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WIEN / Belvedere: BRONCIA KOLLER-PINELL

Der unbeschönigte Blick

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Alle Foros: Belvedere

Belvedere / Unteres Belvedere / Orangerie:
BRONCIA KOLLER-PINELL
EINE KÜNSTLERIN UND IHR NETZWERK
Vom 15. März 2024 bis zum  8. September 2024

Der unbeschönigte Blick

Österreich hat keinen Mangel an großen Malerinnen, darunter „Weltstars“ wie Angelika Kaufmann oder Tina Blau. Und es gibt sehr viele gute – eine davon war Broncia Koller-Pinell, die nach dem Totschweigen durch die Nationalsozialisten bereits sukzessive neu „entdeckt“ wurde. Es gab zweimal Ausstellungen in Niederösterreich, dem sie durch den Besitz in Oberwaltersdorf sehr verbunden war (1980 und 2014) und eine im Jüdischen Museum (1993). Mit einer Großausstellung in der Orangerie und neuen Forschungsergebnissen im Katalog rückt das Belvedere die Künstlerin endgültig in den Fokus, wobei nicht nur ihr Werk berücksichtig wird. Es geht auch um die Netzwerke, die jeder Künstler braucht, um sich in der Öffentlichkeit zu etablieren.

Von Renate Wagner

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Broncia Koller-Pinell    Sie wurde am 23. Februar 1863 in Sar (k.u.k. Galizien) als Tochter einer wohlhabenden  und einflußreichen Familie geboren. Sie war zehn Jahre alt, als die Familie nach Wien zog und der Vater in Oberwaltersdorf (nahe Baden bei Wien) eine Textilfabrik gründete. Broncia, die immer Malerin werden wollte, erhielt in Wien Privatunterricht und besuchte dann in München eine Kunstschule. 1890 stellte sie erstmals im Wiener Künstlerhaus aus, bis 1930 war sie in ganz Europa in rund 50 Ausstellungen vertreten (darunter 1908 in der legendären Wiener Kunstschau). 1896 heiratete sie den um vier Jahre jüngeren Hugo Koller, Wissenschaftler, Arzt, Unternehmer, bestens vernetzt und unermüdlicher Förderer der Kunst seiner Frau. Sie bekamen zwei Kinder, Sohn Rupert (*1896)  wurde Musiker, Tochter Silvia (*1898)  trat in die Fußstapfen der Mutter. Als man nach dem Tod von Broncias Vater dan Landsitz in Oberwaltersdorf erwarb, konnten es sich die Kollers leisten, Josef Hoffmann mit dem Umbau und Kolo Moser mit der Inneneinrichtung zu beauftragen. In diesem Herrenhaus, das Broncia oft außen und innen malte (wozu die Ausstellung noch eine Menge Fotos beisteuern kann), traf sich die Kunstprominenz der Zeit. Broncia, die in mehreren Künstlervereinigungen prominent vertreten war, geriet in den Dreißiger Jahren in den Sog des die Juden ausschließenden Antisemitismus. Sie starb am 26, April 1934. Hugo Koller zog sich mit seinen beiden gefährdeten „halbjüdischen“ Kindern nach Oberwaltersdorf zurück, wo sie den Krieg überstanden. Hugo Koller starb 1949, Silvia Koller, die sich sehr für das Werk ihrer Mutter einsetzte, 1963 und Rupert Koller 1976.

