Stuttgarter Ballett: „AKTION WEIHNACHTEN“ 8.12. 2013 vorm. – die Zukunft ist gesichert
Adhonay Da Silva – das Publikum im Sturm erobert: Adhonay Da Silva in seiner Colas-Variation. Copyright: Stuttgarter Ballett
Zum 33. Male veranstalteten die Stuttgarter Nachrichten diese Benefiz-Aktion mit dem Stuttgarter Ballett und der John Cranko-Schule und unterstützen in diesem Jahr – gemäß der Bestimmung für regionale Zwecke – die Finanzierung des Projektes des Schwäbischen Albvereins, Sozialpädagogen auszubilden, die Demenz-Kranke auf Ausflügen und Wanderungen begleiten sollen.
Eine bewährte Mischung aus Klassischem und Modernem garantierte auch diesmal für ein kurzweiliges Programm an diesem zweiten Adventssonntags-Vormittag. Aus der Schule eroberte einer ganz besonders die Herzen des Publikums: Adhonay Da Silva (Klasse 6) empfahl sich mit dem Solo des Colas aus „La fille mal gardée“ in einer Choreographie von Alexander Gorsky (eine sehenswerte Variante zur in Stuttgart bereits gezeigten Ashton-Version) als exzellenter Techniker mit sauberen Linien und weich ausschwingenden Drehungen, verstand es aber zudem vom Auftritt an „da“ zu sein, Kontakt zum Publikum aufzunehmen und den für diese Partie erforderlichen unwiderstehlichen Charme spielen zu lassen.
Sehr anständig, ohne Fehl und Tadel auch die beiden erz-klassischen Soli von Jennifer Hackbarth (Klasse 5) mit einer fein auf Spitze getrippelten und passend süßem Lächeln ergänzten Zuckerfee-Variation aus dem „Nussknacker“ und von Aina Oki (Klasse 4) als sprühend leicht hingetupfte Colombine in Petipas „Harlequinade“.
Klar gegliederte Choreographien der „Pizzicato-Polka“ und eines Abschnittes aus Gounods Walpurgnisnacht-Ballettmusik zeigten Mädchen unterschiedlicher Klassen in überwiegend geglückten, feinen und duftigen Formationen, doch vermochten die moderneren Programmpunkte beim wie immer gemischten Publikum vom Kleinkind bis zum Greis inzwischen mehr zu zünden, so z.B: ein humorvolles neckisches Spiel zweier „Schwestern“, um deren Gunst gleich drei Jungs kämpfen (Choreographie: Hilke Rath), oder ein „Balkanischer Frühling“ zu entsprechender Volksmusik, in dessen Arrangement bunte Haarbänder den entscheidenden Bewegungs-Kick ermöglichen. Zwei Solo-Demonstrationen mit viel bodenverhaftetem Modern Dance-Einschlag offenbarten zwar nicht all ihre Bedeutung, boten Riccardo Ferlito (Klasse 3!) in „In Partenza“ und Alessandro Giaquinto (Klasse 6) in „Se“ Gelegenheit zu zeigen, wie versiert und locker sie schon in frühen Jahren mit solchem Material umgehen.
Neoklassisch-Poppiges mit einem Schuss Coolness auf Spitze zeigte Grace Davidson (Klasse 5) in „Till the end“. Das abschließende „Ryu“ (Choreographie: Kinsun Chan) bot ca. 20 Jungs aus allen Klassenstufen vom Anfänger bis zum Akademisten Gelegenheit zu dynamischer Trommelmusik vor teils dunkel gehaltener, dann grün oder feuerrot beleuchterter Rückwand mit freiem Oberkörper und langen schwarzen Röcken bzw. Boxer-Slips ihre Muskeln spielen zu lassen und teils waghalsige Überschläge zu präsentieren.
Nach der Pause wurde vor allem Friedemann Vogels Stuttgarter Teilrollen-Debut als Onegin im Spiegel-Pas de deux erwartet. Trotz einem mit Alicia Amatriains routiniert wirkender Tatjana frappierend leicht und flüssig funktionierenden Ablauf der vertrackten Hebungen blieb die charakterliche Gestaltung der Rolle noch unterbelichtet, wobei es generell schwierig sein dürfte, in eine solche Partie ohne vorherigen Entwicklungs-Aufbau aus dem Nichts heraus einzusteigen.
Romeo und Julia von morgen: Rocio Aleman und Pablo von Sternenfels. Copyright: Stuttgarter Ballett
Ein Versprechen für die Zukunft sind die Gruppentänzer Rocio Aleman und Pablo von Sternenfels im Balkon-Pas de deux aus „Romeo und Julia“, sie mit einer beachtlichen musikalisch-gestalterischen Empfindsamkeit, er durch eine klare Präzisierung der Sprünge und des Partner-Handlings.
Daniel Camargos choreographischer Erstling „DO OUTRO LADO” ist auch bei der zweiten Begegnung nicht mehr als ein in schöner Synchronität von Nicolas Jones und Robert Robinson auf den Punkt gebrachtes Duo im Wechsel zwischen Gegen- und Abblendlicht.
Erneut einzuheizen gelang es dagegen Roman Novitzky mit seinem amüsanten Wettstreit-Trio „ARE YOU AS BIG AS ME?“ zu ansteckend rhythmischem Folklore-Pop, mimisch köstlichst aufgegriffen und noch bei den Vorhängen fortgesetzt von Jesse Fraser, Robert Robinson und Matteo Crockard-Villa.
Der abschließende „GRAND PAS DE DEUX“ von Christian Spuck brachte die Stimmung dann zum Überschäumen, mit so viel neuen witzigen Details und kluger Vermeidung von künstlichen Übertreibungen servierten Anna Osadcenko und Marijn Rademaker in komischem Ernst die Entgleisung klassischer Ballett-Tugenden zu Rossinis „Diebischer Elster“. Auch dieses Stück braucht hin und wieder eine Frischzellenkur, und die hat sie durch dieses noch wenig damit aufgetretene Paar gewinnbringend verabreicht bekommen.
Udo Klebes