Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

STUTTGART: TOSCA – Irgendwo schlagen immer die Funken

04.05.2013 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Stuttgart: „TOSCA“ 2.5.2013 – Irgendwo schlagen immer die Funken


Den Namen sollte man sich merken – Adina Aaron. Copyright: Genevaconcerts

 Nach der als Gesamtpaket wie auch in den Einzelleistungen hohe Maßstäbe setzenden Wiederaufnahme-Premiere im Februar (Rezension in Heft 3/2013) hatte es die Alternativ-Besetzung nicht leicht, gegen so hohe Qualität anzutreten. Doch wie so oft war es auch hier am besten, sich überraschen zu lassen. Und eine solche trat vor allem in Gestalt der dunkelhäutigen Amerikanerin Adina Aaron ein, die z.Z. im Begriff ist, sich international auf einigen großen Bühnen zu präsentieren und sich mit dem an diesem Abend hinterlassenen Eindruck in der Opernwelt bald einen Namen machen dürfte. Mit noch frischem, schlackenlosem Sopran, dessen dunkle Grundierung ihre auffallend tragfähige Tiefe noch unterstützt, durchmisst sie die Partie vom intimsten Liebesbekenntnis bis zur eruptivsten Entäußerung in den Fängen Scarpias auf spielerisch leichte und die Register mühelos und unauffällig verblendende Art. Selbst die sich immer weiter nach oben schraubenden Ausbrüche im Gerangel des zweiten Aktes entbehren bei ihr einer häufigen und hier auch legitimen metallischen Schärfe. Da klingt alles weich und rund, aber doch erfüllt von einem Ausdruck, der wie in der als Mischung aus Verzweiflung und Gebet ergreifend gestalteten „Vissi d’arte“, aus spürbar tiefstem Herzen kommt. Auch als aparte Erscheinung und natürlich zwischen Künstlerin und Liebender pendelnder Interpretin hat sie schnell die Sympathien des Publikums gewonnen.

Aufgrund des Ausfalls des ursprünglich vorgesehenen Alternativ-Tenors schlüpfte an diesem Abend einmalig der Koreaner Andrea Shin vom Badischen Staatstheater Karlsruhe in das Gewand Cavaradossis. Unter diesen Umständen ist ihm der häufige Blick zum Dirigenten, wo er seine Partner hätte anschauen müssen, nachzusehen – auch wenn dadurch einiges an befreiender Spontaneität verloren ging. Punkten konnte er durch sein ansprechendes Tenor-Material mit gut studierter italienischer Gesangstechnik, ein angenehmes, wenn auch wenig individuelles Timbre und eine, wenn auch erst im dritten Akt demonstrierte Fähigkeit der nuancierenden Zurücknahme der Stimme. Bis dahin stand sein Vortrag mehr im Zeichen der Eindimensionalität und der pauschalen Tongebung. Den sicher gerundeten Höhen fehlte es noch an jenem Strahlen, das so betörend aufs Publikum zu wirken vermag. Als (s.o.) eingeschränkter Darsteller beglaubigte er vor allem den Künstler, dann erst den Liebenden, kaum den Revolutionär.

Dem inzwischen rund 30 Jahre lang gedienten Kammersänger des Hauses Michael Ebbecke kommt der Macht besessene Scarpia aufgrund seiner Bühnenpräsenz und alles beherrschenden Spielfähigkeit einiger vokaler Einschränkungen zum Trotz sehr entgegen. Ein spätes, aber nicht zu spätes Rollendebut, bei dem auch die Macht der vokalen Entfaltung sowie das expressive Spielen mit der Stimme zur Charakterstärke beiträgt. Im Forte und bei schmeichelnd zurück genommenen Tönen offenbart der Bariton inzwischen eine gewisse Steife, weiß dies aber sinnvoll für seine Interpretation eines widerlichen Genießers zu verwenden und gerade bei einer solchen Verismo-Rolle nicht unbedingt als Nachteil spürbar zu machen. In den kleineren Partien ist das bereits Gesagte vom Februar zu wiederholen, ebenso hat sich Marko Letonjas Dirigat im weiteren Verlauf als spannende Grundlage genauso wie als sängersichere Basis bestätigt, wofür auch dem Staatsorchester Stuttgart erneut verdientes Lob für eine klanglich blühend ausgeleuchtete Puccini-Wiedergabe auszusprechen ist.

Und Willy Deckers klar Stellung beziehende, aufs Wesentliche konzentrierte Inszenierung von 1998, erweist sich im Repertoire, gerade für (einmalige) Einspringer als problemloser Ausgangspunkt. Wenn sich auch nicht alles auf gleichem Level bewegte – die unverwüstliche Dreieck-Konstellation des Stückes vor politisch brisantem Hintergrund sorgt mehr oder weniger immer für einen Funkenschlag. Fein abgestufte Ovationen würdigten diese Aufführung sehr gerecht.

Udo Klebes

 

 

Diese Seite drucken