Stuttgarter Ballett: „ROMEO UND JULIA“ 12.6.2014 – Debuts in Hülle und Fülle
Im Liebesglück: Elisa Badenes (Julia) und Daniel Camargo (Romeo). Copyright: Stuttgarter Ballett
Ahnungsschwerer Abschied: Elisa Badenes (Julia) und Daniel Camargo (Romeo). Copyright: Stuttgarter Ballett)
Zehn Rollendebuts auf einen Streich in Haupt- und Nebenrollen verzeichnet die Besetzungsangabe an diesem ersten Aufführungsabend des berühmten Liebesdramas nach längerer Pause – die Augen waren dementsprechend besonders stark gefordert und die Vorstellung von enormer Spannung begleitet. Diese Spannung war indes nicht nur nervlicher Natur, wurde auch in viel Bühnenmagie umgewandelt, die die Zuschauer mal mehr, mal weniger zu fesseln vermochte.
Vom ersten Moment an, wenn sie mit der Amme herumalbert und die Mutter ihr das Ballkleid präsentiert, lässt uns Elisa Badenes als Julia mit einer Lebendigkeit und überrumpelnden Natürlichkeit in das bewegte Herz eines jungen Mädchens blicken, das seiner ersten Liebe entgegen fiebert und nach der ersten Begegnung mit Romeo ihre Sehnsüchte und später ihr Ringen um den Geliebten so bezwingend wie echt auslebt. Dazu kommt ihr faszinierendes Wechselspiel aus einer realitätsverankerten Präsenz und einer wie bei ihr nicht anders erwartet schwebenden Leichtigkeit in der technischen Disposition. Selbst der finalen Tragödie in der Gruft mit dem toten Romeo und Grafen Paris ist die noch junge Tänzerin bereits so gewachsen, dass sie instinktiv weder zuviel noch zu wenig Farbe bekennt.
Ausgelassene Freunde: Robert Robinson (Mercutio) und Daniel Camargo (Romeo). Copyright: Stuttgarter Ballett
Dieses schon komplett erfasste Rollenverständnis ist bei Daniel Camargo noch nicht so ausgeprägt, phasenweise stand noch eine gewisse Verträumtheit und Nachdenklichkeit einer geistesgegenwärtigeren Aktion im Wege, obwohl er sich mit kraftvoll gestreckten und entsprechend effektiven Sprüngen, bestens ausbalancierten Drehungen und den komplizierten Hebungen in den Pas de deux in einer sicheren Form befand, die ihm durchaus Freiraum für etwas mehr an Spontaneität gelassen hätte. Seine jugendlich schwärmerische Latin Lover-Erscheinung an der Schwelle zum Mannsein gibt ihm dabei einen Bonus, der das Gesamtbild des Romeo überaus positiv rundet. Zusammen betrachtet sind beide auch hier in puncto Alter, Ausstrahlung und technischer Exzellenz ein übereinstimmendes Paar und als Publikumslieblinge des Jubels sicher.
Als Mercutio hat Halbsolist Robert Robinson sichtbar viel Spaß an einer Partie, die ihm als Typ mit lustigem Augenspiel genau entspricht. Trotz seines überquellenden, teils schrägen Humors lässt er sich nicht zu Übertreibungen verleiten. Die noch vorhandenen Löcher in der heiklen Todesszene sind allemal noch stimmiger als ein Zuviel an pathetischer Mimik es wäre. In seine Drehungen legt er viel Esprit, eine Harmonie im absolute Synchronität verlangenden Pas de trois wollte sich vorläufig weder mit Romeo noch mit dem etwas ungewöhnliche exzentrische gestische Akzente setzenden, technisch soliden Louis Stiens als Benvolio einstellen.
Neben Rachele Buriassi fanden Angelina Zuccarini und Miriam Kacerova erstmals zu einem rassigen Zigeunerinnen –Trio zueinander, Petros Terteryan wechselte von einem strengen Herzog von Verona zu einem nachdenklich gütigen Pater Lorenzo, Daniela Lanzetti und Matteo Crockard-Villa repräsentierten ohne große Möglichkeiten erstmals das Herrscherpaar der Montagues, Elena Bushuyeva überzeugte als Julias Vorgängerin Rosalinde.
Bleiben noch die Erfahreneren: allen voran Damiano Pettenella als persönlichkeitsstarker, jeden Zoll die Verteidigung der Familienehre glaubhaft machender Tybalt, David Moore als ein in akademischer Reinheit erblasster Graf Paris, Melinda Witham und Rolando D’Alesio als rollendeckendes Führerpaar der Capulets, Ludmilla Bogart als Goldstück von Amme und das von Roland Havlica solistisch angeführte gummi-gleiche Quintett der Clowns.
Das Corps de ballet stellte wie meist gut vorbereitet auch mit nachkommenden Tänzern die Gruppen der Blumenmädchen, der Anhänger beider Adelsgeschlechter und des Volkes von Verona. James Tuggle ließ mit dem Staatsorchester Stuttgart die alle Situationen so schillernd auf den Punkt bringende Prokofieff-Partitur gelegentlich etwas zu grob daherkommen. Udo Klebes