VON BILD ZU BILD IN DEUTSCHLAND
Renate Wagner / Heiner Wesemann
In unserem Alter ist eine Gruppenreise, die einem die Härten des Transports abnimmt, doch eine sehr gute Lösung, zumal, wenn man an den Verkehr auf deutschen Autobahnen und mehr noch in deutschen Städten denkt. Das würde die Kraft aufbrauchen, die man anderswo benötigt. Dass die persönliche Freiheit dafür eingeschränkt ist – man kann bekanntlich nicht alles haben. Aber tatsächlich waren wir hoch zufrieden.
Mittwoch, 29. Jänner 2020
Erster und einziger Schock: Die Buchung des Reiseleiters für „Van Dyck“ in München ist offenbar durch den Computer gefallen. Aufschrei meinerseits, denn ich liebe, liebe, liebe Van Dyck (hat mit meinem Hang zu Ästhetik zu tun), und er war für mich der wichtigste Grund, diese Reise anzutreten. Langen Matschkerns kurzer Sinn: Wir haben’s am letzten Tag noch geschafft.
Statt dessen fuhren wir am Hinweg ins
Kloster Weyarn
von dessen Kloster man nichts mehr sieht, wohl aber die
Barockkirche. Sie ist schön, mit Fresken von Johann Baptist Zimmermann.
Übrigens: Ich finde es immer gruselig, wenn da „Heilige“ als Skelett in Glassärgen vor sich hin modern und den neugierigen Blicken preisgegeben werden…
Landeten in Leonberg bei Stuttgart im Amber Hotel, ordentlich, aber von spürbar schwäbischer Sparsamkeit an allen Ecken und Enden.
Donnerstag, 30. Jänner 2020
Fuhren nach MANNHEIM
Besichtigung der Jesuitenkirche, schöner, weil eleganter Spätbarock.
Da wir ja nur durch die mir unbekannte Stadt gezischt sind, habe ich mir nur das lächerliche „Kutscherl“ gemerkt, das aber offenbar das erste Auto von Benz war und prominent auf einem Platz präsentiert wird…
Dann ins Reiss-Engelhorn-Museum
Ausstellung „Javagold“
Kleine, erlesene, überaus kunstfertige Stücke aus der Welt von Buddhismus und Hinduismus, viel Schmuck für die Könige, von Kostbarkeit zu Kostbarkeit.
Dann besichtigen wir noch „privat“ das Museum
Der oberste Stock für mich besonders schön, weil dort Theater und Musik zur Zeit der Kurfürsten behandelt wird, mit einem Schwerpunkt auf Schiller (Uraufführung der „Räuber“ in Mannheim), Schwerpunkt Mozart in Mannheim, berühmte Gäste: Ich finde einen Theaterzettel, dass Adele Sandrock hier in „Eva“ von Richard Voss gastiert hat.
Zweiter Stock: Die Kurfürsten als Sammler und Mäzene, höchstwertiges Gemälde-Material ist nicht mehr da, weil Carl Theodor ja alles nach München mitgenommen hat, als der Pfälzer zum Bayern wurde, aber an Porzellan und anderen Kostbarkeiten sind sie reich.
Heiner und ich zischen auf die andere Seite des Platzes in das
Museum für Völkerkunde
das eine überaus bemerkenswerte Ägypten-Sammlung hat (wir können das beurteilen, kennen viele davon),
und die Grabkammer des Sennefer ist absolut wunderbar nachgestaltet.
Dann Weiterfahrt nach
Schloß Bruchsal
Eine weitläufige, wunderschöne spätbarocke Schloßanlage Und drinnen: eine geniale Treppenkonstruktion von Balthasar Neumann. Die Prunkräume sind auch nicht schlecht, aber bei dieser architektonischen Meisterleistung fallen einem die Augen raus!!!
Freitag. 31. Jänner 2020
In Richtung Stuttgart Stopp bei dem
Schloß Solitude
Nur von außen gesehen, aber eine sehenswerte Anlage.
Deutschland hat das alles so reichlich, weil die verschiedenen Fürsten nicht zuletzt in Konkurrenz zu einander bauten…
STUTTGART
das ich auch nicht kannte und das ich jetzt auch nicht kenne.
