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WIEN / Belvedere: STADT DER FRAUEN

WIEN / Unteres Belvedere:
STADT DER FRAUEN
KÜNSTLERINNEN IN WIEN 1900-1938
Vom 25. Januar 2019 bis zum 19. Mai 2019

 

Das Wollen und das Können

 

Obwohl es zahllose Beispiele für die außerordentliche Leistungsfähigkeit und Kreativität der Frauen in der Geschichte gab, galten sie lange Zeit ganz selbstverständlich als den Männern unterlegen. Die Unterdrückung währte bis ins 20. Jahrhundert und machte den Frauen gewisse Berufe schwer. Auch künstlerische – wie den der Malerin, mehr noch der Bildhauerin. Und doch – viele wollten es, viele konnten es auch, und immer wieder haben sich Frauen in diesem Genre durchgesetzt. Allerdings sind zu wenige mit ihren Leistungen im Bewusstsein geblieben Dagegen tritt nun eine Großausstellung im Unteren Belvedere an.

Von Heiner Wesemann


Fotos: Wesemann

Von Gnaden der Männer Wenn sie nicht in die Rolle der Herrscherin hineingeboren wurden (und sich glorios bewährten, von Elizabeth I. bis Maria Theresia), hat eine Männergesellschaft den Frauen wenig Raum gelassen: Kinder, Küche, Kirche trifft es, Kunst war kaum vorgesehen. Alles stellte sich ihnen entgegen, von Ausbildungsverboten über eine alles behindernde Mode (wie wollte man im Korsett Steine bearbeiten, wenn man Bildhauerin sein wollte?) bis zur Herablassung der Männerwelt, die den Kunstbetrieb vollkommen beherrschte. Und doch es gab auch andere Beispiele wie Gustav Klimt, der Frauen als Künstlerinnen förderte und ihnen Platz in den Secessions-Ausstellungen einräumte. Auch andere Männer haben, vom Talent der Frauen überzeugt, Platz gemacht. Tatsächlich haben sich zahlreiche Frauen durchgesetzt, konnten ihre Arbeiten zeigen, sich in Vereinen zusammenschließen, ins Ausland gehen und dort reüssieren – und Werke schaffen, die nun in 260 Exponaten (meist Ölgemälde, auch Graphik, Skulptur, Illustrationen) eindrucksvoll über den Besucher des Unteren Belvederes „hereinbrechen“. Die Kuratorinnen haben gesucht und an den abgelegensten Orten auch „privat“ gefunden – vieles ist überhaupt erstmals zu sehen.

Von der Secession bis in die dreißiger Jahre Die Ausstellung ist weitgehend chronolgisch gegliedert und führt vom Jugendstil bis zum Kinetismus, bis die Zäsur von 1938 „Frauenkunst“ beendete – nicht nur die jüdische (viele Künstlerinnen mussten fliehen), sondern weitgehend auch die „arische“, wenn man sich nicht, wie Stephanie Hollenstein (die fairerweise auch ausgestellt wird – sie malte ja nicht schlecht) dem Regime anbiederte. Dieser Ablauf belässt die Werke einzelner Künstlerinnen weitgehend jeweils zusammen. Die Ausnahme stellt Broncia Koller-Pinell da – sie kommt immer wieder vor, in so vielen Stilen hat sie sich umgetan.

Die Frau als Hexe Der erste Raum wird von bildhauerischen Arbeiten bestimmt, wobei gleich die erste Figur dem Betrachter wie eine Provokation entgegen blickt: Es ist die „Hexe bei der Toilette für die Walpurgisnacht“, die von der russischen, lange in Wien tätigen Künstlerin Teresa Feodorowna Ries 1895 geschaffen wurde. Die Frau als Hexe, als Bedrohung, zumal, wenn sie wagte, in männlichen Revieren zu wildern – solcherart ist diese ungemein kraftvolle Figur von höchster Aussagekraft. Sie hat sich einst – Provokation! – leicht vorgebeugt mit einer Gartenschere die Zehennägel geschnitten! Hand und Schere hat man ihr wohl in Empörung abgebrochen. Nur ein Foto legt noch Zeugnis davon ab. (Die Ausstellungskuratorinnen Sabine Fellner und Katharina Lovecky sind für den Besucher nicht nur großzügig mit schriftlicher Information zu den Künstlerinnen, sie haben auch immer wieder alte Fotos gesucht und gefunden, um Werke in ihrem einstigen Zusammenhang zu präsentieren.) Von jener Teresa Feodorowna Ries stammt auch das Plakatsujet – das Selbstporträt von 1902, das dem Betrachter so herausfordernd entgegenblickt. Andere Bildhauerinnen zeigten, dass man auch Repräsentationsaufträge an Frauen vergab, etwa die Brahms-Büste für den Friedhof an Ilse Twardowski-Conrat.

