WIEN/ Ankerbrotfabrik/ Expedithalle: Klingeling mit den vier Gratellis- Premiere am 12.10.2012
Komödiantisches Musiktheater von und mit Bernd Jeschek in der Wiener Loft City
Foto: Privat
LOFT CITY. Das ist eine interessante Adresse in der Wiener Kulturszene, eine noch relativ neue. Mit Blickrichtung auf aktuelle Tendenzen in der Kunst.
Hinter dem neuen Wiener Zentralbahnhof gelegen. Nun ja, nicht so ganz direkt dahinter. Und an Wiens neuem Bundesbahn-Stolz wird ja auch noch gebaut. Also, dort weiter hinten in Favoriten, in den weiträumigen Lofts (man registriere die Benennung: es geht hier dem Zeitgeist nach) der Ankerbrot Fabrik, wo heute nur mehr in reduzierterem Maße Brötchen gebacken werden, ist man um Modernes bemüht. So erfolgreiche Kunsthändler wie Ernst
Hilger (BROT–Galerie) oder Peter Coeln (Fotogalerie Ostlicht) haben sich bereits eingemietet. Frisch präsentierte sich gerade SELLEMOND als Kunstraum, in dem Malerei, Musik und die anderen Kunstsparten verknüpft werden sollen. Und dann, vor allem: Da steht die große ehemalige ANKER Expedithalle. Großräumig und echt attraktiv. Und mit ausgezeichneter Akustik (allerdings nicht so für dezenteres Musizieren). Jedoch bitterkalt bei kaum erwärmenden Temperaturen, und somit ist demnächst die Sperrstunde für eine monatelange Winterpause angesagt.
In diese Expedithalle ist jetzt schnell noch Schauspieler Bernd Jeschek mit seinem theater 04 hineingeschlüpft. Dieses war früher schon aktiv, möchte nun aber besser ins Geschäft kommen. Mit der kleinen Musikrevue „die gratellis“. Und da Jeschek ein beliebter Theatermann der Wiener Szene ist, wagt er es mit der Sponsoren-Starthilfe von kunstsinnigen Wirtschaftskapitänen wie Hans Peter Haselsteiner, Herbert Liaunig, Franz Wohlfahrt und einigen Prominenten mehr. Zum Uraufführungs-Einstand haben sich diese auch eingefunden. „die gratellis“ sollen nun herumgereicht werde. Mehrere Aufführungen in Deutschland und Österreich sind gebucht, und die vier Gratellis werden auf ihren Reisen sicher noch besser in ihre Rollen hineinwachsen und auch zielsicherer die angepeilten Effekte auskosten können.
Vorteilhaft: Bernd Jescheks Idee kann unterhalten. Und es ist keine teure Produktion. So geht´s lang: Ein Vater, erfolgloser Staubsaugervertreter, muss sich mit seinen drei Töchtern, alle von verschiedenen Ex-Gattinen, herumschlagen und versucht sich mit ihnen im Showbiz zu. Jeschek als Autor und Regisseur und Vater Franco Gratelli und als erzählender, singender, fidelnder, den Gong schlagender Komödiant in den verschiedensten Vermummungen. Zu bändigen hat er drei Damen, die alle als professionelle Musikerinnen ausgebildet sind und auch ganz ungeniert ihre Vorzüge zeigen und sich ausleben dürfen. Mit gelegentlich etwas ungestümer Trommelei sich auf einem Fleckerlteppich bewegend: Schlagwerkerin Ingrid Oberkanin, Sängerin Monica Reyes, Violinistin Johanna Kugler. Und sie tragen ihre eigenen Liedchen und Texte mit teils feinsinnigem, teils skurrilem Humor vor, ohne allzu kräftig zuzubeißen. Daraus ergibt sich ein überwiegend sanftes und intim getöntes Potpourri, jedoch noch keine spannende Story. Es riecht nach Zimmertheater, zum Glück aber nicht nach ausgetretener Show-Schablone. Als kreatives Musizieren und Phantasieren ist dieses Unterfangen zu werten, und somit haben sich STRABAG und Humanic und Ottakringer für das Klingeling der vier Gratellis schon sehr verdient gemacht.
Meinhard Rüdenauer