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STUTTGART: TOSCA – „harmonisch bis zum Exzess“

25.05.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Stuttgart: „TOSCA“ 24.5.2014Harmonisch bis zum Exzess

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In jeglicher Beziehung eine schöne Tosca: Maria José Siri (mit Scott Hendricks als Scarpia). Copyright: Martin Sigmund

 2008 hatte sie als Aida in Stuttgart ihr europäisches Debut gegeben, jüngst erzielte sie als kurzfristigste Einspringerin in „Andrea Chenier“ an der Wiener Staatsoper einen riesigen Erfolg. Jetzt kehrte die aus Uruguay stammende Maria José Siri für sechs Vorstellungen als Tosca an den Neckar zurück und faszinierte mit Zunahme dieser zweiten Aufführung sowohl durch eine hohe Identifikationsgabe und Ausstrahlung als auch in der vokalen Ausgeglichenheit zwischen schmeichelnder Liebender und attackierender Primadonna. Quer durch alle Lagen besticht ihr wohltuend timbrierter Sopran mit fließend organischen Linien und einer jederzeit gewährleisteten Durchschlagskraft, die selbst in heftigsten Spitzen-Entladungen eine Leichtigkeit und harmonische Rundung bewahrt, ohne dabei die erforderliche mitreißende Wahrhaftigkeit des Ausdrucks einzubüßen. Das nach einem Gerangel mit Scarpia im Liegen ganz zart, aber klar angestimmte „Vissi d’arte“ steigerte sie im langsamen Aufrichten zu einem berührenden Bekenntnis, gekrönt von einem selten so unabgesetzt in einem Bogen gelingenden „Signor“.

Mit dieser Mischung aus vokaler Perfektion und Schönheit sowie spontaner Rollenmodellierung stand sie stückgemäß unangefochten an der Spitze dieser Vorstellung.

Scott Hendricks verfügt als Scarpia wohl nicht über solche üppigen stimmlichen Mittel, weiß seinen Bariton aber im Rahmen seiner Möglichkeiten mit einem hohen Maß an expressiver Verlautbarung und farblicher Profilierung zu nutzen. Auch mit eher geringer Körpergröße gelingt es ihm den sich an seinen Opfern aufgeilenden Machtmenschen spürbar zu machen und dennoch eine gewisse Noblesse zu wahren.

Neben diesen beiden starken Kontrahenten nahm sich der Cavaradossi von Rafael Rojas wie schaumgebremst aus, der Zeichnung des revolutionären Künstlers fehlte es bei aller Bemühtheit an Leidenschaft und Emphase. Obwohl er mit seinem unten etwas fahlen und in der Höhe zuverlässigen, aber mehr geraden als strahlenden Tenor mit seinem Part keine Probleme hatte, wollte sein Einsatz kaum einmal richtig zünden. „E lucevan le stelle“ blieb so im luftleeren Raum hängen, war weder ein verzweifelter Abschied vom Leben noch eine rein gesanglich überwältigend glanzvolle Arie.

Aus dem Opernstudio empfahl sich Ashley David Prewett als noch steigerungsfähiger, durchaus präsenter Angelotti neben dem mit allen Wassern gewaschenen Mesner des Karl Friedrich Dürr und dem passend windigen und tenoral penetranten Spoletta von Daniel Kluge. Unauffällig komplettierte Stephan Storck als Sciarrone. Klar und sauber drang die Stimme von Carolin Lauster vom Kinderchor durch die Morgenstimmung auf der Engelsburg. Der Staatsopernchor garantierte für eine bannende Wiedergabe des Te Deums,

der neue erste Kapellmeister Simon Hewett  machte von Beginn an mit einer sorgsam all den Schattierungen der Partitur nachspürenden Leitung auf sich aufmerksam, der das Staatsorchester Stuttgart mit genauer Ausformulierung als auch spannungsförderndem Impuls folgte. Warum bei insgesamt eher verhaltenen, teilweise auffallend langsamen Tempi das Nachspiel des Te Deums so verhetzt wurde, als ob es nicht schnell genug in die Pause gehen könnte, bleibt eine offene Frage an den Dirigenten.

Willy Deckers aufs Wesentliche reduzierte und bei den Kostümen von Wolfgang Gussmann historisch orientierte Inszenierung ist nach wie vor der denkbar beste und dankbare Rahmen für wechselnde Besetzungen und blieb auch in dieser 88. Vorstellung (seit dem 3. Juli 1998) nichts an stückimmanenter Atmosphäre schuldig.                                            

Udo Klebes

 

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