Ich ärgere mich nur im Nachhinein, dass wir eine freie Stunde, die wir hatten,nicht dazu benützt haben, Hegels Geburtshaus zu sehen.Ich habe glatt darauf vergessen, dabei wäre es in Reichweite gewesen. Wenn einer blöd ist, ist er es im Kopf.
Die moderne Staatsgalerie, ein echt gelungener moderner Anbau von James Stirling, so muss man bauen, so heutig und phantasievoll zugleich.
Ausstellung „Tiepolo“
Chronologisch gehängt, das helle, schöne Spätbarock, gefällt mir sehr, auch in seinen delikaten, gar nicht knalligen Farben.Besonders gut gelungen ist die verkleinerte „Nachstellung“ seines Würzburger Deckenfreskos, das haben sie wirklich schön gemacht. Und seine „Capricci“, fast absurde Zeichnungen, werden in Kontext zu Goya gestellt, wobei Ähnlichkeiten frappant sind.
Durchwandern noch allein die
Staatsgalerie Stuttgart
wobei ich (shame upon me, aber so ist es einmal) bei der Moderne gerade einen Blick auf ein sehr, sehr schön aufgestelltes „Triadisches Ballett“ werfe und dann zu den Alten Meistern fortschreite, wobei die Deutschen ohnedies gesperrt sind… Personalmangel! Heiner allerdings genießt die klassische Moderne, schwelgt in der Beckmann-Sammlung, ergötzt sich an den französischen Impressionisten.
Persönlich genieße ich „Klassiker“, auch des Theaters, dass ich dem „Don Giovanni“ von Slevogt live gegenüberstehe, ebenso Feuerbachs „Iphigenie“, dass ich einen mir unbekannten großformatigen Waldmüller entdecke und einen Makart-Riesenschinken mit einem „Cleopatra“-Motiv. Dazu noch eine Menge Franzosen, aber man kann ja durch diese Riesenmuseen ja ohnedies nur selektiv gehen und sich das herauspicken, was man persönlich liebt.
Dann noch ein bißl durch die Stuttgarter Altstadt,
am Schillerplatz steht, no na, Schiller, zwischen hübschen alten Gebäuden,
und die Stuttgarter Stiftskirche mit ihrer romanischen Bausubstanz ist zwar, als modern wieder aufgebaut, als Innenraum nicht interessant, wohl aber die Fürstengräber und vor allem die „Ahnengalerie“, die da aus dem 16. Jahrhundert ganz locker herumsteht…
Schließlich noch in das
Württembergische Landesmuseum
Im alten Schloß, das umgebaut wird und folglich derzeit freien Eintritt hat (nett von ihnen),
ein bemerkenswerter Renaissance-Hof – und in der Baustelle die größten Schätze. Sie haben Schwerpunkte in der Antike (bemerkenswert, was man in früheren Jahrhunderten zusammenkaufen konnte), in der Kunstkammer (da kommen sie wirklich fast an Wien heran), und, besonders bemerkenswert, bei den Kelten, denn in ihrer Nähe ist ja das Fürstengrab von Hochdorf mit seinem Inhalt gefunden worden.
Eine andere Ebene des Museum befasst sich mit Lokalgeschichte, die dann bei den Württemberger Fürsten (später Könige, von Napoleons Gnaden, wie andere auch) sehr historisch spezifisch wird. Die haben schon als Herzöge jeglichen Prunk entfaltet…
Gesperrt haben sie zu meinem Ärger die Königliche Gruft,
schon wieder wegen Personalmangels… Aber auch die anderen Schätze haben gereicht.
Samstag. 1. Februar 2020
Nach KARLSRUHE
auch das eine Stadt, die ich nicht kannte (und jetzt natürlich auch nicht kenne).
Als wir am späteren Nachmittag noch die „Pyramide“ am Hauptplatz sehen wollten, in der man den Stadtgründer Karl Wilhelm begraben hat und die das „Wahrzeichen“ der Stadt ist, hat es dermaßen geschüttet, dass irgendwann auch der Enthusiasmus weggeschwemmt wird.
