WIEN / Albertina / Propter Homines Halle
CHAGALL
Vom 28. September 2024 bis zum 9. Februar 2024
Wenn einer Pendeluhr Flügel wachsen
Es ist die letzte Großausstellung der Ära von Klaus Albrecht Schröder in der Wiener Albertina. Sie gilt einem Künstler, der nach Aussage des Direktors, zwar „nicht der berühmteste“ war (das war wohl Picasso), aber „der beliebteste“: Marc Chagall. Der Mann, der Menschen, Tiere, Blumen liebevoll durcheinander wirbelte, der die Schwerkraft aufhob und einfach alles nur Mögliche in die Luft gehen ließ. Der Künstler, der mit seinem Farbenreichtum und seinen skurrilen Einfällen immer bezauberte. Gut hundert Werke, viele im Großformat, zeichnen eine lange Entwicklung nach. Und das Publikum wird hier wohl auch eine Lieblingsausstellung finden.
Von Renate Wagner
Marc Chagall (1887 – 1985) Chagall wurde in Witebsk geboren, eine Stadt, die einst zu Polen-Litauen, dann zum russischen Zarenreich gehörte und heute in Belarus („Weißrußland“) liegt und vor allem durch ihren großen Anteil an jüdischer Bevölkerung geprägt wurde. Der überbegabte Marc Chagall hat die Verfolgung und Benachteiligung der Juden sein ganzes Leben hindurch immer wieder erfahren. St. Petersburg, Paris, wieder Rußland, wieder Frankreich, Emigration vor den Nazis nach New York, schließlich Lebensabend in Südfrankreich waren die Stationen seines Lebens. Fast hundert Jahre alt geworden, ermöglichte ihm eine Schaffenszeit von mehr als 80 Jahren. Seine Wandgemälde für die New Yorker Metropolitan Opera, die Teppiche und Mosaike, die er für die Knesset in Jerusalem schuf, erregten weltweite Beachtung.
Aus allen Zeiten und von überall her Fünf Jahr dauerten die Vorarbeiten, und anfangs schien es noch selbstverständlich, dass zu den internationalen Leihgebern der Ausstellung auch die Museen in St. Petersburg und Moskau zählen würden. Der Ukraine-Krieg hat dies vereitelte, manches musste nun von anderen Museen besorgt werden, die Kosten stiegen. Aber das Ergebnis ist tatsächlich umfassend, und wenn man oberflächlich betrachtet auch meinen könnte, Chagall hat seine wenigen Themen bloß immer neu variiert, so zeigt sich doch vieles, das weniger bekannt ist. Dass es bei ihm etwa Kreuzigungen gibt, dass er auch unheimliche abgetrennte Köpfe ins Bild setzt, erweitert das Spektrum dessen, was man mit ihm verbindet.
Alle Stile und – keiner Chagall kommt aus der Welt des jüdisch geprägten Städtels, das ein Teil des russischen Zarenreichs war, und in den Anfängen findet sich durchaus ein Hauch von russisch Folkloristischem. Dann in Paris, wieder in Rußland, auch in New York und am Ende wieder zurück in Südfrankreich, kam er mit vielen Stilen, Eindrücken und Einflüssen in Berührung. Immer wieder leuchtet der Charme des „Naiven“, aber es gibt auch Bilder von starker mystischer Kraft (etwa einen „Engelssturz“). Da mag ein Porträt schon sehr an Picasso gemahnen, da mag inhaltlich und stilistisch der Surrealismus grüßen, es wurde doch immer fast „unverwechselbar“ Chagall daraus. Und doch hat er, der jedem Realismus fremd war, ein fast realistisches Bild seiner geliebten Frau Stella gemalt – wahrscheinlich, um ihre Schönheit ungebrochen zu vermitteln.
Das jüdische Element Aufgewachsen als frommer chassidischer Jude, ist das jüdische Element in seinem Werk immanent – er hat den Urtyp des „Fiddler on the Roof“ geschaffen, und die Geige zieht sich durch sein Werk, er hat immer wieder jüdisches Leben (auch gleichnishaft) gestaltet, seine Porträts alter Juden gehen unter die Haut. Die prägende Welt des schweren Lebens, das durch die Musik erträglich gemacht wurde, verleiht seinen Bildern Leichtigkeit und vielfach tatsächlich Musikalität…
Der „typische“ Chagall Was man im allgemeinen sucht, wenn es um einen bildenden Künstler geht, ist das „Unverwechselbare“, und da ist Chagall Meister seiner selbst. Man würde nicht jedes der Bilder auf Anhieb als „Chagall“ erkennen, aber doch die meisten, schon allein durch die Motivik – bei ihm wachsen sogar einer Penndeluhr Flügel, alles kann schweben, und da sind die so überstark präsenten Tiere, die Blumen, das Zirkusmilieu, die Bibel. Und das, was er aus diesen Elementen immer wieder in größter Farbenfreude zusammen gefügt hat. Was nicht bedeutet, dass man nicht auch Monochromes findet… etwa ein Bild der Klagemauer. So ist diese Ausstellung über die Freude hinaus, dem typischen Chagall zu begegnen, doch noch voll von Überraschungen.
Albertina: MARC CHAGALL
Vom 28. September 2024 bis zum 9. Februar 2025
Täglich | 10 bis 18 Uhr
Mittwoch & Freitag | 10 bis 21 Uhr‘
Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit der der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen und wird anschließend in Düsseldorf zu sehen sein.