Fotos: Theater in der Josefstadt
WIEN / Theater in der Josefstadt:
EIN SOMMERNACHTSTRAUM von William Shakespeare
Premiere: 20. November 2025,
besucht wurde die Generalprobe
Gerangel im Zauberwald
Der „Sommernachtstraum“ ist eines der populärsten und folglich abgespieltesten Stücke von William Shakespeare. Nicht einfach, sich dazu etwas auszudenken, um die alte Geschichte frisch zu machen. Josef E. Köpplinger ging im Theater in der Josefstadt bemerkenswert unbefangen ans Werk – und mit Erfolg. Gestriges, Heutiges in einer Art Zeitlosigkeit bunt gemischt, nur ein Fahrrad auf der Bühne ist so etwas von überflüssig! Denn magische Welten sollte man nicht unbedingt mit aktuellen (und noch dazu so unnötigen) Versatzstücken stören.

Der Abend bietet schon mit dem Bühnenbild von Walter Vogelweider praktisches, ökonomisches Theaterhandwerk. Die Drehbühne ist durch Treppen mit dem Zuschauerraum verbunden, was gelegentliche Interaktion erlaubt. Die Wand auf der einen Seite grenzt die höfische Welt des herzoglichen Athen von Theseus und Hippolyta ab, auf der anderen Seite tummeln sich die Handwerker, also die törichte Gegenwelt. Dreht sich die Bühne und öffnet ihre breite Mitte, bedarf es nicht mehr als eines riesigen Mondes, ein paar großen Leuchtstoffröhren für Lichteffekte und vieler, vieler herbstlich gefärbter Blätter, um den Zauberwald von Oberon, Titania und Puck zu beschwören.
Diese drei Welten sind solcherart relativ mühelos auf einen Nenner zu bringen, wobei es die vier jungen Leute waren, die Köpplinger am meisten interessiert haben. Da hat ein entrüsteter Vater (Michael König) nicht viel zu vermelden. Es herrschen Liebe, Lust und Leidenschaft, vergebliches Begehren, schnell umkippende Gefühle, jugendliches Toben, weil jeder naturgemäß haben möchte, was er will, es aber zwischendurch nicht unbedingt bekommt (am Ende natürlich schon). Das kann poetisches Gehopse sein – hier wird es geradezu zur Schlacht wilder, jugendlicher Kraft. Da dürfte Ricarda R. Ludigkeit (für Regiemitarbeit und Choreographie angeführt) eine Menge gearbeitet haben, denn was das Quartett hier leistet, grenzt an turnerische Kunststücke, tobt sich wahrlich meisterlich über die Bühne.
Das obliegt Juliette Larat (die immer wieder mit ihrer dunklen Stimme verblüfft) als Hermia und der Helena von Melanie Hackl (die ihrer Mutter Maria Köstlinger wie aus dem Gesicht geschnitten ist). Müsste man sich entscheiden, so würde Julian Valerio Rehrl den Vogel abschießen, aber auch Tobias Reinthaller hält sich wild und wacker. Es ist dieses Quartett, das den Abend beherrscht.

Und das verwundert ein wenig, denn normalerweise sind es die Handwerker, die die Show stehlen. Aber da hat der Regisseur eingebremst, die „Meisters“ sind liebe, dumme Kerle, die sich ganz ernst nehmen und auch bei ihrer Vorstellung nicht auf das brüllende Lachen des Publikums abzielen – einzig Robert Meyer darf, wie auch anders, von Zeit zu Zeit so richtig loslegen.
Denkt man freudlos daran zurück, welch müden Trupp von trüben Tassen das Burgtheater zuletzt 2023 in der Regie von Barbara Frey auf die Bühne geschickt hat, so machte die Josefstadt nicht denselben Fehler: Da wurde jede Rolle hochrangig besetzt, wenn auch der meist großartige Wolfgang Hübsch nicht ganz die schusselige Betriebsamkeit des Peter Squenz erfüllte. Köstlich Günter Franzmeier, ob als Schnock, als Wand oder als Löwe, geradezu berührend Boris Pfeifer, wenn sein Flaut schüchtern die Thisbe zirpt, und hochgradige Ergänzung Johannes Seilern, auch wenn er nur der Mond sein darf…
Und natürlich Zettel, der Mann, der mißbraucht wird, per Eselskopf Titania zu beschämen und der am Ende mit großem Pathos alle Rollen des Stücks, das die Handwerker zur Hochzeit von Theseus und Hippolyta aufführen, an sich reißen möchte. Robert Meyer bekommt an der Josefstadt noch eine glänzende Alterskarriere – hoffentlich bleibt es auch nach dem Direktionswechsel dabei.

Die beiden Fürstenpaare werden, was oft der Fall ist (es geht allerdings auch anders) mit denselben Schauspielern besetzt. Michael Dangl ist als Theseus locker und souverän, als Oberon geradezu tückisch. Sandra Cervik (lange nicht gesehen) muss als Hippolyta die ganze Zeit im Schlafrock agieren (warum? Kostüme: Alfred Mayerhofer) und schlechte Laune versprühen – sie wird keine liebenswürdige Ehefrau sein. Titania ist das schon lange nicht mehr, hier darf sich negatives Temperament zeigen, das jenem des Gatten ebenbürtig ist.
Was bleibt? Puck natürlich. Mit dem kann man bekanntlich alles machen. Der kann ein boshaft kicherndes kleines Mädchen sein – oder fast ein Teufel-Ersatz, wie Alexander Absenger ihn mit bedeutender Kraft ausstattet und klar macht, dass es in Shakespeares Zauberwald eigentlich nicht gemütlich zugeht. Schließlich sind es auch seine Tricks, die dazu führen, dass sich die jungen Leute dermaßen durch den Wald rangeln müssen, bis man sich endlich zu ihrem Happyend erbarmt.
Köpplinger hat dem Abend noch eine Schar Höflinge und Sänger beigefügt, die Madrigale aus der Elisabethanischen Zeit anstimmen, was der Produktion eine Art historisierenden Rahmen und höfisches Zeremoniell hinzufügt. Und das zu jungen Leuten von heute. Solcherart ist die Shakespare-Übung in aller Vielfalt gelungen.
Renate Wagner

