STUTTGART/ Theaterhaus: SWR YOUNG CLASSIX – EIN BETÖRENDER GESANG. 14.12.2013
Das Märchen von der „Nachtigall“ nach Hans Christian Andersen ging allen unter die Haut. Erzählt wurde hier zu irisierenden Klängen für Erzähler, Blockflöte und Chor a cappella von Ugis Praulins die Geschichte einer Nachtigall, die für den Kaiser von China schön sang. Und der Kaiser von China hatte ein wunderschönes Schloss aus Porzellan. Der Erzähler Malte Arkona führte die kleinen Zuschauer ausgesprochen gewandt durchs Programm. Der Kaiser wollte unbedingt, dass die Nachtigall für ihn sang. „Der Vogel soll kommen und mir vorsingen“, forderte er. Er habe nicht gewusst, dass sie existiere. Und die Nachtigall zwitscherte nun tatsächlich für den Kaiser auf einem goldenen Stab. Zuvor wurde sie von der gesamten Hofgesellschaft fieberhaft gesucht, der man androhte, man werde ihr auf dem Bauch herumtrampeln, wenn sie sie nicht herbringen würde. Außerdem gingen Bücher um die Welt, und der Kaiser bekam sie in die Hand. In diesen Büchern wurde immer wieder die Nachtigall erwähnt. Plötzlich sang die Nachtigall aber nicht mehr, denn sie war einfach davongeflogen. Da war die gesamte Hofgesellschaft sehr wütend. Und das SWR Vokalensemble Stuttgart interpretierte diese rhythmisch vielschichtige Musik unter der einfühlsamen Leitung von Klaas Stok mit nie nachlassendem Elan und durchsichtiger harmonischer Präzision. Schließlich fanden die Hofleute eines Tages eine künstliche Nachtigall, die allerdings erst schön sang, wenn man sie aufzog. Aber auch diese automatische Nachtgall versagte schließlich ihren Dienst. Und der Kaiser wurde sehr traurig und todkrank, drohte zu sterben. Er lag im Bett und blickte zur Decke – von oben schien durch eine Öffnung der kalte Mond herein. Aber auf einmal war die lebendige Nachtigall wieder da. Sie sang so schön, dass der Kaiser völlig gesund wurde. Die Dienerschaft wollte dann nach dem toten Kaiser sehen – doch der sagte zuletzt in erfrischender Weise „Guten Morgen“. Diese dynamische Steigerung brachte das SWR Vokalensemble klangschön zur Geltung. Michala Petri zauberte auf ihrer Blockflöte reizvolle Kaskaden und Arabesken hervor, die an Tempo immer mehr zunahmen. Die chromatischen Figurationen wurden vom SWR Vokalensemble ausgesprochen geschmeidig und mit weichem Timbre ergänzt. Die kontrapunktischen Finessen gingen hier wirklich unter die Haut. Ein tiefer Gongschlag erinnerte immer wieder an die prachtvolle Majestät des Kaisers, was den Kindern beim Zuhören viel Spaß machte. So wurden auch die Haupt- und Seitenthemen in reizvoller Weise herausgearbeitet. Das SWR Vokalensemble verlieh seinen Kantilenen unter der subtilen Leitung von Klaas Stok bewegenden Impetus. So wurde ein Klangkosmos beschworen, der in aufwühlenden Wellen zu einem sphärenhaften Abschluss führte. Malte Arkona gelang es mühelos, in verschiedene Rollen zu schlüpfen.
Alexander Walther