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STUTTGART/ Ballett: „FORT//SCHRITT//MACHER – in alternativer Besetzung

Stuttgarter Ballett: „FORT//SCHRITT//MACHER“ 8.12.2013 – abends – in alternativer Besetzung

 So mancher Abonnent wird mit dem jüngst herausgekommenen Programm des Stuttgarter Balletts vor eine erhöhte Herausforderung gestellt, dennoch zeugt der auch in Repertoire-Vorstellungen starke Applaus-Pegel davon, dass sich immer mehr Theatergänger aufgrund der vielen Spitzenleistungen und des generell hohen Niveaus der Compagnie auch für schwer zugängliche Kost begeistern oder zumindest Respekt gebietend erwärmen lassen.

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Messerscharfe Athletik: Daniel Camargo im Finale von Goeckes „On Velvet“. Copyright: Stuttgarter Ballett

Marco Goeckes neueste Kreation „ON VELVET” ist so ein Beispiel, wobei der Hauschoreograph bei diesem Stück bedingt durch die Thematik der Theatergeister in einem imaginär geheimnisvollen Bühnenraum eine wirklich (fast) durchgehende Magie und Spannung erzielt, die auch Johannes Maria Stauds bis an die Grenze der Wahrnehmungsfähigkeit führendes Cellokonzert als tragfähige akustische Kulisse goutieren lässt und einigen der 12 eingesetzten TänzerInnen herausragende Aufgaben bietet.

An der Spitze jetzt Daniel Camargo, der speziell die letzten vier Minuten zur verblüffend temporeichen Verschweißung von erregenden Fall- und Stützaktionen, angeheizt durch Edward Elgars Mogul-Marsch, in messerscharfen Konturen mitreißend steigert. Neben Elisa Badenes, die sich außer ihren klassischen Spitzen-Künsten als gleichfalls virtuose moderne Tänzerin präsentiert, stand neben Roman Novitzky und Ludovico Pace diesmal der Eleve Cedric Rupp im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und nützte ein längeres Solo zur in diesem Entwicklungs-Stadium schon sehr sicheren Handhabung des Goeckeschen Nervositäts-Stils.

Die weitere Begegnung mit William Forsythes „WORKWITHINWORK“ förderte nicht mehr Erhellendes zutage als die Premiere, zu diffus ist die Beleuchtung, zu streng der Werkstatt- oder Trainingcharakter des Ablaufs, bei dem 18 TänzerInnen mehr oder weniger beziehungslos die Grenzen des Klassischen sprengen. Kaum einer unter ihnen ist als persönliches Individium erkennbar, unter den Damen allenfalls Elisa Badenes aufgrund ihrer solistischen Position und einer Technik, die sie auch mit den teils grotesk gekippten und eingeknickten Spitzen wie ein Kinderspiel zurecht kommen lässt; selbst unter den Herren sind gerade noch Constantine Allen und Jesse Fraser aufgrund ihrer hervorstechenden Physiognomie auszumachen. Lucianos Berios spröde Violin-Duette tun ein Übriges, um diesem Stück das Vehikel sperrig, schwer zugänglich zu verpassen.

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Neoklassik mit Innenspannung und Ironie: Anna Osadcenko und Alexander Jones. Copyright: Stuttgarter Ballett

Ein Raunen der Erleichterung war bei den nachfolgenden „FRANK BRIDGE VARIATIONS“ von Hans van Manen spürbar, deren erdig dunkler Charakter durch die vielfach pulsierenden Streicher-Themen sowie die choreographische Umsetzung belebend oder zumindest anregend wirkt. Das Changieren zwischen konkretem Rollenspiel von Mann und Frau und ungefährer Abstraktion schafft eine Innenspannung, die Anna Osadcenko und Alexander Jones mit der entsprechenden körperlichen Präzision inklusive einer Spritze Ironie spürbar werden lassen. Beim anderen Paar klafft eine Lücke zwischen der anmutig neoklassische Kunst vorführenden Hyo-Jung Kang und dem über technische Einwandfreiheit hinaus wenig Sprechendes vermittelnde David Moore. Zusammen mit der sechsköpfigen Gruppe und dem Staatsorchester Stuttgart unter James Tuggle  weckte auch diese Wiedergabe den Appetit künftig wieder mehr aus dem großen Oeuvre des niederländischen Choreographen zu sehen.

 Udo Klebes

 

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