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Broncia selbst im Bild     Es gibt ihr immer wieder reproduziertes Selbstporträt, das bemerkenswert uneitel ist – in einem unspektakulären Kimono (der als Interesse an dem damals grassierenden Japonismus gedeutet wurde), weder das Gesicht geschönt noch die Frisur bemerkenswert (trotz eingeflochtener Blätter), sitzt sie wie unbeteiligt, wie eine einfache Durchschnittsfrau da, die sie keinesfalls war. Schon im Hinblick auf die „Netzwerke“-Frage ist interessant, wie viele Kollegen sie gemalt haben – vor allem Heinrich Schröder, der bei den Kollers lebte und mit Broncia ein Atelier teilte, hat besonders oft Tochter Silvia und das Haus gemalt (und ist auch sonst thematisch Broncia Koller-Pinell gefolgt). Sein Porträt von 1907 zeigt sie ruhig und milde. Die Kette mit Anhänger, die sie darauf trägt, stammte von Josef Hoffmann und der Wiener Werkstätte. Kollege Anton Faistauer malte sie  1917 mit Hut, das Gesicht nachdenklich in die Hand gestützt, Karl Hofer poträtierte sie um 1924 im Zwanziger Jahre-Look, Und Albert Paris Gütersloh malte sie als alte Frau. Broncias Gatten Hugo Koller hat kein Geringerer als Egon Schiele 1918 in einem bemerkenswerten Porträt inmitten seiner Bücher gesetzt.

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Die Tochter Silvia Koller, die auch stilistisch in die Fußstapfen der Mutter trat, war von Kind an Modell nicht nur für ihre Mutter, sondern auch für deren Freunde. Man saß einander gewissermaßen im Kreis Modell  –  so malte Silvia auch ihre Malerkollegin Marie-Louise von Motesiczky und zeichnete Edith Schiele, die Gattin des mit der Familie eng verbundenen Egon Schiele. Es gibt ein Selbstporträt von ihr als Bleistiftzeichnung, und sie ist auch noch mit mehreren Graphiken vertreten.

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Die Themen      Keine Frage, dass für Broncia Koller-Pinell vor allem Frauen interessant waren – und auch hier fällt, wie bei ihrem Selbstporträt, der unbeschönigte Blick der Künstlerin auf. In einer Zeit, wo Klimt die Frauen „schön“ machte (und wenn sie es nicht waren, in so berückende Ornamente stellte, dass sie schön wurden), zeigt sie einfach Gesichter. Ihr bekanntestes, weil ungewöhnlichstes und unkonventionelles Bild nennt sich „Sitzende“ oder „Marietta“, wurde 1907 in Hinblick auf die Kunstschau gemalt, aber dort nicht angenommen – wohl, weil nackte Frauen als Domäne der Männer galten. Die junge Frau ist wohl ein Modell, die sich nackt gewissermaßen zurechtrückt, seitlich mit ausgestreckten Beinen sitzend erfasst, mit selbstbewusstem Blick. Weder sexy noch verlockend wirkend, entspricht sie nicht dem Zeitbild der Frau. Ein anderes Schlüsselwerk von Broncia Koller-Pinell ist das ebenfalls 1907 entstandene Bild ihrer Tochter „mit Vogelkäfig“, wo das grellrote Kleid der Tochter einen Blickfang bildet, wie er sonst so vordergründig auf den Bildern der Malerin selten zu finden ist.

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Besonders gelungen ist das Porträt der jungen Anna Mahler, ihrer Kurzzeit-Schwiegertochter, die Broncias Sohn Rupert heiratete (wegen seiner Familie, wie sie selbst zugab), aber die Ehe nach einem Jahr beendete.

Im übrigen malte Broncia Koller-Pinell gerne Stilleben (interessanterweise eines davon mit einem zentralen Madonnenbild), Genrebilder (vom Naschmarkt bis zur Ernte, Häuserdächer und Interieurs), und besonders gerne Szenen im Schnee. Gekonnt, aber inmitten der Kollegen, von denen das Belvedere einige ausstellt, nicht herausragend. Ihre Frauenbildnisse hingegen hat man sich gemerkt und wird sie sich merken.

Belvedere / Unteres Belvedere / Orangerie:
BRONCIA KOLLER-PINELL
EINE KÜNSTLERIN UND IHR NETZWERK
15. März 2024 bis 8. September 2024
Täglich 9 bis 18 Uhr

 

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