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WIEN/ Museumsquartier/ Neue Oper Wien: LE GRAND MACABRE von György Ligeti

05.10.2012 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Neue Oper Wien: „Le Grand Macabre“ von György Ligeti (Vorstellung: 4. 10. 2012)


Die koreanische Sopranistin Jennifer Yoon als surreale „Motorradbraut“ (Foto: Armin Bardel)

 Immer wieder hört man, dass die einzige Oper des 1923 in Siebenbürgen geborenen und 2006 in Wien verstorbenen Komponisten György Ligeti zu den bedeutendsten Werken der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zählt. Die Oper, deren Libretto der Komponist gemeinsam mit Michael Meschke nach Michel de Ghelderodes Farce La ballade du grand macabre verfasste, wurde 1978 im Königlichen Theater von Stockholm uraufgeführt und fand danach Eingang ins Repertoire vieler europäischer Bühnen (u. a. in Hamburg, Bologna, Paris, London, Leipzig, Zürich). In Österreich wurde sie zuletzt 2006 im Opernhaus Graz in einer ziemlich ungustiösen Inszenierung des australischen Regisseurs Barrie Kosky gegeben.

 In der Halle E des Wiener Museumsquartiers wurde das groteske Werk, das bei Ligeti irgendwann im Fürstentum Breughelland spielt, vom venezolanischen Regisseur Carlos Wagner inszeniert, der den Abgesang auf die Menschheit in die Jetztzeit transferierte. In der Einführung zur Oper meinte Walter Kobéra, der Dirigent und Intendant der Neuen Oper Wien, dass heutzutage viele Menschen überzeugt wären, der Weltuntergang würde knapp bevorstehen – wie es der Maya-Kalender für den 21. Dezember 2012 voraussagt. Also entschloss sich der Regisseur, eine Endzeitstimmung auf die Bühne zu bannen. Bahngleise, die ins „Niemandsland“ führen, eine stählerne Brücke, ein Autowrack, ein Maibaum und ein riesiges Schaukelpferd dominierten das von Andrea Cozzi gestalteteBühnenbild, die grellen Phantasiekostüme entwarf Christof Cremer.

 Der Inhalt des Werks, in dem sich chaotische und slapstickähnliche Szenen abwechseln, in Kurzfassung: Der babyhafte Herrscher Go-Go wird von seinen korrupten Ministern, den Führern der miteinander verfeindeten Weißen und Schwarzen Partei tyrannisiert. Im Haus des Hofastrologen Astradamors herrscht die Gewalt, ausgeübt von seinem Weib Mescalina. Hauptakteur der Oper ist Nekrotzar, der Große Makabre, eine zwielichtige Figur von unerschütterlichem Sendungsbewusstsein, der mit apokalyptischen Drohungen den Weltuntergang voraussagt. Doch wird er vom Hofastrologen und dessen Zechkumpan Piet-vom-Fass dermaßen unter Alkohol gesetzt, dass seine im Rausch gesprochenen Worte wirkungslos verpuffen. Da sich auch im Himmel alles genauso zuträgt wie auf Erden, muss der Große Makabre erkennen, sein heiliges Ziel verfehlt zu haben. Alles ist nur leere Phrase, das Leben geht weiter wie gewöhnlich.

 Leider kam bei der Inszenierung im Museumsquartier trotz vieler komisch angelegter Szenen der Humor ein wenig zu kurz. Zwar gab es im Publikum einige Zuschauerinnen, die immer wieder kicherten oder auch lauthals herauslachten, doch just bei diesen Szenen blieb mir das Lachen im Halse stecken. Klamauk ist meine Sache nicht! Den dümmlichen Fürst Go-Go gab der Countertenor Arno Raunig recht komödiantisch, den Großen Makabren spielte und sang der Bassbariton Martin Achrainer. Ihm gelang es eindrucksvoll, der grotesken Figur des Nekrotzar Profil zu geben. Überzeugend in der Rolle des Astradamors der britische Bariton Nicholas Isherwood, der erst kürzlich in Hindemiths Lehrstück an der Staatsoper in Berlin zu begeistern wusste. Köstlich auch sein Landsmann Brian Galliford als Piet-vom-Fass, der einen typischen Wiener Sandler darstellte.

 Sehr bühnenwirksam geriet der Auftritt der koreanischen Sopranistin Jennifer Yoon als surreale „Motorradbraut“, die Peitschen schwingende Mescalina wurde von der Mezzosopranistin Annette Schönmüller gespielt. Das Liebespaar Amanda und Amando – dargestellt von der ungarischen Sopranistin Júlia Bányai und der Wiener Mezzosopranistin Anna Manske – erwies sich als lesbisches Pärchen. Der Wiener Kammerchor erklang aus dem Hintergrund, war er doch auf den letzten Reihen des Zuschauerraums platziert. Ob er auch in den vorderen Reihen gut zu hören war, entzieht sich meiner Kenntnis. Das ambitioniert spielende amadeus ensemble-wien saß zum Teil im Orchestergraben, zum Teil in den hintersten Reihen der Halle. Unter der Leitung ihres Dirigenten Walter Kobéra, der auch Lehrbeauftragter für Moderne Musik an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien ist, gelang es dem Orchester, die collageartige Partitur, die mit Zitaten aus verschiedenen Epochen der Musikgeschichte – von Monteverdi bis hin zur Zwölftontechnik – aufwartet, routiniert wiederzugeben.

 Das Publikum in der ausverkauften Halle applaudierte allen Mitwirkenden höflich einige Minuten lang, Enthusiasmus war nicht aufgekommen.

 Udo Pacolt, Wien – München

 

 

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