Zuerst: Badisches Landesmuseum, das im Schloß angesiedelt ist
Ausstellung „Kaiser und Sultan“
Weil der Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden, genannt der „Türkenlouis“, neben Prinz Eugen einer der erfolgreichsten Feldherren der Türkenkriege war, brachte er auch gewaltige Beute heim, auf die man in Karlsruhe zu Recht sehr stolz ist. Die Ausstellung ist ungemein „politisch korrekt“, aber zuzugeben, dass die türkische Kultur (man schaue sich nur die Objekte an) hinter unserer um nichts zurückstand, ist ja nun wirklich logisch.
Höhepunkt: Man hat ein wahres türkisches Riesenzelt aufgespannt, das Sobieski nach der Schlacht am Kahlenberg eroberte und nach Polen brachte. Dort soll es künftig in Warschau einen würdigen Raum erhalten… Dagegen ist unser Kara-Mustafa-Zelt im Heeresgeschichtlichen ein Klacks!

ARTIS-Uli Deck
In einem eigenen Trakt des Badischen Landesmuseums gibt es noch deren
Antikensammlung,
besonders reich an Römerfunden, Kunststück, sie waren ja auch da.
Weiter in die Kunsthalle Karlsruhe,
deren Treppenhaus ein Riesengemälde von Moritz von Schwind ziert.
Ausstellung Hans Baldung Grien heilig | unheilig
Sein Lehrer Dürer nannte seinen Schüler Baldung „Grünhans“ wegen seiner Vorliebe für grünes Papier, und dass „Grien“, wie sein Beiname lautete, letztendlich doch im Schatten Dürers steht, so erfolgreich er zu seinen Lebzeiten auch gewesen sein mag, ist eine echte Ungerechtigkeit. Von Heiligen bis Hexen (auch viele Nackte und manches a la Bosch skurril und sexy) malte er vieles gleich brillant, die Ausstellung sorgt dafür, dass man von seinem Werk tief beeindruckt ist.
Im übrigen ist auch die Dauerpräsentation der
Kunsthalle Karlsruhe
mehr als sehenswert, sie haben da einen Cranach-Saal voll wertvoller Stücke, einen Feuerbach-Raum, einen Saal für Hans Thoma, der hier sehr populär ist , viele meiner Lieblinge durch die Jahrhunderte (Bellotto-Canaletto, C.D. Friedrich, phantastisch viel Druckgraphik von Dürer usw.)
Sonntag, 2. Februar 2020
Nach MÜNCHEN
Alte Pinakothek
Ausstellung VAN DYCK
Wenn es eine leise Enttäuschung gibt, dann jene, dass sie hier doch nicht allzu viele der repräsentativen englischen Porträt-Gemälde haben, dagegen sehr viel Religiöses (wobei man lernt, dass Van Dyck gewisse Themen immer wieder malte, den Heiligen Sebastian gibt es hier viermal, immer ähnlich, in Details immer anders). Immerhin drei Selbstbildnisse, davon das eine, junge, wunderbare aus der Akademie in Wien. Um Parallelen zu ziehen, sind auch Werke von Rubens, seinem Lehrer, ausgestellt, man sieht den Einfluß, man erkennt aber auch, wie Van Dyck eigene Wege ging. Man zeigt auch Tizian im Vergleich, an dem er sich bei seinen Italien-Aufenthalten orientierte, es gibt viel Graphik. Im Ganzen sehr schön, weil er eben ein so wunderbarer Maler ist.
Dann haben wir noch zwei Stunden in der Alten Pinakothek:
Die Dürer-Apostel und sein christusartiges Selbstbildnis wiederzusehen und die „Alexanderschlacht“ von Altdorfer, die unglaubliche Fülle an „Alten“ (Rubens bis zum geht nicht mehr), und dann ein paar ausgesuchte Schönheiten: etwa die wunderbarsten „Sonnenblumen“, die es von Van Gogh gibt, oder die Margaret Stonborough-Wittgenstein von Klimt (eine seiner schönsten „stehenden Frauen“).
Ja, und dann bei miserablem Wetter, das uns die ganzen Tage begleitet hat, nach Wien, wo wir bei Nacht und Regensturm und schon ein bisschen gerädert ankommen.
Aber hoch zufrieden!