Fotos: Barbara Zeininger
WIEN / Burgtheater:
DER DIENER ZWEIER HERREN von Carlo Goldoni
Premiere: 22. Mai 2016
Man ist versucht anzunehmen, dass das Burgtheater zu wenige attraktive Titel hat, die das Publikum in Scharen ins Haus holen, und dass Karin Bergmann, wie jede tüchtige „Prinzipalin“, die Konsequenzen zieht – Goldonis „Der Diener zweier Herren“ gilt seit 270 Jahren (so alt ist das gute Stück mittlerweile) als Komödienklassiker, zusätzlich noch als ein Höhepunkt der Commedia dell’arte. Bei passender Besetzung ist der wirbelige „Servitore“ ein garantierter Kassenmagnet – und das möchte man auch für diese Inszenierung erwarten. Auch wenn sie im Grunde zu deftig, zu sehr unter der Gürtellinie, zu unappetitlich ausgefallen ist – Regisseur Christian Stückl hat zweifellos den Geschmack eines Zeitgeistes gefunden, in welchem der Holzhammer mehr gefragt ist als die feine Klinge.
Stückl ist der Mann, der in Oberammergau bei den Passionsspielen so fest durchgegriffen hat wie beim Salzburger „Jedermann“, und nun setzt er bei Goldoni total auf Stil. Es stehen keine Menschen, sondern bewusste Karikaturen auf der Bühne, was sich schon durch die optische Verballhornung so mancher Protagonisten zeigt – die hübsche Mavie Hörbiger bekam eine fürchterliche Riesennase ins Gesicht geklackst und ist nicht mehr hübsch, Peter Simonischek sieht mit den aufgeklebten schiefen Riesenzähnen einfach nur töricht aus, Andrea Wenzls Frisur macht ein Schreckgespenst aus ihr, und wer sich nicht so exzessiv verhässlichen lassen musste, darf sich wenigstens wie ein Idiot aufführen.
Versetzt wurde das Spiel, das die klassischen Typen der Commedia dell’arte (die komischen Alten, die jungen Liebenden, die pfiffigen Diener) auf die Bühne bringt, mit Hilfe einer ziemlich wild-heutigen Bearbeitung irgendwann in die Mitte des vorigen Jahrhunderts. Von Mafia war die Rede, weil nicht nur die Anzüge der Herren, sondern auch der regelmäßige Gebrauch von Pistolen daran erinnert. Aber da man nicht in einer Realwelt ist, ist auch alles erlaubt, ohne dass man mit Logik drohen dürfte.
Markus Meyer, Christoph Radakovits
In einem Wirtshaus ohne besondere Eigenschaften (Ausstattung: Stefan Hageneier) stehen zwei verschiedene Wirtsräume auf einer Drehbühne, die sich oft bewegt und damit auch das Hin und Her der Aktionen noch verstärkt. Hier sorgt Christian Stückl für die Turbulenzen der Handlung, wobei Slapstick sowohl der verzerrten Körperhaltungen wie der üblichen Ausrutsch- und Hinfall-Katastrophen ja aus dem Original kommt. Auch war man im 18. Jahrhundert sicher nicht fein – aber wie oft da zwischen die Beine gegriffen wird, ist dann gar nicht mehr lustig, und noch weniger, wenn Truffaldino einen schon gegessenen Pudding wieder ausspuckt, um ihn in einem Schüsselchen dem Pantalone zu servieren. Wer darüber lacht, hat keinen empfindlichen Magen…
Also stolpern und toben sie über die Bühne, rund um Truffaldino, dem natürlichen Zentrum jeder „Diener“-Aufführung: Markus Meyer hat die Beweglichkeit, die Frechheit, die Kraft der Verzweiflung, wenn er von eine Bredouille in die nächste stürzt, nur die Poesie des ewig Hungrigen hat er nicht. Das heißt, er könnte sie vermutlich mitbringen, aber sie ist in dieser Karacho-Aufführung so gar nicht vorgesehen.
Johann Adam Oest, Peter Simonischek
Zwei ältere Herren machen sich zwar auch lächerlich, aber sie tun es mit so viel Niveau, dass Peter Simonischek und Johann Adam Oest die Säulen eines Abends sind, in dem sich sonst viel Jugend tummelt. Einige kennt man – Andrea Wenzl ist wieder da, darf aber zu wenig die junge Frau in Nöten im Männergewand spielen, sondern ist einfach nur ein gar nicht sympathischer Rotzlöffel. Mavie Hörbiger sieht nicht nur, ganz in Schwarz, schrecklich aus, sie muss auch Smeraldina (an sich eine der frechen, anmutigen Zofen) als wahre Schreckschraube spielen. Keine Frage, Stückl wollte es „anders“.
Andrea Wenzl, Irina Sulaver
Ganz neu für Wien ist Irina Sulaver, die Pantalones Tochter Clarice zwar bis zum Exzess zicken muss, das aber mit hinreißender Verve tut. Zwei junge Herren, Sebastian Wendelin (Florindo) und Christoph Radakovits (Silvio), toben um ihre Liebsten und tun es bei aller gewalttätiger Lautstärke ganz komisch. Dass man mit Hintergründigkeit mehr Witz erzielt, zeigen Hans Dieter Knebel und, mit Abstand, Stefan Wieland als sein Kellner. Manchmal ist es gut, sich eher am Rande des Geschehens zu befinden, da wird man von der Regie in Ruhe gelassen und kann eine vernünftige Figur auf die Bühne stellen…
Dass der „Diener zweier Herren“, auch wenn er stilistisch ziemlich undifferenziert und unentwegt sehr lautstark durchgezogen wird, dennoch funktioniert, war zu erwarten. Der Publikumserfolg wurde von erleichtertem Lachen durchsetzt – man erkannte das Stück, man durfte sich unterhalten, die Zuschauer sind ja so bescheiden geworden.
Renate Wagner