Nicht nur, aber auch: Blumen und Landschaften Die Ausstellung wirft die alte Frage auf, ob es tatsächlich eine „Frauenkunst“ gibt. Wenn schon, dann wollte man sie klein machen – wie es in Schnitzlers „Komtesse Mizzi“ heißt, die Komtesse male eben ihre „Blumerln“… Nun gab es ja in Österreich Emil Jakob Schindler, der von keinerlei Konkurrenzängsten getrieben wurde und ein Talent wie Marie Egner unterrichtete. Österreich hatte in Tina Blau eine unikate, allseits anerkannte Meisterin, wie auch in Olga Wisinger-Florian, an deren „Fallendem Laub“ man sich in der Ausstellung nicht satt sehen kann, so meisterlich ist es gemalt. Der österreichische „Stimmungsimpressionismus“ hat große Frauennamen, und sie malten Landschaft nicht, weil sie nichts anderes durften, sondern weil sie es konnten wie wenige sonst. Auch Emilie Mediz-Pelikan stellte einen Höhepunkt der Landschaftsmalerei dar.

Frauen malen Frauen Noch einmal: Gibt es eine „Frauenkunst“? Gewiß nicht. Die Themen sind dieselben (auch für Männer waren Frauen Lieblingsobjekte, ob nackt, ob angezogen), die Techniken sind dieselben, und man wird auch nicht gewaltsam andere Blickwinkel entdecken wollen, wo keine da waren. Kein Bild der Ausstellung legt allerdings nahe, dass Frauen – wie bei Makart, ja, auch wie bei Klimt – als „schöne Objekte“ betrachtet wurden: Ob Lilly Steiner Frauen neugierig in die Welt blicken lässt, ob Helene von Taussig eine nackte Frau nicht schöner macht, als sie üblicherweise ist – es gibt kein Bild hier, das man unter „gefällig“ einordnen könnte.

Weg in die Moderne Von Raum zu Raum schreitet man durch die Strömungen, die die Malerei kennzeichneten und denen die Frauen genauso folgten wie die Männer (es gibt Bilder von Broncia Koller-Pinell, die einfach „Gauguin“ als Inspiration zu rufen scheinen). Ist man beim Kinetismus angelangt, hat Österreich mit Erika Giovanna Klien eine Künstlerin zu bieten, deren Name fest mit dieser Kunstrichtung verbunden ist (und man sieht, eine ganze Wand entlang, „Gang durch die Großstadt“, 1923). Dass Frauen auch aktiv übergreifend am Kunstleben mitarbeiteten, sieht man an dem Plakat für Kreneks Oper „Johnny spielt auf“ von Bettina Ehrlich-Bauer. Von ihr wird immer wieder erzählt – und vielleicht ist das auch typisch -, dass sie zuerst die Werke ihres Mannes in die Emigration rettete, das meiste von ihr ging verloren, ist heute nur noch auf Fotos nachvollziehbar… Man kann nicht alle nennen, deren Kunst nichts anhaftet, was man negativ als „weiblich“ bezeichnet hätte – zum Beispiel den souveränen, wilden, kraftvollen Stillleben von Helene Funke. Wahrscheinlich muss man sich diese Ausstellung öfter ansehen und dann (wie auch bei männlichen Malern) seine Favoriten herausfinden.

Unteres Belvedere:
Stadt der Frauen. Künstlerinnen in Wien 1900-1938
Bis 19. Mai 2019
Täglich 10 bis 18 Uhr, Freitag 10 bis 21 Uhr

 

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