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STUTTGART: MEISTERWERKE – Hommage an zeitlose Tanzkunst

STUTTGART: MEISTERWERKE – Hommage an zeitlose Tanzkunst- 18.05.2013

Im Ballettabend „Meisterwerke“ vereint das Stuttgarter Ballett drei Stücke und Choreographen, die nicht nur Tanzgeschichte geschrieben haben, sondern die auch Jahrzehnte nach deren Uraufführung zeitlos wie innovativ wirken und das Publikum auf vielerlei Weise zu berühren vermögen.

Im ersten und zugleich auch ältestem Stück, „Die vier Temperamente“ bringt George Balanchine die alte Vorstellung zum Ausdruck, dass jeder Mensch aus vier Körpersäften – melancholisch, sanguinisch, phlegmatisch und cholerisch – besteht und die Ausprägung dieser bzw. die jeweilige Dominanz, die Physis sowie die Psyche des Menschen bestimmt. Die äußerst präzise sowie ästhetische Choreographie fordert jeden einzelnen Tänzer, denn das Stück wirkt nur als Gesamtkunstwerk und lässt überhaupt keinen Spielraum für Ungenauigkeit. Daniel Camargo, der in der Rolle Melancholisch debütierte, meisterte die Technik zwar mit Leichtigkeit und interpretierte auch die Musik teils sehr sensibel, er ließ jedoch etwas von der Tiefe vermissen, die diese Rolle erst glaubwürdig macht. Auch Anna Osadcenko (ebenfalls Rollendebüt), sonst für ihren Charme und Temperament beliebt, wirkte in ihrer Interpretation von Sanguinisch etwas zu blass, ähnlich wie Angelina Zuccarini, die in der Rolle Cholerisch debütierte. Die tragende Rolle in dem Stück übernahm somit Jason Reilly, der Phlegmatisch mit sehr viel Reife und Bühnenpräsenz interpretierte und die wechselnden Launen des Charakters (betont auch durch Paul Hindemiths Musik), hervorragend wiederzugeben verstand.

Eine „Hymne auf den Tanz“ bezeichnete Jerome Robbins sein Stück „Dances at a Gathering“: „es gibt keine Handlung und keine Rollen. Die Tänzer sind sie selbst, zusammen tanzend zu dieser Musik in diesem Raum.“ Leben ist (auch) Begegnungen und nach dem Motto entfalten zehn TänzerInnen ihre eigenen Geschichten: Maria Eichwald (Rollendebüt in Pink) berührt vor allem im sehr stimmigen pas de deux mit Alexander Jones, der diesmal in Purpur sein Rollendebüt gab, spritzig und lebhaft versteht es Elisa Badenes (ebenfalls Rollendebüt, Apricot) das Publikum zu verzaubern, während Alexander Zaitsev, der in Braun den Auftakt des Stückes machte, spielerisch seine kleinen Solis interpretiert und bis zum Ende des Stückes mit viel Charme die richtigen Akzente setzt. Daniel Camargo (Ziegelrot), kürzlichst für Pablo v. Sternenfels eingesprungen, hatte wieder sichtlich Spaß an der Rolle, ebenso wie Alicia Amatriain, die in Mauve damenhaft und verspielt zugleich wirkt. Viel Applaus auch für den Pianisten Andrej Jussow, der alle Facetten der Chopin-Stücke stimmungsvoll interpretierte.

Igor Strawinsky, der auch selbst mit seinen Ballettkompositionen Geschichte schrieb, inspirierte Glen Tetley zur bisher erfolgreichsten Choreographie von „Le Sacre du Printemps“.

 
„Le Sacre du Printemps“, Choreographie: Glen Tetley. Roman Novitzky, Marijn Rademaker, Alexander Jones. Foto: Stuttgarter Ballett

 Die teils verstörenden Rhythmen sowie die fast unerträgliche Steigerung der Musik setzte Tetley in einer ihm charakteristischen, sehr akrobatischen, Choreographie um, die dennoch auch voller stiller, spannungsvoller Momente ist. Dass nicht auf Spitze getanzt wird, empfindet man hier somit als selbstverständlich. Marijn Rademaker debütiert mit blondem Wuschelkopf als auserwählter Jüngling, auf den die Sünden und Leiden der Welt übertragen werden und der geopfert wird, um mit dem neuen Frühling wiedergeboren zu werden. Er zeigt eine bei ihm bisher nicht mehr gesehene Bewegungssprache und versetzt sich vollends in Tetleys Stil hinein, dennoch fehlt ihm noch der letzte Funke und die für diese Rolle unbedingt erforderliche komplette Hingabe, um restlos zu überzeugen.

Vor allem in diesem Stück ist das Staatsorchester Stuttgart unter der Leitung von James Tuggle hervorzuheben, das mit den richtigen Akzenten Strawinskys Werk die nötige Spannung verleihen konnte.

Alles in allem ein gelungener Abend, der den Meistern alle Ehre machte, wenn auch in dieser Besetzung (21 Rollendebüts!!!) sicher noch an der einen oder anderen Stelle gefeilt werden kann.

Dana Marta

 

 

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