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WIEN/ Konzerthaus: DAS LEBEN AM RANDE DER MILCHSTRASSE von Bernhard Gander. Staffel 1 / Folge 1-3

01.11.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Sitcom-Oper im Wiener Konzerthaus: „Das Leben am Rande der Milchstraße“ von Bernhard Gander

(Staffel 1 / Folge 1 – 3 Vorstellung: 31. 10. 2014)

Unbenannt

 Im Rahmen des Musikfestivals „WIEN MODERN 14“, das zum 27. Mal stattfindet und vom 29. 10. bis 21. 11. 2014 zahlreiche Veranstaltungen bietet, kommt zum ersten Mal in Wien eine Sitcom-Oper in drei Staffeln zur Aufführung: „Das Leben am Rande der Milchstraße“ von Bernhard Gander. Die Oper, deren humorvolles, satirisches Libretto Johannes Heide und Christa Salchner verfassten, wird in 7 Folgen (3 Staffeln) gezeigt.

 Der Inhalt dieser „Situationskomödie“, die nach dem Vorbild diverser Fernsehserien gestaltet ist, in einer kurzen Zusammenfassung: Das EBF – European Bureau for Future – mit Sitz in Österreich (Klosterneuburg, Milchstraße 142a) ist eine international vernetzte Denkfabrik. Im Rahmen geplanter Einsparungsmaßnahmen wird das Büro einer umfassenden Evaluierung unterzogen. Mit der Überprüfung der Effizienz beauftragt Brüssel einen seiner fähigsten Agenten, Leo Maria Blum. Im Vorfeld seiner Recherchen hat er herausgefunden, dass der  Leiter des EBF, ein gewisser Jürgen Oder, sein biologischer Vater ist. Bloom malt sich aus, wie er einerseits das Büro auf Vordermann bringt, andererseits seinen Vater kennenlernt und somit die in seinem Leben schon lange wahrgenommene Leere füllt. Gemeinsam mit seiner ehrgeizigen Assistentin Imogen Wirth macht er sich auf den Weg nach Wien…

 In der 1. Folge mit dem Titel „Der Agent aus Brüssel“ lernt Leo mit seiner Praktikantin Imogen das EBF kennen und muss feststellen, dass es um das ehemalige Prestigeprojekt schlimmer steht als befürchtet. – In der 2. Folge, „Das Hollywood-Prinzip“ genannt, macht Leo in einem Wandschrank einen seltsamen Fund: Dutzende Ordner mit halbfertigen Gesetzesentwürfen und abgebrochenen Studien, die in seinen Unterlagen mit keiner Silbe erwähnt sind.  – Die 3. Folge mit dem Titel „Halloween – es kommt (fast) immer auf die Größe an“ passte ideal zum Aufführungsdatum 31. Oktober. Leo muss an Leib und Seele erkennen, dass Halloween im Europäischen Büro für Zukunft etwas ganz Besonderes ist und sogar in einen Wettkampf um den größten Kürbis gipfelt (Zitat: „Richard Wagner mag keinen Kürbis!“).

 Die flotte Inszenierung von Nicola Raab forderte das Sängerensemble vor allem schauspielerisch. Da alle mit den hässlichen Wangenmikrophonen ausgestattet waren, hatten die Sängerinnen und Sänger stimmlich auch bei noch so extremer Lautstärke der Musik keine Probleme. Die karge, aber passende Büro-Ausstattung besorgte Alexandra Burgstaller, das Lichtdesign Thomas J. Jelinek.

 Den Agenten Leo Maria Blum spielte der deutsche Bariton Benjamin Appl recht forsch, wobei er seine stetig steigende Verzweiflung eindrucksvoll darstellte. Köstlich agierte die junge österreichische Sopranistin Theresa Dlouhy als schlaue und ehrgeizige Praktikantin.

Mit äußerst dunkel gefärbter Stimme wartete der amerikanische Bass Nicholas Isherwood als Bürochef Jürgen Oder auf, der ebenso wie sein Mitarbeiter-Team mit großer Spielfreude agierte und das Publikum immer wieder zum Lachen reizte – ebenso wie der Countertenor Bernhard Landauer in der Rolle als stets forschender Kevin von Széchenyi.  Seine Kasperliaden regten die Lachmuskeln der Zuschauerinnen und Zuschauer besonders an.

 Mit unglaublichem Stakkato-Gesang wartete die aparte, aus Nigeria gebürtige afro-österreichische Sopranistin Bibiana Nwobilo auf. Auch schauspielerisch punktete sie immer wieder mit komödiantischen Szenen. Die aus London gebürtige österreichische Mezzosopranistin Anna Clare Hauf als Donatella Weyprecht spielte hingegen die ruhige, abgeklärte Bürokraft.

 Der im Jahr 1969 in Lienz geborene Komponist Bernhard Gander – er studierte am Tiroler Landeskonservatorium Klavier, Tonsatz und Dirigieren und an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Graz Komposition – schuf für die etwa 25 Minuten dauernden Folgen eine teils sehr expressive Musik mit eher kurzen Arien für Sprechgesang, aber auch an Filmmusik erinnernde Hintergrundmusik. Auch Beethoven-Zitate waren zu hören. Zur Musik zwei Zitate des Komponisten aus einem Interview aus dem „Falter“, Nr. 43a/14, das von Heinz Rögl und Armin Thurnher geführt wurde: „In der Musik bin ich ein wenig traditionell leitmotivisch vorgegangen, also: Jede Person hat ein klar erkennbares Motiv und ein tendenziell zugeordnetes Instrument, mit dem man vorbereiten kann, dass etwas gesungen werden wird.“ — „Ich mag Lautstärke und Energie.“

 Dass der Komponist Lautstärke mag, war unüberhörbar. Unter der Leitung von Simeon Pironkoff spielte das siebenköpfige Ensemble PHACE die Partitur des Komponisten manchmal so laut, dass es schmerzhaft in den Ohren klang. Das nicht nur junge Publikum war begeistert und applaudierte allen Mitwirkenden und dem Regieteam am Schluss frenetisch und lange, wobei sich auch kreischendes „Jubelgeschrei“ in den Beifall mischte. Man passte sich eben der Lautstärke an…

 Udo Pacolt

 PS: Die Staffel II (Folgen 4 bis 6) wird am 7. und 8. 11., die Staffel III (Folge 7 / Finale) am 21. 11. im Berio-Saal des Wiener Konzerthauses aufgeführt.

 

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