
Auf der Ruffinibühne: Ein riesiger Wurlitzer Foto c A.Bardel
ST.MARGARETHEN:Ruffinibühne
Gaetano Donizetti : “DER LIEBESTRANK”
Premiere 6.Juli 2016
Zuletzt, im Jahre 2011, musste die weitaus kleinere, aber auch intimere Ruffini-Bühne als Ausweichquartier herhalten, weil auf dem großen Felsenareal der Hauptbühne die biblischen Figuren ihr Spiel abhielten. Damals, vor fünf Jahren versuchte der damalige Intendant neue Wege zu gehen, eine etwas skurill gelungene, aber vom Publikium abgelehnte Inszenierung des Mozartschen Giovanni, in welcher der große Verführer und sein liederlicher Diener sich sogar als Anthropophagen gerierten, geriet zum Misserfolg, der sich dann auch auf der großen Bühne fortsetzte. Er läutete das Ende der bis dahin immer als so erfolgreich akklamierten Intendanz von Wolfgang Werner ein.
Diesmal ging man keinerlei Risiko ein, die “Arenaria”, der neue Veranstalter begab sich auf den Boden sommerlich-heiterer Oper der italienischen Romantik und für die Inszenierung holte man sich einen Routinier gemäßigter Moderne, Philipp Himmelmann, der die, einem Wurltzer nachgebaute Szenerie von Raimund Bauer mit dem bunten Treiben der Sechzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts belebte.
Mit dieser Translozierung in den optisch gewöhnungsbedürftigen aber praktikablen Rahmen der Juke-Box wurde naturgemäß jene gemütvolle, ländliche Idylle des Originals eingetauscht gegen die Welt der Blumenkinder und der Hippies einerseits, wie sie der Doktor Dulcamara bei Himmelmann darzustellen hat und in die Welt des kalten Krieges andererseits, die Belcore brutal vertritt.

Uwe Schenker-Primus auf seinem Blumenbus Foto c A.Bardel
In einem alten VW-Bus, umrankt von Blumen und Blumenkindern, fährt der Wunderdoktor ein, ein schwerbewaffnetes Antiterrorkommando seilt sich auf die Bühne ab und der revolverfuchtelnde Belcore bedroht die Bewohner der Ortschaft. Letzteres fällt allzu martialisch aus, es sind die ständigen Fersehbilder aus den Nachrichten des Nahen Ostens und nur wenig Handlungsaffin, letzlich sollte sich Belcore die angebetete Adina mit dem Herzen erobern und nicht mit Waffengewalt. Ein wohl beabsichtigter Störfaktor der Regie für sein Publikum, eine Überzeichnung und Überfrachtung der so simplen Handlung jedenfalls.

Belcore Andrei Bodarenko und die zweifelnde Adina Elena Sancho Pereg
Foto c A.Bardel
Andrei Bondarenko ist der rüde Offizier, der auch mit entsprechender Gewalt auf seinen Gegenspieler einschlägt. Kein Wunder, dass mit solchen Spielchen er bei Adina keine Chancen hat, obwohl gerade seine baritonalen Mittel durchaus beachtenswert wären, wenn man der Verstärkeranlage trauen darf, aber davon zuletzt. Sein Rollenumfang und die Aufzählung seiner Auftritte im Programm künden von einer bereits stark anlaufenden künstlerischen Vita im europäischen Raum.
Und Uwe Schenker-Primus stellt einen nicht nur gewaltigen, was das körperliche anlangt, sondern auch einen gewalttätigen Doktor auf die Bühne, wenn er als “Senator Tredenti” in der ”Barcarola a Due Voci” statt mit der “Gondoliera” Adina zu tänzeln, diese auf das brutalste sexuell belästigt.
Ja, Adina ist tatsächlich in St.Margarethen in schlechte Gesellschaft geraten, so lieblich, zart und hilflos sie auch wirkt, stimmlich läßt sie sich das nicht anmerken. Elena Sancho Perez hält mit etwas spitzem aber höhensicheren Sopran nach Kräften gegen diese Männerwelt.

