Fotos Wagner, in der Albertina fotografiert
WIEN / Albertina / Tietze Galleries for Prints and Drawings:
JIM DINE – I NEVER LOOK AWAY
Vom 24. Juni 2016 bis zum 2. Oktober 2016
A Serious Man
Die Albertina besitzt viele Selbstporträts, von den größten Künstlern zumal – Dürer, Rembrandt, Kokoschka, Schiele. Nun hat sie noch viele, viele mehr. Nicht weniger als 230 seiner weltberühmten Selbstporträts hat der 81jährige amerikanische Künstler Jim Dine im Vertrauen auf Klaus Albrecht Schröder dem Haus geschenkt, weil er weiß, dass seine Werke dort in guter Hut sind. Schröder versichert dazu, Zeiten, Regime, Politiker kommen und gehen, die Albertina bleibt…
Von Renate Wagner
Jim Dine Geboren 1935 in Cincinnati, Ohio, entdeckte er früh seine Leidenschaft fürs Zeichnen und die Kunst. Als er 1958 nach New York übersiedelte, wurde er zu den Mitbegründern der amerikanischen Pop Art, allerdings – wie er in Wien im Gespräch offen sagte – nicht ohne Berechnung. Er überlegte, wie man sich als zeitgenössischer Künstler damals, Mitte der sechziger Jahre, am besten präsentierte und malte seinen Bademantel (ohne einen Menschen drin): Das galt, etwa neben den Campbell-Suppen von Andy Warhol, als zeitgemäßer Ausdruck, Alltagsgegenstände in den Mittelpunkt künstlerischer Betrachtung zu rücken. Für Dine waren das später auch diverse Werkzeuge aus dem Eisenwarenladen des Großvaters, außerdem zählten Herzen in jeder Form und gelegentlich Pinocchio zu seinen bevorzugten Motiven.
Das Selbstporträt Was aber für die absolut individualistische Kunst von Jim Dine charakteristisch wurde, ist das Selbstporträt – angeblich hat er schon mit drei Jahren die Faszination entdeckt, sich selbst in den Spiegel zu schauen und sein Gesicht zu betrachten. Seither hat er es hunderte und aberhunderte Male, mit den verschiedensten graphischen Techniken, gestaltet. Wien zeigt (kuratiert von Antonia Hoerschelmann) nun 60 von den 230 Werken, die man geschenkt bekam.
Ohne ein Lächeln „I never look away“ hat Jim Dine selbst als Titel der Ausstellung gewählt, Klaus Albrecht Schröder hätte sich für „A Serious Man“ entschieden, weil Dine auf allen Bildern so ernst dreinsieht. „Wenn Sie intensiv in den Spiegel schauen, um ein Porträt zu machen, dann lächelt man nicht, das ist ernste Arbeit“, sagte Dine bei der Wiener Pressekonferenz. „Sicher, Rembrandt hat auf einem Selbstporträt gelächelt, aber er war Rembrandt – ich bin nur ein Arbeiter.“
Ein Gesicht ist ein Gesicht ist ein Gesicht Tatsächlich sind bei Jim Dine selten Emotionen festzumachen, man könnte ihn gelegentlich für mürrisch oder grimmig halten, aber grundlegend wäre den meisten Porträts keine Gemütslagen zuzuschreiben. Minimale Veränderungen sind festzustellen – einmal eine Schürze, einmal ein rotes T-Shirt, einmal die Reduktion auf eine Art Totenkopf (was der Künstler selbst bestreitet, allerdings mit dem Zugeständnis, der Betrachter möge sehen, was er will). Ein Halbakt ist eine Rarität, das Gesicht meist mit der randlosen Brille, dominiert im starren Geradeaus. Und dennoch ist es bei genauer Betrachtung ein Thema mit faszinierenden Variationen.
Nur in den Anfängen übermütig Drei frühe Gesichter aus den späten fünfziger Jahren sind noch nicht so spartanisch wie die späteren – da hat er sich in Grellrosa gehalten (so wie Warhol vereinzelte Abzüge seiner Siebdrucke), mit Pfeife im Mund. Oder mit einem Auge, das aus einer französischen Flagge besteht (falls die Blau / Weiß / Rot-Kombination darauf verweisen soll). Oder er stellt seinen abstrahierten Kopf auf ein Dame-Brett.
Kein Spiel mit dem Ich Später konzentrierte sich Jim Dine auf Jim Dine, sah in den Spiegel und zeichnete möglichst ehrlich, was er sah. Und was er sähe? wurde er bei der Pressekonferenz gefragt. „Dass ich älter werde“, meinte er. Und weiser? wurde nachgehakt. „Machen Sie Witze?“ konterte Dine… Keine Witze, es ist keine leichte, keine humorvolle Kunst. Selbst die Gesichter, die er in Farbe auf Keramik-Krüge malte (bei einem Arbeitsaufenthalt in Sèvres, an den er keine guten Erinnerungen hat), wirken feindselig, trotz Pinocchio-Nase. Dazwischen blickt er dem Betrachter einmal entgegen wie Henrik Ibsen persönlich, gezeichnet von Munch. Das letzte Bild stammt vom April 2016 und wurde für die Albertina im burgenländischen Apetlon geschaffen: Die Kreidelithographie auf Japanpapier, „Ich in Apetlon“, wird aber nicht sein letztes Werk bleiben, wie er versicherte. „Ich arbeite gerne.“
Albertina: JIM DINE – I NEVER LOOK AWAY
Bis zum 2. Oktober 2016, täglich 10 bis 18 Uhr, Mittwoch bis 21 Uhr