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STUTTGART/Gauthier Dance; CANTATA SPECIALE – viel Erfreuliches. Premiere

Gauthier Dance Stuttgart „CANTATA SPECIALE“ 14.11.2013 (Premiere) – viel Erfreuliches

 Unbenannt
Wurde für den Faust-Preis nominiert: Anna Süheyla Harms. Copyright: Regina Brocke

 Eric Gauthier und seine Tanz-Compagnie sind im sechsten Jahr ihres Bestehens so gefragt, dass ein beträchtlicher Teil ihrer Auftritte außerhalb von Stuttgart stattfinden. Diesen Herbst verschob sich der heimatliche Saison-Auftakt dadurch auf Mitte November. Wie gewohnt mit einer launigen Begrüßung durch den Chef persönlich, mit der er das Publikum auf seine lässig humorvolle Art sofort auf seiner Seite hatte. An diesem Abend gebe es zwar choreographisch gesehen nicht so viel Neues, aber äußerst Erfreuliches. Zum einen die Rückkehr des Publikumslieblings Garazi Perez Oloriz nach einer einjährigen Verletzungspause, vorläufig zwar mit nur einem, aber was für einem persönlichkeits-fesselnden Auftritt in Alejandro Cerrudos bereits vor einigen Jahren hier gezeigtem „LICKETY SPLIT“, zum anderen die bevorstehende Faust-Preis-Verleihung an die dafür nominierte, ebenfalls in vorderer Publikumsgunst stehende Anna Süheyla Harms. Und nicht zuletzt die Gelegenheit, Mauro Bigonzettis umwerfend animierendes  gut dreiviertelstündiges „CANTATA“ noch einmal mit dem Live-Auftritt des neapolitanischen Frauen-Quartett Assurd erleben zu können, was in der Tat wesentlich zum Flair dieses Stückes zwischen überschäumender Lebensfreude und sich dahinter öffnenden Aggressionen beiträgt. Und vielleicht auch ein letztes Mal mit Egon Madsen als würdevollem Dorfältesten, dessen Präsenz auch bei reduzierter tänzerischer Aktivität Wellen schlägt. Reizvoll ist auch der immer wieder erfolgende Rollentausch, so dass den in italienischen Wortkaskaden entladenden Disput diesmal ein Mann und eine Frau austragen – für Muttersprachler Rosario Guerra und die temperamentvolle Belgierin Anneleen Dedroog im Verbund mit ihrer körperlichen Elastizität ein ideales Futter, Begeisterungsstürme zu entfachen. Der Jubel gilt neben der famosen Compagnie zurecht dem mit Akkordeon und (wie die Tänzer barfuss auftretenden)  musizierenden Vokalquartett, das aus traditioneller neapolitanischer Tradition gespeiste, wirklich großartige Volkskunst bietet.

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Wie gewohnt präzise und lässig zugleich: Eric Gauthier (in Goeckes „I found a fox II“). Foto: Regina Brocke

So südländisch ausgeprägt war die Zuschauerstimmung bei den kürzeren Beiträgen vor der Pause nicht, aber auch Marco Goecke holte sich für den uraufgeführten zweiten Teil seines „I FOUND A FOX“ sehr viel Zustimmung, obwohl er im direkten Vergleich zum zuvor noch einmal präsentierten ersten Teil nicht mehr ganz dessen Dichte erreichte. Eventuell war dies auch der parallel dazu erfolgten Premiere beim Stuttgarter Ballett geschuldet. Eric Gauthier zirkelte auch jetzt wieder mit messerscharfen Akzenten den Raum aus, ehe ihn vier Tänzerinnen flankieren, den Fuchs quasi etwas in die Enge treiben. Ein aus den Lautsprechern dröhnender Kate Bush-Song überlagerte dabei beinahe das tänzerische Geschehen, auch wenn der theatralische Einschlag ganz gut passte. 

In der Tat „SO SO EASY“ erschien Gauthiers mit Selatin Kara im Frühjahr 2013 gemeinsam geschaffenes Duo in der poppig rappigen Präsentation von Miriam Gronwald und David Valencia M. Für Heiterkeit und Erstaunen sorgte auch wieder sein vier Jahre altes „ORCHESTRA OF WOLVES“, in dem die gegenseitigen Mächte von Dirigent und Musikern in Wolfsmasken zu Beethovens viel strapazierter, hier aber das Thema trefflich unterstreichender Schicksalssinfonie (1.Satz) bitter, aber letztlich doch vergnüglich aufs Korn genommen werden. Unter den sieben Tänzern waren wie auch in „Cantata“ die seit September erfolgten Neuzugänge im Ensemble, die beiden Französinnen Caroline Fabre und Sandra Bourdais, der Schweizer Maurus Gauthier und der Brasilianer Juliano Nunes Pereira erstmals zu erleben.

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Prachtvolle Entwicklung innerhalb kurzer Zeit: Florian Lochner. Copyright: Regina Brocke

Noch einer hat sich besondere Erwähnung verdient: der blonde Florian Lochner hat sich innerhalb kurzer Zeit von einem begabten Nachwuchstänzer zu einem bemerkenswert männlich gereiften und an körperlicher Aussagekraft sowie Ausstrahlung gewonnenem Künstler entwickelt. Bravo!      

Es bedarf fast keiner Erwähnung mehr, dass wiederum alle Folgevorstellungen, auch schon viele Wochen im voraus, ausverkauft sind. Die Tanzfans haben auch allen guten Grund, das Theaterhaus zu stürmen und das Zugpferd dieser alternativen Bühneneinrichtung Abend für Abend zu feiern.                                                                                           

Udo Klebes                                                               

 

 

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