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WIEN / Belvedere: DALI – FREUD

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Alle Fotos: Belvedere

WIEN /  Unteres Belvedere  / Orangerie:: 
DALI – FREUD. EINE OBSESSION
Vom 28. Jänner 2022 bis zum 29. Mai 2022  

Freud und Dali –
eine Therapie

Mit Ausnahme von Werken aus der Frühzeit ist Salvador Dali nicht gerade für seine Porträts bekannt. Doch im Jahre 1938 zeichnete der nervöse 34jährige in London das Bild eines alten, fast glatzköpfigen Mannes mit runder Brille und verwitterten Gesichtszügen. Dennoch erkennt man Sigmund Freud sofort. Was es damit auf sich hat, zeigt das Belvedere nun in der Ausstellung „Dalí – Freud. Eine Obsession“. Ausstellungen zu machen, bedeute, „Geschichten zu erzählen, von Menschen zu erzählen“, sagt Belvedere-Direktorin Stella Rollig. Seit 2014 arbeitet sie schon an dem Thema, das nun endlich, mit pandemiebedingter zweijähriger Verspätung, an den Start geht. Und dabei wird das Untere Belvedere (in diesem Fall die Orangerie) nach längerer Pause wieder zugänglich gemacht.

Von Heiner Wesemann

Die Obsession    Der Wiener Arzt Sigmund Freud (1856-1939), als „Vater der Psychoanalyse“ bezeichnet, begann in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts mit seinen Veröffentlichungen, wobei nach „Studien über Hysterie“ (1895) die „Traumdeutung“ (1900) weltweit Beachtung fand. Es folgten Standardwerke wie „Zur Psychopathologie des Alltagslebens“ (1904) oder „Totem und Tabu“ (1913).  Diese Bücher erschienen ab 1923 in spanischer Sprache. Es ist zu belegen, dass der damals 22jährige Salvador Dali (1904-1989) sie ab 1926 las und dass sie für ihn das bedeuteten, was man einen „Eye Opener“ nennen kann, der ausgesprochen therapeutisch auf ihn wirkte. Kurz gesagt, fand er hier Elemente seines verkorksten Innenlebens wissenschaftlich dargestellt. Es muss wie eine Erlösung über ihn gekommen sein – wenn Dali, der junge Künstler, sich nach und nach dem Surrealismus zuwandte, so kann man sagen (wie diese Ausstellung darzustellen sucht), dass es Freud war, der aus Dali – Dali machte.

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Der leidenschaftliche Wunsch, Freud persönlich zu begegnen, erfüllte sich zwar nicht 1937 in Wien, wohl aber 1938 in dessen Londoner Exil. Dalis ehrgeiziger Wunsch, mit seiner mittlerweile auch theoretisch formulierten „paranoisch-kritische Methode“ von Freud anerkannt zu werden, erfüllte sich zwar nicht. Aber der „junge Spanier mit seinen treuherzigen Augen und seiner unleugbaren technischen Meisterschaft“, wie Freud selbst niederschrieb, hat den Psychoanalytiker zumindest von seiner Skepsis dem Surrealismus gegenüber befreit. Dieser  dürfte ihm bis dahin eher als Masche, denn als genuine Kunstform erschienen sein.

Dalis erste dreieinhalb Jahrzehnte    Die Epoche, in der Dali er selbst wurde und die immerhin eineinhalb Jahrzehnte lang so eng mit seiner Freud-Obession verbunden war, ist Thema der Wiener Ausstellung. Kuratiert hat sie der  spanischen Dali-Fachmann Jaime Brihuega Sierra. Es ist freudsches Denken, dabei auf die Kindheit zurück zu gehen und hier im familiären Rahmen Verletzungen zu suchen, die zu späteren Zwangsvorstellungen führen konnten. Es gibt übrigens eine interessante Parallele zu Freud – Dalis brutaler Vater, der seine Jugend überschattete, hatte ein Verhältnis mit der Schwester seiner Frau. Dasselbe sagt man  Sigmund Freud nach… Große Veränderungen mussten eintreten, dass aus dem schüchternen Kind dann jener geniale Selbstdarsteller Dali wurde, dem kein Trick zu billig war, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Weitere Stufen seiner Entwicklung zeigen den jungen Dali in der künstlerischen Szene Spaniens, an der Seite von Lorca oder Luis Bunuel. Seine Zuwendung zum Surrealismus brachte den großen Ruhm: Schon  1936 fand er sich, fotografiert von Man Ray, auf dem Cover des Time Magazine. Zu dieser Zeit war er auch schon mit der zehn Jahre älteren Russin Gala verheiratet, eine klassische Künstler-Muse und eine Geschäftsfrau, die zur Vermarktung der „Marke Dali“ entscheidend beitrug. Die Ausstellung endet mit der obsessiv ersehnten Begegnung mit Freud.

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Die Reise nach Innen führt in Abgründe    Obwohl die Ausstellung stark biographisch ausgerichtet ist, stehen Dalis Gemälde im Mittelpunkt. Der Wunsch, in das Innere des Menschen einzudringen, offenbart sich immer wieder in aufgerissener Haut, aus der dann Rosen hervorblicken können. Dali zerstückelt Menschen, macht Torsi aus ihnen. Seine Zwangsvorstellungen führen zu absurdesten Kombinationen, und immer wird klar, dass er keinem Maler so nahe war wie Hieronymus Bosch und dessen abgründiger Phantasie. Dabei spricht – neben einzelnen auch farblich düsteren Werken – eine enorme Farbigkeit und Bewegtheit aus den Bildern. Das gibt ihnen bei oberflächlicher Betrachtung fast etwas Gefälliges, während sich bei genauem Hinsehen so gut wie immer der Horror entfaltet. Stets spürt man die Bedrohung auf der Lauer. Aber gemeinsam mit einer Art kauzigem Humors und der gebotenen Ästhetik ergibt das eine ebenso unwiderstehliche wie unverkennbare Mixtur. Dali hat, gewissermaßen von Freud ermutigt, sein Unterbewusstsein los gelassen – und es ist faszinierende Kunst daraus geworden.

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Ausstellungsarchitektur   Margula Architects zeichnen dafür verantwortlich, dass die Orangerie des Unteren Belvederes sich ganz anders präsentiert als sonst. Alle Wände und Decken sind in Rosa gehalten, aber die Werke werden mit wenigen Ausnahmen nicht an den Wänden, sondern in schwarzen Schaukästen präsentiert. Das gewinnt gelegentlich die Feierlichkeit eines Altars. Dennoch kommt die Komik nicht zu kurz: Luis Bunuel, mit dem Dali den Film „Der andalusische Hund“ gestaltet hat, grüßt unvermittelt als Foto in Lebensgröße.

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Und zwei der berühmtesten Dali-Objekte, die gemeinsam mit dem exzentrischen Kunstsammler Edward James entstanden sind, sind zu einem Ensemble zusammen gefügt: Hinter dem Stuhl mit den ausgestreckten Armen namens  „Cat’s Cradle Hands Chair“ wartet das berühmte Lobster Telephone… Auch der populäre Dali kommt zu seinem Recht.

Unteres Belvedere /  Orangerie:
Dalí – Freud /  Eine Obsession
Vom 28. Jänner 2022 bis zum 29. Mai 2022,
 täglich 10 bis 18 Uhr
Die offizielle Eröffnung am 31. Jänner in Anwesenheit des spanischem Königspaares wird gestreamt

 

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