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WIEN / Leopold Museum: POESIE DES ORNAMENTS

Ein Fest fürs Auge

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WIEN / Leopold Museum / Zweites Untergeschoß:
POESIE DES ORNAMENTS
Das Backhausen-Archiv
Vom 13. November .2024 bis zum 09. März 2025

Ein Fest fürs Auge

Design hat zu allen Zeiten seine Rolle in der Kunst gespielt. Aber so wichtig wie in der Epoche des Jugendstils war es selten, wo die „Wiener Werkstätte“ daran ging, das „Gesamtkunstwerk“ quasi total zu propagieren, künstlerische Gestaltung bis ins Detail der Alltagsgegenstände zu bringen. Wie wichtig Stoffe, Vorhänge,  Teppiche für den Gesamteindruck der edlen Räume von Repräsentationsgebäuden, aber auch  großer Villen reicher Privatpersonen wurden, hing in der Welt des „Wien um 1900“ (im breitesten Sinn von der Gründerzeit bis über die Weltkriege hinaus) in hohem Maße mit der Firma Backhausen zusammen, deren Name für edle Stoffe höchster Qualität  stand. Da das Leopold Museum das Archiv der Firma anvertraut bekam, konnte man nun die spektakuläre Großausstellung „Poesie des Ornaments“ gestalten.

Von Renate Wagner

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Die Firma Backhausen    Als ein junger Mann namens Jakob Backhausen (1789-1849) vor den Napoleonischen Kriegen aus dem Rheinland nach Wien floh, brachte er es hier zum Modewarenfabrikanten. Es waren seine Söhne Carl und Johann, die den Grundstein für jene Firma Backhausen legten, die (an Söhnen herrschte nie Mangel) über sieben Generationen (bei wechselnden Vornamen der jeweiligen Leiter und Besitzer)  in der Familie blieb und stets für ihre hochwertige Qualität bekannt war und ihre Produkte weltweit verkaufen konnte. Wieso es, nachdem man auch (mit Verlusten) zwei Weltkriege überstanden hatte, zum Zusammenbruch kam (2012 wurde Konkurs angemeldet), ist schwer zu durchschauen. Immerhin hatte die Firma noch ein relativ kurzes Nachleben, als Louise Kiesling (1957–2022), die aus dem Porsche-Piëch-Clan stammte, das Unternehmen kaufte und sich besonders dem kostbaren Archiv widmete. Nach ihrem Tod haben ihre Söhne das Unternehmen allerdings nicht weiter geführt, das 2023 seine Existenz beendete.

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Das Archiv    Offenbar hat man fast von Anfang an großen Wert auf saubere Buchführung gelegt, was heute zu einer kulturhistorischen Kostbarkeit von etwa elftausend Objekten angewachsen ist. Glücklicherweise ist das Archiv nach dem Tod von Frau Kiesling dem Leopold Museum als Dauerleihgabe überlassen worden (das Haus war die beste denkbare Wahl, den Schatz zu hüten). Hier konnten die Kuratorinnen Ursula Oswald-Graf und Aline Marion Steinwender nun unter tausenden Originalentwürfen von über 300 Künstlern auswählen und in 250 Exponaten den „Zauber des Ornaments“ beschwören, wie der Titel der Ausstellung so richtig verheißt. Wenn man in vielen auf „Lebensgröße“ aufgeblasenen (Schwarzweiß-)Fotos der Orte, wo Backhausen-Stoffe walteten, den Zusammenhang zwischen Entwurf und Realität herstellt, ist dies gewissermaßen der „Meister-Trick“ der Ausstellung.

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Aber man hat nicht nur die reichen Damen in ihren Salons, von Backhausen-Stoffen umschmeichelt, gezeigt. Es gibt etwa auch eine Fotografie der Frauen, die in den Fabriken (produziert wurde im niederösterreichischen Hoheneich und dem heute tschechischen Chotěboř) aufgereiht an den Maschinen saßen, um die Stoffe herzustellen…

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Entwurf und Realisierung   Die hohe Zeit von Backhausen ging Hand in Hand mit der Gründung der „Wiener Werkstätte“, wo der Jugendstil sich auf die gesamte Einrichtung von Häusern erstreckte – und man Vorhänge, Teppiche, Möbelstoffe benötigte, deren Muster  von Künstlern geschaffen wurden (einige Stühle stehen elegant und einsam in der Ausstellung herum). Otto Wagner und Kolo Moser standen am Beginn der Zusammenarbeit der Firma mit den herausragendsten Künstlern ihrer Zeit, aber es war vor allem Josef Hoffmann, dessen Arbeit  über 40 Jahre lang mit Backhausen verbunden war. Man sieht als Beispiele (Interieur-Fotos und die Entwürfe daneben), was er für das Palais Stoclet in Brüssel schuf, für das Sanatorium Purkersdorf (noch heute zu besichtigen), für die reiche Familie Primavesi und für Sonja Knips, die durch das atemberaubend schöne Porträt berühmt geworden ist, das Klimt von ihr malte und das von Hoffmann in einen Salon quasi hinein komponiert wurde. Wer reichlich Geld und Geschmack hatte, leistete sich Wohnungseinrichtungen bedeutender Künstler der Zeit.

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Die grenzenlose Vielfalt der Muster   Ist der Blick in die Innenräume, kombiniert mit den Entwürfen, in hohem Maße auch kulturhistorisch relevant, so sprechen die Entwürfe an sich für den Einfallsreichtum der Künstler. Es gibt nichts, was es hier nicht gibt – Florales ist ebenso vertreten wie Assoziatives an Tiere, Menschen, Objekte, es gibt Zitate wie griechische Meander und Geometrisches jeder Form, Ecken und Rundungen, Kleinteiliges und Großzügiges, Grellfarbiges und Pastelliges Verästeltes und Strenges… Die Vielfalt scheint keine Grenzen zu kennen. Es ist ein Fest fürs Auge, wie man es nicht jeden Tag erlebt, und das zeigt, was Kunst, losgelöst von realen Vorgaben, auch vermag.

Leopold Museum
POESIE DES ORNAMENTS
Das Backhausen-Archiv
Vom 13. November .2024 bis zum 09. März 2025
täglich außer Dienstag  10 bis 18 Uhr, an Feiertagen geöffnet,
ww.leopoldmuseum.org

 

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