz darf sich Alexander Strömer als zweiter Intrigant dazu gesellen. In der wichtigen Rolle des wendigen Senor Cervantes macht Maximilian Mayer sehr gute Figur, aber nicht immer gleich gute Stimme.
Neben den Tänzern hatte der Arnold Schoenberg Chor(Leitung: Erwin Ortner) wieder einmal eine bravourös gemeisterte Riesenaufgabe, und das Wiener KammerOrchester schmetterte unter den
rLeitung von Martynas Stakionis die Musik geradezu.
Am Ende Jubel, Trubel, Heiterkeit auch im Zuschauerraum. Es lebe Johann Strauss! Oder, besser gesagt: Johann Strauss lebt!
Renate Wagner