Nemorino Tamás Tarjányi nach Einnahme des Liebestranks
Foto c A. Bardel
Den Schlager dieser Oper von der heimlichen Träne, den intoniert Tamás Tarjányi mit dem Gefühl eines gut geschulten lyrischen Tenors, der an der Wiener Musikuniversität studierte und über die Oper Bonn nächste Saison am Müchner Gärtnerplatz-Theater dem Ensemble angehören wird. Als Nemorino muß er nicht nur vor der Brutalität seines Nebenbuhlers zu Boden, er fällt sogar in Ohnmacht nach der unerwarteten Liebeserklärung Adinas. Wie romantisch!
Und die Gianetta dieser Inszenierung ist eine verklemmte und altjüngferlich Wirkende, die, heimlich verliebt in Nemorino, ihm immer hilfreich die Hände ansetzt, und sei es auch in hilfreichen Massagen, Esther Dierkes spielt und singt das ausdrucksvoll.
Karsten Januschkes Leistung in der Einstudierung und der Wiedergabe kann nicht groß genug eingeschätzt werden. Denn, trotz der Lage des unsichtbaren Orchesters hinter der Bühne und den einzigen Kontakt zu den Sängern lediglich über den Bildschirm auf der Tribüne gegenüber der Bühne, entstand eine spritzige Musiksprache im Sinne der italienischen Frühromantik und Donizettis mit fein aufgebauten und rhythmisch federnden Ensembles und deren entsprechend dynamischen Schattierungen und Tempowechseln.
Spätestens jetzt darf auf die Verstärkeranlage hingewiesen werden, deren Richtungshören jetzt Regisseure, darunter auch Herrn Himmelmann veranlasst, die Darsteller und Darstellerinnen auch im Bereich seitlich vom Zuschauerbereich, weit draussen auftreten zu lassen, ein Umstand, der den schon schlechten Ton in der Mitte noch durch eine übermäßige Lautstärke in seiner verzerrenden Wirkung von der Seite her überdeckt.
Dies alles scheint ein Technikproblem zu sein, derzeit ergibt der Ton insgesamt eine Einheitslautstärke, die jedes diffenzierte Wahrnehmen des Gesungenen erschwert, ein Forte erklingt mit der gleichen empfundenen Intensität wie ein Pianissimo. Haben Tontechniker solcher Anlagen überhaupt ein Gefühl dafür, was Operngesang bedeudet, wie man ihn hören sollte? Offenbar nicht. Was für ein Musical gang und gebe ist, der monotone und laute Einheitsklang, der ist jedenfalls für eine stimmige Operninterpretation, für ein Stimmenhören in dieser gebotenen Qualität eher kontraproduktiv. Und ich will erst gar nicht an den Orchesterklang denken. Es ist natürlich jeder Hinweis auf eine stimmliche Verfassung unter diesen Gesichtspunkten zu werten und obsolet.
Die Mitleseanlage über der Bühne, sie hat auch schon vor fünf Jahren gut funktioniert und hat ihre Dienste wieder aufgenommen, dafür gab es damals kein Feuerwerk, gestern schon, aber dafür fanden gestern keine Ansprachen statt, was allgemein als sehr angenehm empfunden wurde, wie man aus den Gesprächen der Heimkehrenden heraushören konnte.
Peter Skorepa
MerkerOnline
Elferfragen in der Nachspielzeit:
Über den WURLITZER, dessen riesengroßes Modell einer amerikanischen Music-Box das Bühnenbild für den Liebestrank darstellt, erfahren sie mehr unter:
https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Rudolph_Wurlitzer
Der SCUDO, die Währung, in welcher Doktor Dulcamara seinen Handel treibt, existierte als Gold-bzw vor allem als Silbermünze ab dem 14.Jahrhundert im italienischen Raum. Dazu:
https://de.wikipedia.org/wiki/Scudo_(M%C3%BCnze)
Der ZECCHINO, mit dem Nemorino den Liebestrank bei Dulcamara bezahlt, wurde seit dem 13. Jahrhundert in Venedig als Goldmünze geprägt, war eine stabile Währungseinheit mit festem Goldgehalt, auch venezianischer Dukat genannt. Eine Münze mit festem Goldgehalt von Bedeutung für den europäischen Handel. Von “Zecca”, der venezianischen Prägestätte, hergeleitet von dem arabischen “sikka”, dem Prägestock.